Dicke Luft in Hermannstadts Kulturpolitik

Liberale Kreisrats-Vorsitzende wirft Astra-Bibliotheksdirektor raus

Spätestens seit Ende Juni 2020 steht allgemein fest, dass Silviu Borș bei Daniela Cîmpean in Ungnade gefallen ist. Am 9. November hat die Vorsitzende des Kreisrates Hermannstadt den seit Juli 2011 amtierenden Direktor der Astra-Bibliothek Sibiu in schriftlicher Eigenmächtigkeit über seine vorzeitige Entlassung aus dem ursprünglich bis Juni 2022 verlängerten Dienstvertrag am Astra-Park informiert. Ihr einschlägiges Dispositionsschreiben Nr. 355 hat dem langjährigen Bibliotheksdirektor eine Kündigungsfrist von 15 Tagen gewährt. Folglich gilt Silviu Borș seit vorgestern, dem 24. November, als formal arbeitslos. Für die lokale Wochenzeitung „Mesagerul de Sibiu“ hat er schon zu Protokoll gegeben, gerichtlich gegen seine Kündigung vorgehen zu wollen. Sie erscheint ihm nicht gerechtfertigt.

Daniela Cîmpean dagegen begründet ihre Entscheidung durch ein Sondergutachten der Kreisrat-Dienststelle für Humane Ressourcen vom 4. November, die eine mit fünf Personen besetzte Kommission kürzlich beauftragt hat, „einige organisatorische und funktionale Aktivitäten“ an der Astra-Bibliothek erneut zu kontrollieren. Silviu Borș hält enttäuscht entgegen, trotz einer Nachfrage weder über die nominelle Besetzung der außerordentlichen Kommission noch den genauen Wortlaut des Sondergutachtens aufgeklärt worden zu sein. Auf ihn folgt Ioan Mihail Cruciat, der die Vakanz an der höchsten Planstelle der personell unterbesetzten Astra-Bibliothek bis zu 120 Tage lang interimistisch beauftragt ausfüllen wird. Er hatte ihr von 2007 bis 2010 als stellvertretender Direktor vorgestanden und soll erst wieder aus seinem plötzlich neuen Vertrag entbunden werden, wenn der Kreisrat einen ordentlichen Wettbewerb ausgeschrieben und eine für die Leitung der Bibliothek geeignete Person gefunden haben wird.

Ob das binnen 120 Tagen gelingt, bleibt unruhig abzuwarten und ist zumindest fraglich, wenn nicht gar eine Farce der Vorsitzenden des Kreisrates Hermannstadt, deren Partei (Nationalliberale Partei, PNL) auf Regionalebene die absolute Mehrheit stellt. Eigentlich war Silviu Borș für seine Aktivität als Astra-Bibliotheksdirektor noch im Februar 2021 von einer Fachkommission, die der Kreisrat bestellt hatte, mit höchsten Zensuren im Amt bestätigt worden. Bald darauf jedoch traf die kulturell überaus unvorteilhafte Nachricht ein, dass die unter seiner Leitung stehende Astra-Bibliothek in der Zuteilung von Staatshaushaltsmitteln für das laufende Kalenderjahr 2021 mit nicht unempfindlichen Einbußen zu rechnen haben würde. Obwohl der zwischen ihm und der Kreisrats-Spitze immer stärker gärende Konflikt letztlich Anfang Oktober durch finanzielles Einlenken per Eilverordnung zum Vorteil der Bibliothek beigelegt wurde, zeigte Daniela Cîmpean sich einen Monat später von ihrer nachtragenden Seite. Mitte September hatte sie Silviu Borș vergeblich aufgefordert, zu kündigen.

Der ab sofort interimistisch berufene Direktor der Astra-Bibliothek Ioan Mihail Cruciat führt umfassende Liegenschaften und ein 400 Quadratmeter Nutzfläche messendes Wohnhaus im Dorf Rășinari als seinen Besitz, den er 2019 gemeinsam mit seinem Bruder Ghiță durch Erbe erworben hat. Das Gebirgsdorf Rășinari ist nicht nur als ein beliebter Nachbarort Hermannstadts, sondern auch als Geburtsort von Octavian Goga und Emil Cioran bekannt. Hat Ioan Mihail Cruciat wohl etwas für ihren literarischen Nachlass übrig? Eine Frage, die Silviu Borș bestimmt nicht zu fürchten bräuchte. Er wartet bereits auf die Ausschreibung der Vakanz, um beim Kreisrat noch einmal sein Glück zu versuchen. Höchstwahrscheinlich ohne Erfolg.