„Die auslaufende Legislaturperiode war mit Sicherheit die schlimmste – für mich, das DFDR und die deutsche Gemeinschaft“

ADZ-Gespräch mit Ovidiu Ganț, dem Abgeordneten des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien

Foto: Gabriela Rist

Ovidiu G a n ț vertritt seit fast 20 Jahren die Interessen der deutschen Minderheit in Rumänien – ab 2001 zunächst als Unterstaatssekretär im Departement für Interethnische Beziehungen der Regierung (DRI), seit 2004 als Abgeordneter des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR). Als Parlamentarier hat sich der 56-jährige gebürtige Banater zum einen stets für Rechtsstaatlichkeit und Festigung der Demokratie hierzulande und zum anderen für die Belange der deutschen Minderheit sowie Wahrung ihrer Rechte eingesetzt (siehe laufende ADZ-Serie „DFDR-Retrospektive. Ovidiu Ganț: Aus vier Jahren im Parlament“). Vor der Parlamentswahl vom 6. Dezember, bei der er erneut für das DFDR antritt, bot Ganț im Gespräch mit der ADZ einen Rückblick auf die Herausforderungen der letzten Legislaturperiode sowie einen Ausblick auf die Schwerpunkte einer neuen Amtszeit. Die Fragen stellten ADZ-Redakteure Șerban Căpățână und Lilo Millitz-Stoica.

Herr Ganț, wie würden Sie rückblickend die auslaufende Legislaturperiode beschreiben oder bewerten?
Die auslaufende Legislaturperiode war mit Sicherheit die schlimmste für mich, das Deutsche Forum, die deutsche Gemeinschaft und, wage ich zu behaupten, für Rumänien insgesamt. Da die Parlamentswahl 2016 der PSD und ihren Satellitenparteien eine erhebliche Parlamentsmehrheit bescherte, stand es in der Macht der neuen Regierungspartei, alles zu tun, um den Rechtsstaat auszuhebeln, Justiz und Demokratie mit dubiosen Gesetzen einzuschränken, die mit schöner Regelmäßigkeit im Parlament durchgewunken wurden. Bizarre populistische Entscheidungen im Bereich Wirtschaft und Finanzen brachten das Land ihrerseits in große Schwierigkeiten. Last but not least gab es andauernde Verleumdungskampagnen gegen und Attacken auf die deutsche Minderheit. Dies alles sind Belege dafür, dass diese Legislaturperiode für mich als DFDR-Abgeordneter eindeutig die schlimmste war.
De facto haben die Diffamierungen der deutschen Minderheit bereits 2014 eingesetzt, als im damaligen Präsidentschaftswahlrennen, in dem bekanntlich Victor Ponta und Klaus Johannis antraten, erstmals Verleumdungen laut wurden und eigentlich bis letztes Jahr andauerten. Ich lasse mich überraschen, wie sich der Wahlkampf für die nahende Parlamentswahl diesbezüglich noch entwickelt. So also hat meine vierte Legislaturperiode ausgesehen – es war tatsächlich eine, wie ich sie noch nie erlebt habe.

Wie beschwerlich war Ihre Tätigkeit in einem von der PSD dominierten Parlament?
Es war vieles seltsam und neu für mich. In der Regel ist es ja so, dass die Minderheitenfraktion die jeweilige Regierung unterstützt, was auch in dieser Legislaturperiode geschah – mehrheitlich. Ich war eines der wenigen Fraktionsmitglieder, das sich zum ersten Mal offen und deutlich als oppositionell positionierte. Ich begann die Legislaturperiode bereits mit großen Bedenken. Die Kollegen hatten mich zwar einstimmig zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt, doch hatte ich von Anfang an erhebliche Probleme mit der gesamten Politik der PSD-ALDE-UDMR-Regierung; dementsprechend war es nur eine Frage der Zeit, bis diese für mich völlig untragbar wurde.
Dazu kam es dann auch recht schnell. Das Dragnea-Regime erließ durch seine Regierung Grindeanu Eilverordnung Nr. 13, die Straffällige de facto regelrecht schützen sollte. In dem Moment sah ich mich mit der Frage konfrontiert, ob so etwas unterstützt werden kann. Ich habe diese Frage dann auch in der Fraktion gestellt. Ich fragte die Kollegen, wie sie dazu stehen bzw. ob sich die Fraktion dafür oder dagegen positionieren wird. Da die Kollegen mehrheitlich kein Problem mit Eilerlass Nr. 13 hatten, war mir klar, dass ich die Fraktion auch nicht mehr vertreten kann. Ich habe sofort das Amt des stellvertretenden Fraktionschefs niedergelegt und erklärt, in die Opposition zu gehen. Und habe anschließend konsequent gegen jeden Vorschlag der PSD-ALDE-UDMR-Mehrheit gestimmt, der Justiz, Rechtsstaat oder Wirtschaft betraf. Das hat bis zu den Misstrauensabstimmungen gegen die Regierung D²ncil², nach Dragneas Inhaftierung, angedauert. 
Bei beiden Misstrauensanträgen gegen D²ncil² habe ich dafür gestimmt. Der erste scheiterte, beim zweiten gelang es uns jedoch, die sowohl für Rumänien schädliche als auch deutschfeindliche Regierung abzuwählen und kurz danach die Regierung Orban I zu bestätigen. Ich habe selbstverständlich für letztere gestimmt, wohlwissend, dass sie eine grundverschiedene Einstellung zur deutschen Minderheit haben wird.

Welche rechtlichen und verfassungsrechtlichen Schäden müsste eine neue Legislative aus Ihrer Sicht in Angriff nehmen oder beheben?
Das hängt vom Wahlergebnis ab. Um z. B. eine Verfassungsnovelle durchzuziehen, ist eine Zwei-Drittel-Parlamentsmehrheit nötig. Ob diese tatsächlich zusammenkommt, ist aus meiner Sicht fraglich, da die Einheit der neuen Mehrheit ausschlaggebend sein wird und eine Koalition aus politischer Sicht desto schwächer ist, je mehr Parteien ihr angehören. Von daher bin ich eher skeptisch, ob die Verfassung in den kommenden Jahren ohne Weiteres novelliert werden kann. Doch vielleicht findet man ja einen Konsens. Skeptisch bin ich im Übrigen auch in Bezug auf den angeblichen Kurswechsel der PSD.
Darüber hinaus müsste jedes einzelne Gesetz neu analysiert werden. Justizminister Predoiu hat ja bereits angekündigt, die sogenannte Justizreform der PSD, deren Strafrechtsnovelle usw. zurücknehmen zu wollen, die nun im Parlament teilweise oder komplett geändert werden müssen.
Außerdem wäre eine Reform des Verfassungsgerichts (VG) meines Erachtens äußerst wichtig. Das VG hat sich in den letzten Jahren als verlängerter politischer Arm der PSD-ALDE-UDMR offenbart und jede fragwürdige Entscheidung des Parlaments, insbesondere im Bereich der Justiz, mitgetragen – das ist schlicht-weg inakzeptabel. Alle Kritik der Venedig- oder der EU-Kommission ist am VG abgeprallt, es hat einfach weiter gemacht.
Darüber hinaus müssen Gesetze auch umsetzbar sein – allen voran im Wirtschafts- und Haushaltsbereich. Die aktuelle Parlamentsmehrheit hat eine Reihe populistischer Vorschläge verabschiedet, die einen wahren Geldsegen für diverse Kategorien vorsehen. Der Geldsegen ist natürlich wünschenswert, doch stellt sich die Frage: Wie mach- und tragbar ist er de facto? Vorerst schwebt nämlich das Damokles-Schwert nach wie vor über Rumänien: Wir haben neulich gesehen, dass die Rating-Agenturen die Bonität unseres Landes zwar beibehalten haben, weil zunächst nichts Schlimmes mehr passiert ist. Aber beim ersten weiteren Fehler werden wir abgestuft – und die Zinsen für Anleihen schießen in die Höhe. Das können wir uns nicht leisten, da würde der Staat nämlich Pleite gehen. Mit anderen Worten ist die Liste der Aufgaben, die die neue Legislative abzuarbeiten hat, lang – es wird sich zeigen, ob es dafür auch eine politisch willige Mehrheit geben wird.

Was müsste eine neue Legislative tun, um die fast zum Erliegen gekommene Korruptionsbekämpfung wieder anzukurbeln?
Korruptionsbekämpfung ist Angelegenheit des Justizsystems. Da hätte die Politik im Grunde nichts zu melden. Ich bin ein treuer Verfechter der Gewaltenteilung im Staat. Weder Staatspräsident noch Parlament noch Regierung dürften oder sollten sich einmischen. Es ist Aufgabe der Staatsanwälte und Richter, bei Korruptionsdelikten konsequent und schnell zu handeln und die Schuldigen ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Das steht schließlich in ihrer Macht. 
Wir als Politiker haben in dieser Sache nichts zu melden. Eben das ist der Kapitalfehler der Vergangenheit gewesen – es gab immer wieder die Tendenz, sich als Politiker in Fragen der Justiz einzumischen. Das darf nicht geschehen – und ich hoffe, dass es auch nicht mehr geschieht.

Schätzen Sie, dass diese Reform des Verfassungs-gerichtshofs, die Sie eben ansprachen, in der nächsten Legislaturperiode machbar ist?
Die Antwort lautet: Sie könnte machbar sein. 
Es hängt vom Wahlergebnis ab und von der Mehrheit, die da zustande kommt. Ist eine beachtliche Mehrheit gegeben, so wäre sie möglich. Ist die Mehrheit prekär und von Auseinandersetzungen zwischen den Koalitionspartnern geprägt, so wird diese Reform nicht möglich sein.

Welches wären Ihre Prioritäten für eine neue Amtszeit, sowohl in Bezug auf Gesetzesinitiativen als auch in puncto Minderheitenschutz?
Die Minderheitenpolitik in Rumänien hat im Grunde genommen keine Gesetzgebungsprobleme aufzuweisen. Das einzige, was fehlt, ist das Gesetz über den Status der nationalen Minderheiten. Letzterer ist zwar in der Verfassung verankert, doch fehlt bis dato ein einschlägiges Organgesetz, da es hierzu unterschiedliche Meinungen zwischen der ungarischen Minderheit einerseits und der Fraktion der Minderheiten andererseits und darüber hinaus auch unter den großen rumänischen Parteien gibt. Dementsprechend glaube ich nicht, dass wir es schaffen, dieses Gesetz allzu bald zu verabschieden. 
Ansonsten gibt es aus legislativer Sicht in puncto Minderheiten nichts Besonderes zu tun, der geltende Rechtsrahmen ist gut und komplett. Wichtiger ist eher die Umsetzung dieser Gesetze – Probleme, mit denen ich seit zwanzig Jahren kämpfe, sowohl als Unterstaatssekretär als auch als Abgeordneter. Es finden sich immer wieder Leute, die meinen, sie könnten das Rad neu erfinden in puncto Minderheiten – was unerhört ist. Gesetze haben respektiert und umgesetzt zu werden. Das bedeutet für mich die sogenannte Kontrolle der Regierung durch das Parlament. Ich muss Ministern, Staatssekretären auf die Finger schauen, wenn die Interessen, die Belange der deutschen Minderheit in Frage gestellt werden – Bildung in der Muttersprache, Kultur, Soziales, Wirtschaft, Medien. In solchen Situationen war und bleibt es meine Aufgabe, sofort einzugreifen und die Sachen zurechtzubiegen. 
Klassische Beispiele bleiben die Finanzierung der Projekte der deutschen Minderheit, wobei man alljährlich mit der Regierung um eine fristgerechte Finanzierung aus dem Haushalt sowie um deren Höhe kämpfen muss, oder Situationen im Bildungsbereich, wie etwa geplante Schließungen von Schulklassen oder Abteilungen in deutscher Sprache, mangelnde Lehrkräfte und/oder Lehrbücher. Das alles gehört zu meinem Aufgabenbereich, einschließlich Ausnahmesituationen wie etwa die des Brukenthal-Museums in Hermannstadt oder die Rückerstattung von Immobilien an Gemeinschaft oder Kirche.
Darüber hinaus werde ich mich selbstverständlich auch an den Gesetzgebungsverfahren beteiligen, die die allgemeinen Interessen, nicht nur jene der deutschen Minderheit, visieren. Im Ausschuss für Außenpolitik will ich mich weiter konsequent für die Intensivierung und den Ausbau der Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland einsetzen, zumal dies stets eine Priorität des Forums gewesen ist.  
Generell beabsichtige ich, die Richtlinien der Politik von Staatspräsident Klaus Johannis weiter zu unterstützen – in Richtung EU, NATO, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hierzulande.

Möchten Sie abschließend unsere Leser direkt ansprechen?
Ja, gerne – und zwar mit der Bitte an alle Leser, Freunde, Mitglieder und Sympathisanten des Forums, bei der Parlamentswahl vom 6. Dezember auf der Wahlliste für die Abgeordnetenkammer für das DFDR zu stimmen. Jede für uns im In- oder Ausland abgegebene Stimme zählt. Wir brauchen diese Hilfe und Unterstützung, damit wir nach den Wahlen unsererseits, aus der parlamentarischen Vertretung heraus, vielen anderen helfen können.

Herzlichen Dank für Ihre Ausführungen.

(Wahlkampfmaterial)