Der General und das Papier

Randbemerkungen

Große Probleme beschäftigen die Welt: die brutale Aggression Russlands gegen die Ukraine; der heldenhafte Abwehrkampf des kleinen Bruders gegen den slawischen (vermeintlichen) Übervater; das Wiederaufflammen des Kalten Krieges Russland versus „freie Welt“ (verdammt reelle Kriege, deren Ende trotz inständiger und intelligent vorgebrachter Fürbitten des Heiligen Vaters unabsehbar ist); das Embargo der Brüskierten gegen Russland und dessen globaler Bumerang-Effekt; die sich aufstauenden Voraussetzungen einer globalen Wirtschafts- und Finanzkrise usw.

Dazu in Rumänien die wirtschaftliche, soziale und politische Instabilität bei rasant steigender Inflation, außer Kontrolle geratendem Haushaltsdefizit, einem dauerverdatterten Premierminister, der durch höchsten Willen auch noch zum Parteichef gemacht wurde; einem Ungarnverband, der durch den Orbán-„Wahlsieg“ noch forscher auftritt und einer PSD, die ihre Regierungsverantwortung nutzt, um das Land durch Populismus als Parteiraison auszulaugen. Keiner weiß, wie wir hierzulande wirklich mit der Corona-Pandemie stehen, aber der Gesundheitsminister (mit rassistisch-xenophober Schützenhilfe der wiederauferstehenden Rechtsextremen von AUR) sägt verbissen am Stuhl des Einzigen, der bisher zielbewusst und konsequent etwas dagegen unternommen hat: der naturalisierte Palästinenser Dr. Raed Arafat. Die sich hochwindenden Energiepreise und die Vernachlässigung der Umwelt…

Über alldem vergisst man allzu leicht die Plagiats-Affäre des sich beim Vom-Blatt-Herunterlesen plagenden Premierministers und Vier-Sterne-Generals a.D., Nicolae Ionel Ciuc˛, der durch einen geschickten – allerdings den Plagiatsvorwurf bekräftigenden – Schachzug, mittels einer Justizverfügung, die Überprüfung seiner dünnen, 138-seitigen Doktorarbeit durch die vom Unterrichtsministerium dazu befugte CNADTCU verhindert hat und durchzusetzen versucht, dass die Doktoratskommission der Nationalen Universität für Verteidigung „Carol I“ die Nach-Untersuchung des Oevres durchführt. Was an sich zwei Probleme aufwirft: a) (wieder einmal) wie probat und wie unabhängig ist die rumänische Justiz (oder die Richter, die so etwas zugunsten des Premierministers verfügt haben)? und b) wie unabhängig, objektiv und glaubwürdig kann eine Universität sein, die den Ruf hat, eine Doktorenfabrik zu beherbergen – wenn sie sich selber überprüft?

Der Fall erschüttert aber auch das Vertrauen in die Polizei, die im Verdacht steht, gegen die Plagiatsenthüllerin, die Investigativjournalistin Emilia [ercan Kompomittierendes der Öffentlichkeit preisgegeben zu haben – egal, ob auf Anregung oder nur zum Nutzen und Schutz des Premierministers, jedenfalls zum Zweck der Erschütterung der Probität der Journalistin. Die ist wohl von allen „Doktoren“ der rumänischen Militär- und Politikerkaste am meisten gefürchtet, weil sie seit Jahren gnadenlos – und ziemlich zu 100 Prozent zutreffend – Plagiate der Möchtegerndoktoren aus den exponiertesten Staats- und Politikkreisen enthüllt.

Sicher: Wenn die Glaubwürdigkeit und die Ehrlichkeit eines Vier-Sterne-Generals erschüttert wird, wird wohl auch die Südostflanke der Nato etwas erschüttert, und die „Organe“ des Staates tun ihr patriotisch Möglichstes, um dem entgegenzuwirken – sollte man meinen (aber bitte nicht meinen, das alles geschehe bloß aus Schleimerei Vorgesetzten gegenüber…).

Rumänien würde es guttun, wenn die (moralische und wissenschaftliche) Integrität des Regierungschefs Gegenstand einer ergebnisoffenen öffentlichen Diskussion wäre, der sich der in Verdacht Geratene offensiv stellt – eben: wie ein Vier-Sterne-General. Wir, „das Volk“, sähen es gerne, wenn der Hochgespülte und Fremdgewollte beweisen würde, dass er – gerade in gefahrenträchtigen Zeiten – unser Vertrauen verdient.

Aber hat dieser General, der beschriebenes Papier fürchtet, Mumm?