„Das Arbeiten in multinationalen Teams sollte frühzeitig geübt werden“

ADZ-Gespräch mit Prof. Dr. Franz Quint von der Hochschule Karlsruhe

Franz Quint wurde in Temeswar der Titel eines Ehrenprofessors der TU Politehnica verliehen.
Foto: Zoltán Pázmány

Der aus Hatzfeld/Jimbolia gebürtige Prof. Dr.-Ing. Franz Quint ist seit Kurzem Ehrenprofessor der TU Politehnica. Der Titel wurde ihm anlässlich der 95. Jahrfeier seit der Gründung der technischen Universität in Temeswar/Timişoara verliehen. Franz Quint, der das deutsche Nikolaus-Lenau-Lyzeum in Temeswar abgeschlossen hat, ist Professor an der Fakultät für Elektro- und Informationstechnik der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft. Über die Zusammenarbeit zwischen den beiden Hochschulen und die Austauschprogramme, die im Rahmen der Kooperation zustande kamen, sprach ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu mit Franz Quint.

Seit 2008 gibt es eine Zusammenarbeit zwischen der TU Politehnica und der Hochschule Karlsruhe. Wie ist es denn überhaupt dazu gekommen?

Im Jahr 2008 bin ich zusammen mit einigen Kollegen nach Temeswar gereist, um die Verbindung zur hiesigen Hochschule aufzunehmen und eine Kooperation vorzuschlagen. Diese Zusammenarbeit hat mit einem Studentenaustausch begonnen. Dass Temeswar Partner von Karlsruhe wurde, war naheliegend, zum einen dadurch, dass Karlsruhe und Temeswar Partnerstädte waren, und durch meine Historie hat es sich eben auch angeboten.

Welche gemeinsamen Projekte kamen im Laufe dieser Zusammenarbeit zustande?

Nach dem Erasmus-Austauschsemester für Studenten nahmen wir einen Austausch auch auf der Ebene der Gastdozenturen auf, sodass bisher, seit 2008, fast 30 Gastprofessuren stattgefunden haben. Dann haben wir einen Austausch im Bereich der Forschung initiiert. So waren, zum Beispiel, neun angehende Doktoranden oder Postdoktoranden der TU Politehnica für einen mehrmonatigen Forschungsaufenthalt bei uns an der Hochschule gewesen. Wir haben bisher vier gemeinsame Promotionen durchgeführt, wo eben Professoren aus Temeswar und aus Karlsruhe Promotionen gemeinsam betreut haben. Es gibt auch das Projekt ProKaTim – Signal Processing Karlsruhe-Timişoara, das nicht auf einen Einzelaustausch abzielt, sondern wo wir in großer Masse Studenten von einer Hochschule zur anderen bringen wollen. Es handelt sich um Projektwochen, bei denen wir mit 20 deutschen Studenten nach Temeswar kommen oder mit ebenso vielen Studenten aus Temeswar nach Karlsruhe reisen, und wo die Studierenden gemeinsam über ein ganzes Semester Projekte veranstalten.

Warum ist es wichtig für die Hochschule Karlsruhe, dass sie internationale Partnerschaften pflegt?

Gerade im Ingenieurwesen ist es so, dass die Konzerne multinational aufgestellt sind. In Temeswar gibt es, zum Beispiel, sehr viele deutsche Firmen aus dem Automobilzuliefererbereich. Unsere Absolventen werden sich immer einer internationalen Umgebung ausgesetzt sehen, mit der sie zurechtkommen müssen, und man kann eigentlich nicht früh genug damit beginnen, die Studenten darauf vorzubereiten. Das fängt natürlich mit der Sprache an. Es ist eine Sache, wenn man das Englische nur auf der Schulbank lernt oder wenn man es dann im täglichen Leben übt. Es fängt auch damit an, dass man andere Mentalitäten und Kulturen verstehen muss. Dieser Teamgedanke, dieses Arbeiten in multinationalen Teams, das sollte frühzeitig geübt werden.

In Deutschland herrscht nach wie vor ein Fachkräftemangel. Inwiefern kehren denn die Studenten, die nach Karlsruhe für einen Austauschaufenthalt reisen, nach Rumänien zurück?

Das ist, wie immer, gemischt. Wir haben viele Studenten gehabt, die nach Rumänien zurückgekehrt sind und die hier eine Anstellung gefunden haben, oft sogar bei einer deutschen Firma. Es gibt aber natürlich auch Studenten, die dann in Karlsruhe einen Job gesucht und gefunden haben.

Sie haben zwei Jahre an der TU Politehnica studiert, bevor Sie nach Deutschland ausgewandert sind. Was sind denn Ihre schönsten Erinnerungen an diese Zeit?

Das ist schon recht lange her und natürlich verklärt sich alles im Laufe der Zeit. Ich habe aber wirklich schöne Erinnerungen an meine Zeit an der Politehnica – es war ja die Jugendzeit gewesen. Ich kann mich daran erinnern, dass wir hier eine sehr gute Vorbereitung bekommen haben, gerade in den Grundlagen, in Mathematik, in Physik, in der Elektrotechnik, sodass es für mich damals kein Problem gewesen war, nahtlos in Deutschland weiterzustudieren.

Wie sind die Studierenden der TU Politehnica im Vergleich zu ihren deutschen Kommilitonen, was ihre Vorbereitung angeht?

Ich würde sagen, eindeutig auf Augenhöhe. Es gibt überall gute und weniger gute Studenten. Im Ingenieurwesen sind die Lehrpläne weitestgehend gleich und auch die Leistungen, die die Studierenden erbringen, vergleichbar.

Inwiefern gibt es denn Interesse seitens der Karlsruher Studenten, nach Temeswar zu kommen?

Das ist eine Frage, die ich mir auch gestellt habe, als ich diese Kooperation angefangen habe. Es ist genau ein Punkt, wo – zu meiner Freude – meine anfängliche Skepsis widerlegt wurde. Es ist aktuell so, dass wir, was den Erasmus-Austausch angeht, mehr Karlsruher Studenten in Temeswar hatten als Temeswarer Studenten in Karlsruhe. Im Bereich der Forschung ist es dann ein bisschen anders: Da hatten wir mehr Doktoranden aus Temeswar in Karlsruhe. Die deutschen Studenten kommen sehr gerne nach Temeswar. An der Elektronik-Fakultät habe ich im Schnitt drei bis vier Studenten pro Semester aus Karlsruhe hier in Temeswar.

Welches Feedback bekommen Sie dann von den Karlsruher Studenten, die nach Rumänien kommen?

Es kommt generell ein positives Feedback. Sie lieben die Stadt, das etwas lockerere Leben hier. Das hat aber sicherlich auch damit etwas zu tun, dass man nicht zu Hause ist und den Studentenalltag ein bisschen lockerer sieht. Die Studierenden heben die Freundlichkeit der Leute hervor, das gute Auskommen mit ihren Kommilitonen hier. Der beste Beweis dafür, dass sich die deutschen Studenten hier gut fühlen, ist, dass ich unter den Studierenden in Karlsruhe gar nicht mehr viel Werbung für Temeswar machen muss. Die Studierenden selbst geben diese Botschaft an ihre jüngeren Kommilitonen, die dann zu mir kommen und sagen, dass sie für ein Semester nach Temeswar möchten.

Welche Pläne für weitere ge-meinsame Projekte zwischen den beiden Hochschulen gibt es?

Wir möchten diese Kooperation weiterverbreiten und intensivieren. Die Kooperation hat zwischen den beiden Elektrotechnikfakultäten begonnen. Ich freue mich sehr darüber, dass mittlerweile von Karlsruher Seite auch die Maschinenbaufakultät und die Fakultät für Architektur und Bauwesen daran teilnehmen. Von Temeswarer Seite sind es ebenfalls die Architekten, die teilnehmen, die Maschinenbauer und die Mechatroniker. Insgesamt acht Fakultäten sind an der Kooperation beteiligt und wir überlegen uns, gemeinsame EU-Forschungsprojekte und                            -Förderprogramme zu beantragen, durch die diese Kooperation weiterverbreitet werden kann. Bei den Studentenaustauschen stellt sich ja immer auch die finanzielle Frage, sodass wir da noch zusätzliche Mittel heranziehen möchten. Diese Kooperation soll weiterhin mit derselben Intensität, mit der sie bisher stattgefunden hat, laufen.