Denkmal für die „Helden der Securitate“

Gedenktafel am Eingang des Gefängnisses in Pitești
Foto: Wikipedia

„Wer seine Geschichte nicht kennt, wird sie wiederholen“, ist die plakative Aussage, welche Lehrer, Journalisten, Forscher und Politiker in den verschiedensten Situationen immer wieder als Argument für die Rechtfertigung des einen oder anderen Standpunkts bemühen. Andrerseits ist Geschichte nicht immer gleich Geschichte. Geschichte wurde und wird instrumentalisiert, Geschichte wurde und wird umgedeutet und umgeschrieben.

Das Plakative und die Erinnerungskultur

„Erinnerungskultur“ ist als Begriff einerseits schwer zu übersetzen (auf rumänisch benützt man dafür „memoria istoriei“), andrerseits als Konzept nicht einfach zu übertragen und zu implementieren. Als Methode der Aufarbeitung des Holocausts in Deutschland aufgekommen, handelt es sich um eine Methode der Geschichtsaufarbeitung, der Auseinandersetzung mit Diktaturen und der Wiedergutmachung gegenüber ihren Opfern. Wenn es im Falle der Bundesrepublik im Allgemeinen um die nationalsozialistische Diktatur, aber auch um die kommunistische Diktatur in Ostdeutschland geht, wird in den Staaten des gewesenen Ostblocks der Begriff ab den neunziger Jahren für die Aufarbeitung der eigenen kommunistischen Vergangenheit verwendet.
Im europäischen Kontext haben die deutschen Standards im Bereich der Geschichtsaufarbeitung  den Wert eines  Regelwerks gewonnen. Erinnerungskultur hat nicht nur mit „niemals Vergessen“, sondern auch mit dem Eingestehen von begangenen Fehlern, Missetaten und der Anerkennung von Opfern und Tätern aus geschichtlicher Perspektive  zu tun.
In Europa sind diesbezüglich mehrere Tendenzen bemerkbar. Einerseits das schon erwähnte deutsche Modell, welches sich uneingeschränkt, möglichst objektiv und rücksichtslos der eigenen Vergangenheit zu stellen vornimmt. Andrerseits haben wir (wie z.B. im Falle von Spanien in den achtziger und neunziger Jahren) eher mit einem Modell der Art „vergessen und verzeihen“ zu tun. In den gewesenen Ostblockstaaten hat man sich hauptsächlich für eine kritische Herangehensweise entschieden, wobei diese verschieden eingesetzt und verstanden oder mit unterschiedlicher Intensität nachverfolgt wurde. Im Bereich der Aufarbeitung der eigenen Geschichte sehen sich diese Staaten mit einem weiteren Dilemma konfrontiert: Der kommunistischen Diktatur ging gewöhnlich eine rechtsextreme Diktatur voran (Ungarn, Slowakei, Rumänien usw.), die während der kommunistischen Epoche nicht nur nicht aufgearbeitet, sondern verschwiegen und verneint wurde.

Rumänien und die Geschichtsaufarbeitung

Im (ost)europäischen Kontext steht Rumänien nicht schlecht da. Vor allem nach dem Jahr 2000 wurden dank einer jungen Forschergeneration entscheidende und wichtige Schritte in der Aufarbeitung beider Diktaturen (rechtsradikal  und kommunistisch) getan. Das Spektrum reicht von Fachtagungen über Publikationen, Ausstellungen, Kinder- und Jugendprojekte bis hin zu Erinnerungsstätten sowie Dokumentar- und Spielfilmen.

Trotzdem muss aber bemerkt werden, dass viele dieser Initiativen, leider, keine Tiefenwirkung in der rumänischen Gesellschaft mit sich gebracht haben. Für einen großen Teil der rumänischen Bevölkerung gilt die während des Kommunismus gelernte Geschichte als historische Wahrheit. Die idealisierte, propagandistisch überarbeitete Geschichtsdarstellung, welche in den letzten Jahren von vielen TV-Sendern durch die wiederholte Ausstrahlung von während des Kommunismus produzierten Filmen mittransportiert wird, trägt dazu ebenfalls bei. So kann immer wieder festgestellt werden, dass auf den verschiedensten Ebenen, vom Otto-Normalverbraucher bis hin zum Politiker, Ion Antonescu als Held betrachtet wird, und dass der Holocaust in Rumänien nicht nur eine Unbekannte ist, sondern teils sogar verneint wird. Dass, obwohl gesetzlich verboten, die „Legion des Erzengels Michael“ nach 1989 wiederbelebt wurde und dass viele ihrer Anhänger beruflich eine schwarze Kutte tragen, ist bekannt. Im kleineren, genauso illegalen Format, gibt es mehrere Wiederbelebungsversuche der rumänischen kommunistischen Partei. Zeitgleich macht sich eine Idealisierung der kommunistischen Diktatur bemerkbar, die von „es war doch nicht so schlecht damals“ bis zum Verkauf von Tassen mit dem Abbild Nicolae Ceaușescus vor den Toren der Törzburg reicht.

Zwar versuchen Gedenkstätten wie das Memorial in Sighetul-Marmației, das Holocaust-Memorial in Bukarest, die geplante Gedenkstätte in Râmnicu-Sărat oder verschiedene kleinere Privatinitiativen im ganzen Land, das Bild in den rechten Rahmen zu rücken, doch muss die Breitenwirkung noch abgewartet werden.

Die „Helden“ haben nun ein Denkmal

Wenn man nun in diesem Kontext von Pite{ti spricht, kommt das brutalste Umerziehungsprojekt des rumänischen kommunistischen Unterdrückungsapparats in den Sinn: Denn im Gefängnis von Pite{ti wurde zwischen 1949 und 1952 diese als „Experimentul Pitești“ bekannte Maßnahme durchgeführt. Im Rahmen dieses Vorhabens sollten die politischen Gefangenen mittels brutalster Foltermethoden „umerzogen“ werden, wobei zur Durchführung hauptsächlich andere Gefängnisinsassen eingesetzt wurden. Den brutalen physischen und psychischen Foltern sollen über 1000 politische Gefangene zum Opfer gefallen sein. In dem Dokumentarfilm „Demascarea“ (Die Aufdeckung, 2010) berichtet einer der Überlebenden, dass sie sogar gezwungen wurden, mit Urin und Fäkalien das Abendmahl zu „feiern“. In der gleichen Stadt wurde am Mittwoch, dem 14. September 2022, am Heldenfriedhof ein Denkmal für die unbekannten „Helden“ der „unsichtbaren Front“, die „Information als Waffe zum Schutz und zur Bekämpfung der Gefahren für die rumänische Nation einsetzten“ eingeweiht, berichtet reporter24.info am 15. September 2022.

Durch dieses Denkmal werden nicht nur die Opfer der kommunistischen Diktatur missachtet, sondern die „Securitate“, der verlängerte und bewaffnete Arm der kommunistischen Partei, wird in den Heldenstatus erhoben. Angefangen mit Alexandru Vișinescu (Leiter des Gefängnisses in Râmnicu-Sărat), über Ion Ficior (Leiter der Arbeitskolonie in Periprava) bis hin zum letzten Securitate-Spitzel sollen alle nun „Helden“ des Volkes sein, da sie „viele Jahre, Tage und Nächte, ein unglaubliches Kapital an Mühe zur Weiterführung dieser Institutionen eingesetzt haben“, wird der Urheber des Vorhabens Oberst Dumitru Șovar (gewesener Securitate-Offizier und Leiter der SRI Argeș a.D.) auf dem genannten Internetportal zitiert. Nicht nur, dass das Denkmal alle notwendigen Bewilligungen seitens des rumänischen Staates erhalten hat, bei der Einweihung wurde auch ein Gottesdienst gefeiert, da das Projekt den Segen des orthodoxen Erzbischofs von Arge{ und Muscel ÎPS Calinic erhalten hat.

Dazu schreibt der Historiker Vladimir Tism˛neanu auf seiner Facebook Seite am 16. September 2022:  „Das Gebot der ethischen Ruhelosigkeit: Sind wir moralisch betäubt? Leiden wir an geschichtlicher Amnesie? Langweilt uns das Thema? Ist unser Nerv der ethischen Auflehnung erlahmt? Wie kann dieses Desertieren aus der Pflicht der Empörung erklärt werden?“ Das Institut zur Erforschung der Verbrechen des Kommunismus und dem Gedenken an das rumänische Exil (Institutul de Investigare a Crimelor Comunismului și Memoria Exilului Românesc) reagiert prompt und verlangt mittels einer Pressemitteilung vom 16. September 2022 die Beseitigung des Denkmals und die Distanzierung aller staatlichen Institutionen hinsichtlich dieses „totalitär wirkenden Ereignisses“.

In diesem Kontext scheint die Initiative zur Einführung des Faches „Geschichte des rumänischen Kommunismus“ im Lehrplan mehr als notwendig. Die wenigen Seiten, die zurzeit in den rumänischen Lehrbüchern der kommunistischen Diktatur und deren Opfern gewidmet sind, reichen bei Weitem nicht aus, um den jungen Generationen ein wirklichkeitsgetreues Bild zu vermitteln.