Deutsches Abitur am Bukarester Goethe-Kolleg

Ein Interview mit Elmar Wulff, Leiter der Spezialabteilung

Schülerinnen und Schüler des diesjährigen Abschlussjahrgangs
Fotos: Şerban Căpăţână

Elmar Wulff während der Diplompverleihung

Die Tradition der überdurchschnittlichen Leistungen geht auch dieses Jahr in der Deutschen Spezialabteilung des Bukarester Goethe Kollegs weiter, mit einer Durchschnittsnote, die über einen Punkt höher liegt als in Deutschland. Seit 25 Jahren werden die Schüler der Spezialabteilung auch nach dem deutschen Lehrplan unterrichtet und erwerben im Anschluss neben dem rumänischen Bakkalaureat auch die deutsche Hochschulreife. Ab dem nächsten Schuljahr soll neben dem Mathe-Informatik-Zweig auch ein sozialwissenschaftlicher Zweig angeboten werden. Nach der diesjährigen Diplomaushändigung, die kurz vor den Bakkalaureats-Prüfungen im feierlichen Rahmen in Anwesenheit von Vertretern der Deutschen Botschaft Bukarest und des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien stattgefunden hat, lässt Herr Elmar Wulff das hiesige Jahr ausklingen und kündigt die Pläne für die nächsten Jahrgänge an.

Herr Wulff, können Sie uns einige Details über den Abiturschnitt dieses Jahres geben?

In diesem Jahr sind erstmals wieder zwei Klassen zum Abitur angetreten, die 12B und 12C. In der 12B haben insgesamt 23, in der 12C 21 Schülerinnen und Schüler das Abitur bestanden. Beide Klassen besuchen den Zweig Mathematik-Informatik.

Unter den 44 Abiturienten hatten 9 den bestmöglichen Schnitt (1,0), eine eine 1,1 und drei eine 1,2. Der schlechteste Schnitt war eine 2,6. Insgesamt lag der Schnitt bei etwa 1,42 – in Deutschland ist ein Durchschnitt von 2,5 üblich.

Welche Vorteile bietet das deutsche Abiturzeugnis den Schülern der Spezialabteilung?

Der Vorteil der Absolventen der Spezialabteilung besteht darin, dass sie zugleich das rumänische Bakkalaureat und das Zeugnis der deutschen Hochschulreife erwerben. Damit sind sie deutschen Schülern absolut gleichgestellt und haben Zugang zu allen deutschen Universitäten. Während ihrer Zeit in der Spezialabteilung lernen sie natürlich die deutsche Lernkultur kennen, und – sofern keine Pandemie dies verhindert –  knüpft die Schule Verbindungen privater wie universitärer Art zwischen den rumänischen Schülern und Deutschland. 

Während Englisch natürlich die gängige Verkehrssprache ist, die so gut wie jeder in gewisser Weise beherrscht, ist die Kenntnis der deutschen Sprache eine außergewöhnliche Fähigkeit, die auch im Berufsleben Möglichkeiten eröffnet, die sonst schwieriger zu erreichen wären.

Worauf müssen sich die Schüler vorbereiten, wenn sie sich für die Spezialabteilung entscheiden? Welches sind die größten Herausforderungen?

Die Schülerinnen und Schüler der Spezialabteilung haben im Vergleich zu denen der rumänischen Abteilung anspruchsvollere Abiturprüfungen, da die Fächer Deutsch, Mathematik und Geschichte nach  Lehrplänen unterrichtet werden, die die deutsche Kultusministerkonferenz für Schulen im Ausland verabschiedet hat, sie werden also vollständig in deutscher Sprache unterrichtet und geprüft. Dabei unterscheiden sich die deutschen Prüfungsformate von den rumänischen. Die Absolventen werden darauf aber natürlich ab der neunten Klasse gezielt vorbereitet. Sie haben in der Regel auch eine höhere Wochenstundenzahl durch den vertieften Unterricht in diesen drei Fächern. Unsere Spezialabteilung hat aufgrund dieser Lehrpläne gemeinsam mit den anderen Spezialabteilungen in Schulen der Region (Sofia/Bulgarien, Tallinn/Estland, Liberec/Tschechien, Poprad/Slowakei und natürlich Temeswar) schuleigene Curricula erarbeitet, die diese Lehrpläne umsetzen. 

Zusätzlich profitieren die Schüler auch sehr stark von den Kenntnissen, die sie bereits bis zur achten Klasse durch die rumänischen Lehrerinnen und Lehrer erworben haben. Insbesondere zeichnen sich die Schüler meist durch hohe Leistungsbereitschaft aus, sodass sie die hohen Anforderungen gut meistern.

Mit welchen Problemen sind die deutschen Lehrkräfte der Spezialabteilung in Rumänien konfrontiert? 

Schwierigkeiten für neu hier anfangende Lehrer ergeben sich im ersten Jahr meist durch die Umstellung vom deutschen auf das rumänische Notensystem, die sind sehr unterschiedlich. Da wir auch die Aufgabe haben, deutsche Bewertungssysteme zu vermitteln, haben wir in der Abteilung ein Mischsystem entwickelt, das formal den rumänischen Vorgaben entspricht, inhaltlich aber eher den deutschen Gepflogenheiten folgt. Von den fünf Lehrkräften des vergangenen Schuljahres haben drei erst zu Beginn des Schuljahres angefangen, und natürlich erschwerte die Pandemie die Eingewöhnung und das Kennenlernen auch der rumänischen Kolleginnen und Kollegen. Wir hoffen, dass diese Kontakte im kommenden Schuljahr intensiviert werden. Wir sind sehr froh, dass es der Schule gelungen ist, sich so gut auf den Distanzunterricht vorzubereiten, indem jede Schülerin und jeder Schüler ein Tablet erhalten hat und auch eine digitale Lernplattform zur Verfügung gestellt wurde. Das hat es uns recht leicht gemacht, auch unter diesen Bedingungen zu unterrichten.

Wünschen sich deutsche Lehrer, nach Rumänien zu kommen, oder haben Sie Probleme, Lehrkräfte zu erwerben? 

Es ist sehr bedauerlich, dass über Rumänien in Deutschland nur wenig bekannt ist. Daher ist es nicht immer so leicht, Lehrer aus Deutschland für die Arbeit hier zu begeistern. Aber diejenigen, die hier sind, sind von Land und Leuten begeistert und machen entsprechend Werbung.

Wie sehen die nächsten Jahrgänge der Spezialabteilung aus?

Die Spezialabteilung bleibt zweizügig (d.h. es bleiben zwei Klassen, Anm. d. Red.). Ab dem kommenden Schuljahr bieten wir dann zwei Zweige nebeneinander an: Mathematik-Informatik und Sozialwissenschaften. Wir beginnen damit in der 9. Klasse (die Spezialabteilung umfasst ja die 9. bis 12. Klassen). 

In der Regel ist die Nachfrage sehr groß, die Ergebnisse der nationalen Bewertung entscheiden über die Zulassung in die Spezialabteilung. Immer wieder müssen wir auch sehr gute Schülerinnen und Schüler ablehnen, weil die Klassen leider mehr als voll sind.

In diesem Jahr haben zwei Mathematiklehrer und drei Lehrer (genauer: eine Lehrerin und zwei Lehrer) für Deutsch und Geschichte die Abteilung unterrichtet. Ab September werden wir dann noch einen weiteren Lehrer für Deutsch und Geschichte hier haben und dann also zu sechst sein.

Herr Wulff, wir danken für das Gespräch!

Die Fragen stellte Şerban Căpăţână