Das Phantom einer Reform

Als ob es für die Bürger Rumäniens nur zwei Dinge von Interesse gäbe: Pandemie und Wahlen. So klingen die Abendnachrichten. Die von der PSD (Hand in Hand mit dem ihr hörigen Verfassungsgericht) geschürte Panik bezüglich der Parlamentswahlen in der Pandemie ist eine Zittertaktik, um die Parlamentsmehrheit so lange wie möglich beizubehalten – keine wirkliche Mehrheit, rechnet man die Stimmenzahl nach der Wahlbeteiligung im Jahr 2016 (nur 17 Prozent aller Wahlberechtigten stimmten eigentlich für die PSD – aber Demokratie ist Demokratie...).
Während der präsidial verhätschelten PNL-Regierung die Effizienz und die Kompetenz fehlt (man denke ans Chaos zum Schulbeginn, das der Unterrichtsministerin Monica Anisie den wenig schmeichelhaften Beinamen einer zweiten Vasilica Dăncilă einbrachte), mangelt es ihr auch an Kaltschnäuzigkeit, während die PSD strohhalmgrapschend den Schein einer Reformierung zu erwecken sucht. Beispielsweise durch das Anheuern von prominenten Ärzten und deren Positionierung auf den Wahllisten – Dr. Alexandru Rafila an erster Stelle fürs Abgeordnetenhaus, Dr. Adrian Streinu-Cercel auf Senats-Rang zwei (nach der abgewählten Bukarester Oberbürgermeisterin Gabriela Firea-Pandele) –, oder auch durchs Übergehen altgedienter Walrosse der Partei oder als aggressiv-erzkonservativ bekannter Parteigenossen, deren prekärer Bildungsstand öffentlich häufig für ironisches Mitleid sorgte. Für die letztgenannten beiden Kategorien gilt dies nur dann, wenn sie bei den Kommunalwahlen ohnehin zu den Verlierern gezählt haben.

Während man einen als opportunistisch bekannten Doktor wie Streinu-Cercel, den Direktor des Matei-Balș-Instituts, auf Seiten der PSD erwarten musste (er steht der marktschreierischen Ex-Oberbürgermeisterin von Bukarest sehr nahe und hat in den vergangenen Monaten allerhand bizarre Theorien in Umlauf gesetzt, die – ganz im Sinn der PSD – für Verwirrung gesorgt haben), so fragt man sich, was der ausgeglichene und immer ruhig-beruhigend auftretende Dr. Rafila bei der PSD sucht – außer: Er ist so naiv und weltfremd, ihre Reformierung zu versuchen.

Unwillkürlich muss man bei solchen Doktorenkalibern dran denken, dass sie für eine Partei stehen, die seit drei Jahren das Gesetz über die Pflichtimpfung von Säuglingen und Kindern in den Parlamentsschubladen versteckt hält, anstatt darüber abstimmen zu lassen. Lieber wollte Meister Streinu-Cercel die Senioren Rumäniens in eine Art Urlaubskolonie (Aktion: Die Großen Ferien) sperren, um sie vor Ansteckungen fern- und unter sich zusammenzuhalten (worüber sich selbst der Präses der Akademie aufgeregt hat), während die Wirtschaft des Landes zeitweilig lahmgelegt werden sollte...

Beiden dürfte klar sein, dass sie aller Voraussicht nach im Parlament die Oppositionsbank drücken müssen, also auf keinen Fall an Gestaltungshebeln sitzen werden. Zudem: Laut Verfassung müssen sie auf manche ihrer (nicht uneinträglichen) Ämter (die Verfassung spricht von: Funktionen öffentlicher Autorität) verzichten, wenn sie Parlamentarier sind. Wenn es ihnen darum geht, uns vergessen zu machen, dass sie Mitglieder der Partei eines Dragnea und einer Dăncilă sind, sind sie auf dem Holzweg: Die Partei des Ciolacu ist es doch, die populistische Maßnahmen (und Wahlplakate in diesem Sinn) fordert, die Rumänien finanziell und wirtschaftlich zugrunde richten werden, wenn die PNL dem Druck nicht standhält; dieselbe PSD untergräbt, Hand in Hand mit dem Verfassungsgericht, laufend die Präventionsmaßnahmen der Regierung und des Gesundheitsministeriums und versucht, die Quarantäne- und Kontrollmaßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 infrage zu stellen; dieselbe PSD schürt ganz bewusst Verschwörungstheorien und die Angst vor Demokratieverlust, wenn jemand den Mund-Nasen-Schutz trägt. 

Als ob nicht die PSD die Spezialeinheiten der Gendarmerie auf die Demonstranten des 10. Augusts 2018 gehetzt hätte...