Deutschunterricht, Ökumene und kultureller Austausch zugleich

Deutsch lernen am Evangelischen Theologischen Institut in Hermannstadt

Susanne Werner, Leiterin des Stipendienreferats bei „Brot für die Welt“ Berlin, freut sich über die sehr gute Zusammenarbeit mit den am Sprachkurs beteiligten Hermannstädter Institutionen.

Geschenkübergabe zwischen Vertretern der Partnerinstitutionen. Susanne Werner (l.) überreichte Prof. Dr. Stefan Tobler (2.v.l.) eine Grußkarte von „Brot für die Welt“.

Wengel Tesema erzählt über ihre Erfahrungen als Sprachkursantin in Hermannstadt. Fotos: die Verfasserin

Das 20-jährige Jubiläum des Deutschsprachkurses am Evangelischen Theologischen Institut in Hermannstadt wurde am 9. September mit einem Festakt im Spiegelsaal des Forumshauses in Hermannstadt/Sibiu gewürdigt. Mehrere Ansprachen fassten die bisherige großartige Erfolgsgeschichte des Sprachkurses zusammen. Elisa Gunesch bereicherte den feierlichen Nachmittag mit Gesang, am Klavier begleitet von Jürg Leutert.

Stipendiatinnen und Stipendiaten von „Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst“ in Berlin erlernen vor ihrem Deutschlandaufenthalt die deutsche Sprache in Hermannstadt. Sie besuchen Intensivkurse und erreichen in wenigen Monaten ein sehr gutes sprachliches Niveau, das ihnen ein akademisches Studium in Deutschland ermöglicht. Das Programm fördert nicht nur das Erlernen der deutschen Sprache, sondern auch die Ökumene und Interkulturalität. Viele der Stipendiatinnen und Stipendiaten stammen aus Rumänien und haben meistens orthodoxe Theologie studiert oder sind orthodoxen Hintergrunds. Einige der Stipendiatinnen und Stipendiaten kommen aber auch aus anderen Ländern Osteuropas oder aus südlichen Ländern. Die meisten bestehen die zum Studium in Deutschland erforderliche sprachliche Prüfung auf Anhieb, was von der sehr hohen Qualität des Unterrichts in den Sprachkursen zeugt. Zum 20-jährigen Jubiläum reisten viele Alumni an. So war die Zusammenkunft nicht nur eine Feier des langjährigen Bestehens des Sprachkurses, sondern auch ein Alumni-Treffen. Es war erstaunlich und beeindruckend, von einigen Alumni in nahezu fehlerfreiem Deutsch zu erfahren, dass ihnen noch vor ein oder zwei Jahren diese Sprache völlig fremd war.

Die Feier eröffnete Professor Dr. Stefan Tobler, Leiter des Ökumenischen Instituts in Hermannstadt, an dem das Programm angesiedelt ist. Der Sprachkurs, betonte Prof. Tobler, zeuge von der Berufung zur Ökumene, sei immer ein Fenster zur Welt, ein starkes Zeichen der Verbundenheit mit der Evangelischen Kirche in Deutschland und vor allem Quelle unvergesslicher Erlebnisse und Begegnungen. Der siebenbürgische orthodoxe Metropolit Dr. Laurențiu Streza, würdigte die herausragende Bedeutung des Hermannstädter Sprachkurses und der kirchlich-theologischen Stipendienprogramme für die Entwicklung der lokalen Ökumene. Der Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, Reinhart Guib, sprach in seinem Grußwort davon, dass sich der Sprachkurs zu einer unverzichtbaren Säule für das Departement für Evangelische Theologie in Hermannstadt entwickelt hat.
Die Deutsche Konsulin Judith Urban sprach den Dank an die Institutionen, die das Erlernen der deutschen Sprache in Hermannstadt ermöglichen, aus. Susanne Werner, Leiterin des Referats Stipendien bei „Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst“ Berlin, hob den gelungenen institutionellen Wechsel im Laufe der zwanzig Jahre hervor, der „das starke Band und das unerschütterliche gegenseitige Vertrauen auf beiden Seiten“ verdeutliche: Das den Kurs beherbergende Protestantisch-Theologische Institut in Hermannstadt wurde Teil der Lucian-Blaga-Universität. Auf Seiten des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche Deutschland in Stuttgart gab es eine Fusion und den Umzug zu „Brot für die Welt“ nach Berlin, wo auch die Stipendienarbeit des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes angesiedelt ist.

Das Sprachkursprojekt war, wie Susanne Werner betonte, von vornherein als Langzeitprojekt mit mehreren beteiligten Institutionen angelegt: „Mit Mitteln aus ‘Kirchen helfen Kirchen’ war es uns nicht nur ein Anliegen, den Deutschsprachkurs in Hermannstadt zu etablieren, sondern auch langfristig zu konsolidieren. Dennoch – und das sollte an dieser Stelle auch ausdrücklich gewürdigt werden – wäre die Gründung des Sprachkurses im Jahr 1995 nicht ohne den Zusammenschluss folgender Institutionen möglich gewesen: dem Diakonischen Werk Stuttgart, der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, dem Evangelischen Theologischen Institut, der Fakultät für Orthodoxe Theologie in Hermannstadt und dem Goethe-Institut in Bukarest, das von Anfang an die Prüfung abnahm.“ Am wichtigsten jedoch bleiben die Sprachkursantinnen und -kursanten und der große Erfolg des Unterrichts: „Inzwischen haben rund 300 Menschen den Kurs besucht und erfolgreich abgeschlossen. Der Wintersprachkurs endet im Frühjahr mit einer Sprachprüfung auf B1 Niveau und einem Goethe-Zertifikat, das vom Goethe-Institut in Bukarest verliehen wird. Kurz vor Abschluss des Wintersprachkurses führen wir mit denjenigen, die sich bei uns um ein Stipendium bewerben, Gespräche in deutscher Sprache. Die Qualität und das hohe Niveau des Sprachkurses zeigen sich unter anderem daran, dass es gelingt, diese Interviews nach nur wenigen Monaten intensiven Studiums in deutscher Sprache zu führen. Dies schließt auch Informationen über das zukünftige Studienvorhaben ein. Eine großartige Leistung!“
In ihrem Festbeitrag bezeugte Wengel Tesema aus Äthiopien, eine ehemalige „Brot für die Welt“-Stipendiatin, die hervorragenden Leistungen des Fremdsprachenunterrichts. Sie besuchte den Kurs 2013 und war zu jener Zeit zum ersten Mal nicht nur in Europa, sondern überhaupt im Ausland. „Es war eine der besten Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe, hierher zu kommen – trotz der Ratschläge von einigen Freunden und Verwandten, in Äthiopien zu bleiben. Das hat sehr viel Mut gebraucht. Schwierig war auch zu entscheiden, in ein Land zu kommen, über das ich so wenig wusste. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, was auf mich warten könnte. Ich kannte niemanden, den ich hätte fragen können, wie es denn in Rumänien sei. Ich wusste, dass die Landessprache Rumänisch ist. Heute noch sind Leute überrascht, wenn sie mich fragen ‚Wo haben Sie denn Deutsch gelernt?‘ – ‚In Rumänien‘.“ Ganz besonders hob Wengel Tesema die Gastfreundschaft, mit der sie in Hermannstadt aufgenommen wurde, hervor: „Als ich hierher gekommen bin, war ich positiv überrascht über die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft meiner Klassenkameraden und Mitbewohner, aber auch der Mitarbeiter an der Fakultät. Ich war nicht nur einmal, sondern immer wieder überrascht, dass ich mich zurechtfinden konnte. Es gab die Sprachbarriere, aber es gab auch Freunde, die immer alles für mich übersetzt haben. Hinzu kamen die kulturellen Unterschiede – wie ich etwas sehe, ist oft eine andere Perspektive. Auch die Beispiele im Kurs waren für mich oft schwer nachzuvollziehen, aber man hatte viel Geduld mit mir. Ich habe viel mehr gelernt als nur Sprache.“ Den Kurs hat sie erfolgreich abgeschlossen und dann auch ohne weiteres die Prüfungen bestanden.

Einblicke in die Geschichte, die Erfahrung und die Zukunft des Sprachkurses gaben im Programm unterrichtende Dozenten. Wie Prof. Tobler hervorhob, ist der Sprachkurs „geprägt von einer unglaublichen Kontinuität auch was die Lehrkräfte angeht“. Professor Gerhard Konnerth hat von Anfang an in diesem Programm gelehrt. Seinen Festbeitrag begann er mit der Überlegung, „was unter Sprache überhaupt zu verstehen sei“ und lud zum Nachdenken ein, „über das Wesen dessen, was wir üblicherweise Sprache nennen, und worin nach Martin Heidegger das liegt, was er Menschenwesen nennt. Unsere Vorstellung von der Sprache ist somit nicht sprachwissenschaftlich definiert, als wichtigstes und artspezifisches Kommunikationsmittel des Menschen, das dem Austausch von Informationen dient sowie epistemisch-kognitive, affektive Funktionen erfüllt, also als Dokument des menschlichen Geistes, sondern als erkenntnistheoretisches Bild, als das eigenste, das wesenhafteste unseres Daseins, das nach Sřren Kierkegaard im Ewigen aufgehoben sein muss.“ Über die Rolle des gefeierten Sprachkurses gab Prof. Dr. Hans Klein Auskunft, während Doz. Dr. Rodica Miclea auf die Entwicklung und Perspektiven einging. Des Weiteren erörterte Dionisie Arion, Stipendienreferent bei „Brot für die Welt“, die Geschichte des Stipendienprogramms für Orthodoxe. Dr. Alexandru Ioniță präsentierte abschließend den DiaLogos-Verein, das jüngst gegründete Netzwerk ehemaliger Stipendiatinnen und Stipendiaten. Der Verein wurde auf Initiative ehemaliger Stipendiaten gegründet, mit dem Vorhaben, nicht nur den Kontakt der Stipendiatinnen und Stipendiaten untereinander langfristig aufrecht zu erhalten, sondern auch neue Stipendiatinnen und Stipendiaten zu unterstützen.

Rege Diskussionen entstanden beim wissenschaftlichen Symposium am darauffolgenden Tag. Die Vorträge deckten thematisch eine breite Spannweite aus theologischer, pädagogischer und philosophischer Perspektive zum Thema „Kulturelle Differenzen und die Rolle der Ökumene“ ab. Die Beiträge werden in eine Folgenummer der Zeitschrift „RES. Review of Ecumenical Studies. Sibiu“ aufgenommen, die von Aurel Pavel und Stefan Tobler herausgegeben wird. Am Nachmittag gab es einen Workshop mit Stipendiatinnen und Stipendiaten sowie mit Alumni des Sprachkurses. Darin wurde die Möglichkeit zum Austausch geboten sowie analysiert, was im Programm möglicherweise noch verbessert werden könnte. Weitere Alumni-Treffen sollen, so Susanne Werner, von nun an gefördert werden.