Den Herrgott an der großen Zehe erwischt

Es gibt eine Konstante im politischen Agieren der Regierungspartei PSD. Sie gewann 2012 und 2016 dank eines gut geschmierten Wahlmechanismus die regulär angesetzten Parlamentswahlen. Auch dank exzellenter Kenntnis und des freien Zugehens auf ihre Stammwählerschaft – die ärmsten Bevölkerungsschichten mit prekärer Bildung. Drei Jahre lang nach den Wahlen setzt sie ihre krausen populistischen Maßnahmen in unverhohlener Verhöhnung wirtschaftlicher Vernunft durch und sorgt für die zunehmende Zahnlosigkeit der Justiz, um ihre Clans und Barone vor Gesetzeszugriffen zu bewahren. Dann manövriert sie sich im dritten Regierungsjahr in eine Situation, in der ein Rückzug vom Regierungsamt das einzig politisch Logische scheint. Daraufhin übernimmt die Opposition oder eine „Expertenregierung” (2015) die Zügel, die im anstehenden Wahljahr alle öffentlichen Rügen auf sich fokussiert (für Fehler, die die PSD als Verursacher haben), während sich die PSD im scheinheiligen Blamieren jener Maßnahmen hervortut, die sie selber getroffen und womit sie den Staat an die Wand gefahren hat („Wer? Wir? Nein, das waren natürlich die anderen!”) – und gewinnt die nächsten Parlamentswahlen, um einen neuen Drei-Jahres-Zyklus des souveränen misslichen Regierens zu starten.

An der Schwelle eines solchen taktischen Abgebens der Regierungszügel steht die PSD schon seit Mai, nach ihrem Desaster bei den Europawahlen (Verlust: eine Million Stimmen) und seit dem Wegsperren von „Daddy“ Dragnea, ihrem Diktator. Die Oppositionsparteien, allen voran die (kaum bessere) PNL, waren so naiv, von ihr ein Aufgeben zu fordern. Präsident Johannis ließ sich ebenfalls mitreißen (was irgendwie verständlich ist, da er – viel zu früh – schon im Präsidentschaftswahlkampf stand). Diesmal zeigten sich aber die sogenannten Sozialdemokraten, an der Spitze mit ihrer neuerdings selbstsicher auftretenden Chefin Vasilica Dăncilă, plötzlich von ihrer sturen Seite.

Schwierig ist es allerdings nicht zu verstehen, warum die PSD von ihrer herkömmlichen Taktik abweicht: Noch nie stand sie vor den Wahlen in den Umfragen so katastrophal da wie heute. Parteiintern war diese Monolithpartei noch nie so zerrüttet wie heute. Noch nie hat es so viele Parteiausschlüsse – bis auf die Gemeindeebene – gegeben (das bringt den Wahlmechanismus der Partei ins Schlittern). Und noch nie hat es so viel offenes Misstrauen in die oberste Parteiführung gegeben (in die halbgebildete Partei- und Regierungschefin, in ihren Vertrauten, den Dandy als Finanzminister, dem jede Kompetenz abgesprochen wird). Noch nie gab es so viel Disziplinlosigkeit unter den PSD-Meinungsmachern, in einer sonst straff geführten Partei. Die tun alles, um der Parteichefin klarzumachen, was sie von ihr halten (man spricht offen von „Quadratschädeln an der Spitze, voller fixer Ideen und Verschwörungstheorien“). Das hat nichts mit Machohaltung zu tun, das ist eher ein Ausdruck der realistischen Einschätzung der Fähigkeiten dieser kleinen Provinzlehrerin, die erst zur EU-Parlamentarierin hochgeschubst wurde, um dann, aus einem stummen EU-Nichts, plötzlich Regierungschefin (implizite: willige Handlangerin ihres Parteichefs) und dreiste Parteichefin in Personalunion zu werden – ohne auch nur einen winzigen Bildungsschritt nachgeholt zu haben. Wozu auch?

Zu den Fehlern der PSD im Inland (Absetzung eigener Regierungen, Brutalität bei öffentlichen Protesten) kommt internationale Ächtung der Partei wegen gezielter Untergrabung der Justiz hinzu, Schwächung der Partei durch Clanstrukturen und deren divergente Interessen. Und die Fixierung auf Teleorman. Alles im Kontext eines Generationswechsels in der Wählerschaft.

Parteichefin Vasilica Dăncilă glaubt, sie hat den Herrgott an der großen Zehe erwischt. Jehovas Zehe lässt die „Frau und Mutter“ der Nation freiwillig nicht mehr los. Präsidentin wird sie eh nicht. Na und?!