Der unbekannte Mundartdichter

Keiner der Bogaroscher Schwaben kann sich an Johann Szimits erinnern

Die Banater Heide wurde vom Mundartdichter Johann Szimits in vielen Gedichten besungen.
Foto: Zoltán Pázmány

Vor 160 Jahren kam im Banater Dorf Bogarosch/Bulgăruş ein Mundartdichter zur Welt. Es war Johann Szimits, der als Begründer der banatschwäbischen Mundartdichtung in die Geschichte einging. Das zentrale Thema seiner Dichtung war das Leben auf dem Land mit allem, was dazu gehört. Mit viel Humor setzte Szimits den Banater Schwaben, ihren Sitten und Bräuchen ein literarisches Denkmal. Obwohl der Dichter zumindest in den Reihen der Banater Schwaben bekannt sein müsste, können die heute in Bogarosch lebenden Deutschen mit dem Namen „Johann Szimits“ nichts anfangen.

Eine kleine Gänseschar marschiert über die asphaltierte Dorfstraße, drei Pferde grasen auf der Wiese, die Sonne zeichnet lange Schatten auf der Banater Heide. Wir sind in Bogarosch/Bulgăruş, einem zur Gemeinde Lenauheim gehörenden Dorf, rund 40 Kilometer von Temeswar/Timişoara entfernt. An der Dorfarchitektur ist es ersichtlich: Das ehemalige deutsche Dorf hat sein banatschwäbisches Aussehen nicht verloren, auch wenn die römisch-katholische Kirche seit Jahren dem Verfall ausgeliefert ist.

Die Deutschen, die heute noch in dem 2000-Einwohner-Dorf leben, kann man fast an den Fingern einer einzigen Hand aufzählen. Alle sind Rentner und zum Zeitpunkt unseres Besuchs gewiss zu Hause, deswegen trauen wir uns auch, den Leuten an die Tür zu klopfen. Mit einem ganz konkreten Hintergedanken: Wir wollen nämlich erfahren, ob sie von Johann Szimits gehört haben, dem Begründer der banatschwäbischen Mundartdichtung, am 5. Juli 1852 in Bogarosch geboren. Mit dabei ist Mundartspezialistin Helen Alba, die schon seit vielen Jahren die Pipatsch-Seite der „Banater Zeitung“ in banatschwäbischer Mundrat gestaltet und aus Bogarosch gebürtig ist.

„Ich habe von diesem Mann noch nie gehört. Auch in der Schule nicht“, sagt Georg Maglowski. Der alleinlebende Mann freut sich über unseren Besuch. Ganz offen gibt der 81-Jährige zu, noch nie von dem scheinbar berühmten Schwabendichter gehört zu haben. Maglowski hat zwar einen slowakischen Namen, er gehört aber – laut eigenen Angaben – zur deutschen Gemeinschaft. Wie viele Deutsche noch in Bogarosch leben, das verrät er auf Anhieb: „Es sind vielleicht noch drei-vier Familien, mehr nicht. Vor Jahren haben da nur Deutsche gelebt.“ Der Hauch von Traurigkeit in seiner Stimme ist nicht zu überhören.

Nur Deutsche haben früher in Bogarosch gelebt, erinnert sich Georg Maglowski. Ob die letzten Deutschen aus Bogarosch wissen, wer Johann Szimits gewesen ist? Wir versuchen es bei dem nächsten.

Nikolaus Meiniger, „neamţu“, wie ihn seine Mitbürger nennen, treffen wir in der Dorfkneipe. Auch er ist unschlüssig, ob er von dem Mundartautor gehört hat oder doch nicht. „Gehört hat man viel“, antwortet Meiniger auf unsere Frage. Auch er hört den Namen von Johann Szimits zum ersten Mal von uns. „Sie wissen, im Kommunismus konnten wir nicht so richtig...“, sagt der Mann und seine Stimme stockt. Der Kommunismus hat tatsächlich manche literarische Karrieren zerstört, das ist uns schon bewusst. Soll auch Johann Szimits ein Opfer gewesen sein? Wir wissen es nicht. Wir müssen aber eiligst weiterfahren, denn da, wo man früher deutsche Volksmusik gehört hat, ertönen heute nur rumänische „Manele“. Wie am Dorf eben.

Im Haus mit der Nummer 523 soll Mundartautor Szimits als Sohn eines zugewanderten Serben vor genau 160 Jahren zur Welt gekommen sein. Seit 20 Jahren lebt in dem Schwabenhaus die Familie Ardelean. Gheorghe und Maria Ardelean haben das ehemalige Schwabenhaus von dem Bogaroscher Martin Jung erworben, der – wie ein Großteil der Rumäniendeutschen – nach Deutschland auswanderte. Hausbesitzerin Maria Ardelean muss zunächst über das berühmte Haus aufgeklärt werden. „Mama mia“, staunt die 60-jährige Frau, als sie hört, dass sie in einem derart besonderen Haus lebt. Der Name „Johann“ ist ihr schon irgendwie bekannt, aber von einem Johann Szimits hat sie bisher noch nie gehört. Unsere letzte Hoffnung bleiben Klara Baba und Theresia Zirak. Das, was man sucht, findet man immer an dem Platz, wo man zuletzt nachschaut. Wir hoffen, dass Murphys Gesetz auch in Bogarosch gilt.

Doch auch die 80-jährige Klara Baba, die in der Werschitzer Gasse wohnt, kann sich an den Mundartdichter Johann Szimits nicht erinnern. Mundartautorin Helen Alba versucht es mit einem Gedicht, doch auch hier ist alle Mühe umsonst. Unsere allerletzte Hoffnung bleibt Theresia Zirak, die in der Nähe des Bahnhofs lebt. Doch auch hier kommt eine Fehlmeldung.

Uns bleibt keine Hoffnung mehr: Der Begründer der banatschwäbischen Mundartdichtung, Johann Szimits, ist ein Unbekannter für die aktuell in Bogarosch lebenden Deutschen. Ob die ausgewanderten Deutschen von ihm gehört haben, können wir nicht recherchieren. Sogar auf der Internetseite der HOG Bogarosch ist sein Geburtsdatum in der Dorfgeschichte nicht vermerkt.

Enttäuscht verlassen wir das ehemals deutsche Dörflein. Die Pferde haben einen schattigen Ort zum Ausruhen gefunden und die Gänse planschen in einer Pfütze. Die Sonne zeichnet kurze Schatten auf der Banater Heide. Das Landleben, das im Mittelpunkt von Szimits´ literarischem Schaffen gestanden ist, nimmt seinen normalen Lauf. Nur eins würden wir uns in diesem Moment hoffnungslos wünschen: Wenn nur die alten Schwabenhäuser sprechen könnten.