Die Antikorruptionsstaatsanwälte und die „Fachausbildung“

DNA auf der Spur der „Pensionierungsepidemie“ von Polizeioffizieren im Arader Gefängnis

Die Kompetenzlosigkeit der Polizisten, die im „Fall Caracal“ eklatant zum Vorschein trat, hat nicht nur das korrupte System der Aufnahmen ins System (per Clan-Netzwerke) als Ursache, sondern auch die Hintertürchen, die durch die Übervorteilung der Polizisten (und vor allem derjenigen Polizisten, die im Justizsystem tätig sind) mittels Korruption geöffnet werden können. Die Antikorruptionsbehörde DNA hat dies jüngst anhand ihrer Untersuchungen der auffälligen Häufigkeit von vorzeitigen Pensionierungen der Offiziere der Haftanstalt Arad nachgewiesen, geht aber davon aus, dass die Vorgänge bei näherem Hinsehen problemlos auch für Temesch und Karasch-Severin gelten. 

Die Folge: erfahrene und professionalisierte Justizoffiziere (der Haftanstalten, aber auch aus Sonderressorts der Polizei, etwa für Kriminalitätsbekämpfung oder Eingrenzung der Wirtschaftskriminalität) gehen vorzeitig in Rente und werden von Individuen ersetzt, die mit dem Beruf kaum etwas am Hut haben und deren einzige „Qualität“ die Verwandtschaft oder (auch politische) Bekanntschaft mit einem Entscheidungsträger ist, der ihnen „einen Posten verschaffen“ kann. Die Konsequenz im Laufe der Zeit: Entprofessionalisierung der Polizei (wie im „Fall Caracal“ ausgiebig dokumentiert), Amateurisierung des Systems, Handlungsunfähigkeit im Notfall.

Der jüngste Fall der DNA-Staatsanwälte Temeswar weist klar in diese Richtung: In der Polizei und in den militarisierten Strukturen sinkt das Kompetenzniveau auf spürbare Weise. Die Welle von Krankenpensionierungen (in den militarisierten Strukturen ist die Krankenrente, zum großen Unterschied zur Restbevölkerung, kaum geringer als im aktiven Berufsleben!) im Gefängnis Arad rief Antikorruptionsuntersuchungen hervor. Verursacher: der „verständnisvolle“ Leiter der Abteilung Innere Medizin des Militärkrankenhauses Temeswar, Dr. Eugen Silviu P. Gegen Schmiergeld war dieser bereit, den Pensionswilligen fiktive Krankheiten zu bescheinigen, ihnen bis zum Limit von 90 Tagen Krankenurlaub (wie vermutet: in ihrer Branche ebenfalls kaum mit Lohnverlusten verbunden, im Gegensatz zu „gewöhnlichen“ Erdenbürgern) zu verschreiben und sie dann, nach weiteren 30 Tagen Krankenurlaub, krankheitsbedingt zu pensionieren. Das hat funktioniert, weil nicht nur der Internist, sondern (vermutlich) die ganze Pensionierungskommission - wenn sie nicht geschmiert worden ist -, zumindest als Mitwisser mitgemacht hat. Krankenpension per Schmiergeld.

Voraussetzung dazu war eine ärztliche Bescheinigung als „physisch beschränkt einsetzbar“, also „bedingt diensttauglich“. Es gibt nämlich eine Order bezüglich der Organisation, Funktionsweise und dem Aufgabenbereich der militärisch-medizinischen Kommissionen, die medizinische Expertisen ausstellen können (Nr.35/16.01.2013), denen zufolge alle Angestellten des Justizsystems aus den drei westrumänischen Kreisen periodisch auf ihre physische Tauglichkeit zur Berufsausübung im Temeswarer Militärkrankenhaus zu untersuchen sind. Alle kamen zuerst zum Chef der Abteilung Innere Medizin des Temeswarer Militärkrankenhauses, und da das Spital (noch) nicht mit modernster Technik ausgestattet ist, gab es da diverse Krankheiten des Herz- und Koronarsystems, aber auch anderes, für deren Nachweis das Krankenhaus über keine geeigneten Geräte verfügt, so dass man dem Arzt aufs Wort glauben muss. Das wurde ausgenutzt.

„Der Beschuldigte Dr. P. ging in Fällen, in denen den betreffenden Patienten keine Krankheiten nachgewiesen werden konnten, die deren Berufstauglichkeit beeinträchtigen hätten können, so vor, dass er für sie unrealistische Diagnosen stellte, Herz- oder Koronarkrankheiten (...) oder Lungenprobleme oder sonstige schwere Leiden“, schreiben die DNA-Staatsanwälte. „Aufgrund dieser Diagnosen wurden die Patienten ins Krankenhaus eingeliefert, bekamen Krankenurlaube von dreimal 30 Tagen – bis zum Limit der 90 Tage und wurden dann zur Expertise-Kommission vorgeladen, worauf sie in der Regel als 'bedingt diensttauglich' eingestuft wurden - die Vorstufe der Krankenpensionierung. Vorher gab es nochmal einen Krankenurlaub von 30 Tagen.“ Wohlgemerkt: zu einem Lohn, der ganz nahe an der Bezahlung für den aktiven Dienst liegt.

Innerhalb des Personals des Gefängnisses Arad gab es für diese Vorgänge der Vorpensionierung auf illegale Weise spezifische Code-Bezeichnungen, vermerken die DNA-Staatsanwälte. Die letzten 30 Tage Krankenurlaub vor dem Vorstellig-Werden bei der Expertise-Kommission hießen „plecare la curs“ (in etwa: „Lehrgangsfreistellung“), die letzten 30 Tage Krankenurlaub vor der vorzeitigen Pensionierung hießen „plecare la specializare“ (in etwa: „Bildungsfreistellung“). 
Möglich gemacht wurden diese illegalen Vorgänge auch durch unfaire Ausnutzung eines Regierungsbeschlusses, der vorsieht, dass aktive Militärs (einschließlich  Gefängnisbeamter), unabhängig ihres Alters, nach mindestens 20 Dienstjahren (davon mindestens zehn als Militärs) das Recht haben auf eine „vorzeitige dienstliche Teilrente“, ohne dabei als Reservisten eingestuft zu werden. Hierin inbegriffen ist auch das Recht, sich direkt aus dem Dienstleben zurückzuziehen und eine Vollrente zu beziehen, wenn die Anspruchsteller mittels einer medizinischen Expertise als „dienstuntauglich“ oder „beschränkt diensttauglich“ eingestuft werden. 

Fakt ist, dass in der von den Temeswarer Antikorruptionsstaatsanwälten untersuchten Zeitspanne vom 7. November 2016 bis zum 10. Juli 2018 insgesamt 26 Beamte des Gefängnisses Arad als „beschränkt diensttauglich“ vorzeitig in Rente gegangen sind.
Dazu die Staatsanwälte der DNA: „Vorzeitiger Rentengang aufgrund von Erkrankungen öffentlicher Beamter, die in Wirklichkeit nicht krank sind und die Bedingungen nicht erfüllen, um als 'beschränkt diensttauglich' oder 'dienstuntauglich' zu gelten, schafft Ungleichgewichte im Personal und in der Dienstausübung, wobei die Begünstigungen des Systems, die diesem Personal zugestanden wurden, unfair ausgenutzt werden. Da es sich um Fachbereiche handelt, für die man sich über längere Jahre qualifizieren muss, schafft dieses System auch Nachwuchsprobleme, die nicht vorausplanbar sind. Das spekulative und illegale Ausnutzen des Systems der Bevorteilung durch Überspannung der Bevorzugung begrenzt die Entwicklungsmöglichkeiten der Gesellschaft in Richtung Rechtsstaat und stellt einen Rechtsbruch dar.“