Der Schwanz des dakischen Kriegswolfs

Mit dem „Fall Săcărin“ und dem illegalen Eingreifen des provisorischen Generalstaatsanwalts von PSD-Gnaden Bogdan Licu (er verbot die Ausreise in die USA des legal von einer Rumänenfamilie adoptierten Zigeunermädchens Sorina) hat die Regierungspartei eine neue Phase der Attacken auf die Justiz eingeleitet. Zufall oder nicht, durch das zeitgleiche Stattgeben der Klage des Chefs des Rechtsausschusses des Abgeordnetenhauses, Ex-Justizminister Florin Iordache („Nächste Frage!“), der die Drei-Richter-Gremien des Obersten Gerichts für illegal erklärte, hat das Verfassungsgericht die Schleusen für Revisionsverfahren geöffnet, die eventuell sogar Ex-Parteichef Liviu Dragnea die Hintertür zur Freiheit öffnen.
Für den Politologen Cristian Pârvulescu, ein probater politischer Beobachter dieses Landes, sind der „Fall S˛c˛rin” und die Reaktion des Verfassungsgerichts Beweise für die Hypothese, dass auch die größte Partei Rumäniens in die „Phase 4” der Parteienentwicklung überging, die der „Kartellpartei” (nach der Theorie von Richard S. Katz und Peter Mair). Wenn nämlich etablierte Parteien ihre gesellschaftliche Verankerung verlieren (wie die PSD zu „Parteien der Barone“ werden), reagieren sie mit stärkerer Nähe zum Staat, um sich die Ressourcen (bis zur Parteienfinanzierung) zu erhalten. Ihr strategisches Verhalten (Verzicht auf Ideologie) entwickelt sich zugunsten von Parteienkooperationen über Ideo-logiegrenzen hinweg: Rot und Schwarz und Grün verfließen ineinander. Das Eigeninteresse wird dominant und gegenüber neuen Parteien verteidigt, auch nach Möglichkeit ausgebaut (siehe die Haltung von PSD, ALDE und PNL zu USR und PLUS). Aufgrund „freundschaftlicher Ressourcenverteilung” und Verwebung mit dem Staat kann von „Parteienkartellen” gesprochen werden.
So weit die kurzgefasste Theorie und ihre Anwendbarkeit auf Rumänien.
Der Kontext der Instrumentalisierung des „Falls S˛c˛rin“ / „Irina“ zeigt, wie weit die PSD bereits auf dem Weg der Illiberalität ist. Denn sowohl der Justizskandal um diese Adoption mit dem gesetzesbrechenden Interim-Generalstaatsanwalt, als auch die Iordache-Volte zur Wegfreischaufelung für die verbrecherischen Parteigranden passierten in einem dritten Kontext: ein Zeitungsbeitrag Putins in der „Financial Times“. Der russische Zar behauptet, die liberalen Werte wären heute „obsolet”, die „traditionellen Werte“ wären „viel stabiler und wichtiger für Millionen Menschen als dieses liberale Denken, das, meiner Meinung nach, verschwinden wird“. So viel Blauäugigkeit kann nur der Ex-KBG-Offizier Putin erwarten.
Doch der Beifall, den auf dem PSD-Parteitag der erzkonservative Liviu Ple{oianu erntete mit seiner Laudatio auf den eingesperrten Dragnea und die „Werte“, die dieser vertrat, zeigte, wo das Herz der treuesten PSD-Mitglieder schlägt: für Russland, gegen den Westen (der alte Philosophendisput über das Antagonismenpaar DA-NU und seine linguistischen und Glaubenswurzeln hat seine Schlüsse wieder mal bestätigt: Es ist ein Riesenzwiespalt, ein romanisches Volk zu sein, mit einer zutiefst orientalisch-östlichen Glaubensverwurzelung). Nicht umsonst ist die PSD laut Aussagen ihrer neuen Parteichefin Vasilica D˛ncil˛ „Verteidigerin der Rechte der vielen“, nicht der „Menschenrechte“ und auch nicht der „Freiheiten und Rechte der Bürger“ (zu erwägen auch das jüngste Gesetz zur Erweiterung der Eingreifrechte der Polizei und Gendarmen).
Vom „Fall S˛c˛rin“ wurde eine politische Tür zum neuerlichen Angriff auf den Rechtsstaat geöffnet (plötzlich sollen endgültige Urteile schon wieder nicht end-gültig sein), daraus entstand eine politische Kampagne nach der Logik der Fake News: Eine Nachricht wird „frisiert“ und zum Argument für die politische Kampagne, wie in einer Zeichnung Dan Perjovschis: der Dakische Kriegswolf beißt sich in den Schwanz und schreit Aua!