„Die deutsche Minderheit in Rumänien ist eine sehr homogene Gemeinschaft“

Ein Interview mit den ehemaligen Projektmanagern der Organisation Baden-Württemberg International, Thomas Laux und Lothar Stolb

Thomas Laus (links) und Lothar Stolba (rechts)
Fotos: Arthur Glaser

Die beiden vor dem Sitz der Stiftung für Internationale Zusammenarbeit in Sathmar

Seit knapp 30 Jahren unterstützt Baden-Württemberg International (BWI) als Mittlerorganisation mit Hilfe von Zuwendungen des Bundesministeriums des Innern (BMI) u. a. Projekte zur Förderung deutscher Minderheiten in Mittel- und Osteuropa, in der Russischen Föderation sowie in Zentralasien. Die Durchführung der Projekte stellt einen unmittelbaren Mehrwert sowohl für die deutschen Minderheiten in den einzelnen Ländern als auch für die Wirtschaft und Wissenschaft Baden-Württembergs dar. Thomas Laux stand insgesamt 29 Jahre lang im Dienst von Baden-Württemberg International. Für das Förderungsprogramm des BWI fungierte er als Projektmanager und -leiter und war dafür verantwortlich, dass die Projektmittel zielgerichtet eingesetzt wurden. Der gelernte Bankkaufmann Lothar Stolba hat insgesamt 25 Jahre für BWI gearbeitet. Aufgrund seiner Expertise als Unternehmensberater in der Handwerksbranche prüfte er als Gutachter Neuanträge und evaluierte durchgeführte Projekte. Seit einem halben Jahr ist Herr Laux mittlerweile ausgeschieden und begab sich mit Lothar Stolba vor über einer Woche auf eine einwöchige „Abschiedstour“ durch Rumänien, welche sie nutzten, um ehemalige Partner und Weggefährten wiederzusehen. Der Start dieser Reise begann mit dem Besuch der Stiftung für Internationale Zusammenarbeit in Sathmar/Satu Mare. In diesem Rahmen trafen die beiden ADZ-Redakteur Arthur Glaser zu einem Interview.

Was hat sich während Ihrer Dienstzeit besonders gut entwickelt in der Kooperation mit den Organisationen der deutschen Minderheit?

Herr Stolba: Es ist schwierig, dazu etwas zu sagen, weil es so viel war. Die Zusammenarbeit mit den Stiftungen hat sich wirklich gut entwickelt. Die gesamte Abwicklung und Durchführung der Projekte wurde quasi perfektioniert. Besonders hervorzuheben ist, dass es während der Förderungszeit niemals den Verdacht gab, dass Mittel zweckentfremdet wurden. Wir hatten immer zu 100 Prozent Vertrauen. Und dieses Vertrauen wurde nie enttäuscht.

Herr Laux: Wir hatten vor Ort auch immer die richtigen Menschen und Partner gefunden. Das Vertrauen war immer da und wir wurden als Förderer auch nie enttäuscht. Man konnte auch die stetige positive Entwicklung sehen und man hatte das Gefühl, man hatte etwas erreicht.

Wissen Sie, wie viele Projekte BWI während Ihrer Dienstzeit von 29 bzw. 25 Jahren durchgeführt hat?

Herr Laux: Es ist schwierig, dies jetzt aus dem Gedächtnis zu beziffern. Wir haben jedes Jahr etwa 25 bis 30 Projekte aus Bundesmittel durchgeführt, und das dann 29 Jahre lang. Aber es wurden ja aus den Rückflüssen darüber hinaus auch wieder weitere Projekte finanziert. Es waren ja allein hier in Sathmar ca. 1700 Projekte. Ich würde schätzen, dass es sicher zwischen 5000 und 10.000 Projekte in diesem Zeitraum waren.

Wie wichtig ist die Arbeit von Baden-Württemberg International als Mittlerorganisation des BMI, gerade auch aus bundesdeutscher Perspektive?

Herr Laux: Baden-Württemberg International war als Mittler für das BMI elementar. Das erste Förderprogramm wurde 1991/92 vom Bundesland Baden-Württemberg aufgelegt. Die Initiative kam vom damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel. Als die deutsche Minderheit nach der Wende Hilfe benötigte, wurde diese vom Land Baden-Württemberg über ein Förderungsprogramm finanziert. Baden-Württemberg International hatte somit eine gewisse Expertise in diesem Bereich, auf die das Bundesministerium des Innern dann später zurückgegriffen hat.

Herr Solba: Die Förderungsini-tiative ging ja vom Bundesministerium des Inneren aus. Sie hatten anfangs keine Erfahrung mit Entwicklungshilfe. Es gab dafür das Entwicklungsministerium. Aber da es beim Programm um die Hilfe für die Deutschen in Osteuropa ging, war dafür das BMI zuständig. Dem Innenministerium fehlte damals einfach auch die Erfahrung. Baden-Württemberg International war eine Gesellschaft, die eben über eine gewisse Erfahrung in der wirtschaftlichen Entwicklung verfügte. Es ging ja auch um Förderung von Kultur und Infrastruktur. Man muss ja sagen, dass wir auch etwas gestaltet haben.

Neben Rumänien ist Baden-Württemberg International auch in anderen Ländern tätig. Welche sind das? Mit wie vielen Stiftungen/Organisationen kooperierten Sie in Südosteuropa?

Herr Laux: In jedem Land hat es im Regelfall mindestens einen Partner gegeben. Hier in Rumänien sind es fünf Stiftungen. Baden-Württemberg International hat in der Endphase alle Länder betreut, in denen eine deutsche Minderheit vertreten ist. Es sind insgesamt zehn Partnerländer.

Herr Stolba: Ich war hauptsächlich in Rumänien tätig. Aber auch in Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei sowie in Russland.

Sehen Sie neben der gesamten positiven Entwicklung auch noch Probleme bzw. Schwierigkeiten gerade im Bereich der Wirtschaftsförderung?

Herr Laux: Allgemein ist die Korruption immer noch ein Thema in Rumänien. Ebenso gibt es noch zu viel Bürokratie. Das könnte weniger sein. Darüber hinaus sehe ich noch das berufliche Ausbildungssystem als Schwachstelle.

Herr Stolba: Neben der Korruption und Bürokratie ist es eben die Berufsausbildung im gewerblichen Bereich. Das ist noch ausbaufähig. Wir haben festgestellt, dass nach der Wende viele Fachkräfte abgewandert sind. Das Positive ist jetzt eben, dass einige, die in Deutschland ausgebildet wurden, wieder zurückkehren. Es gab Fälle, wo eben gut ausgebildete Leute wieder nach Rumänien zurückkamen und wirklich tolle Projekte umgesetzt haben. Beispielsweise im Bereich der Landwirtschaft. 

Neben der wirtschaftlichen Förderung unterstützt Baden-Württemberg International auch Kultur- und Jugendprojekte. Wie haben Sie die Entwicklungen in diesem Bereich wahrgenommen?

Herr Laux: Mein Schwerpunkt war schon die wirtschaftliche Seite. Ich habe aber auch Kulturprojekte betreut. Also aus meiner Perspektive sind die Kulturprojekte interessanter geworden, vor allem für die Teilnehmer. Es sind mehr Ideen eingeflossen und das Inte-resse der Menschen hat zugenommen. Die Partner haben sich vor Ort auch weiterentwickelt in der Durchführung von Kulturprojekten. So wurden eben mit der Zeit immer mehr Projekte umgesetzt. Und das kulturelle Angebot hat sich auch mehr auf die Jugend ausgerichtet.

Herr Stolba: Man muss sich auch vor Augen führen, dass die ältere Generation mit der Zeit ausgestorben ist und damit auch oft Traditionen und Bräuche. Es gab auch eine große Abwanderung. Dadurch ist es immer schwerer geworden, die Tradition wieder aufleben zu lassen. Es ist trotzdem gelungen diese zu bewahren, eben auch durch die Projektarbeit.

Wie haben Sie die Gruppe der deutschen Minderheit in Rumänien, aber auch in Südosteuropa wahrgenommen?

Herr Laux: Also für Rumänien kann ich das ganz klar sagen. Die deutsche Minderheit in Rumänien ist eine sehr homogene Gemeinschaft. Der Zusammenhalt hier ist sehr groß. Man hat sich verstanden. In anderen Ländern gab es auch Fälle, wo die deutsche Minderheit nicht so gut harmoniert als Gruppe. Ich hatte in Rumänien immer den Eindruck, dass es eine richtige Gemeinschaft ist. In anderen Ländern habe ich das so nicht wahrgenommen.

Herr Stolba: Ich kann das nur bestätigen.

Wir haben gerade die Bundestagswahlen hinter uns. Es gibt immer wieder Äußerungen zu Kürzungen in vielen Bereichen der Förderung. Wie sehen Sie die Zukunft der Förderung der deutschen Minderheit in Rumänien, aber auch insgesamt in Südosteuropa?

Herr Laux: Es ist schwierig, das zu beantworten. Es hängt natürlich auch von den regierenden Parteien ab. Ich vermute, dass eine Partei wie die CDU sich mehr für Traditionen und Geschichte einsetzt als andere Parteien. Diese Politiker achten mehr darauf, diese Förderungen zu erhalten. Es hängt sicher auch vom politischen Klima ab. Und natürlich hat auch die Arbeit des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Prof. Dr. Bernd Fabritius, einen Einfluss auf die Förderungen. Im Bereich der sozialen Förderung verweist das Bundesministerium des Innern auch auf die EU. Als Mitglied der EU soll sich Rumänien eben bei den Standards anpassen. 

Herr Stolba: Es gibt leider die Tendenz, dass die Förderung mehr und mehr zurückgefahren wird. Es ist auch verbunden mit dem Generationenwechsel in der Politik. Die Älteren hatten aufgrund ihrer Erfahrungen viel stärker einen Bezug zu Krieg und Vertreibung somit auch zur deutschen Bevölkerung in Osteuropa. Man muss auch sehen, dass Rumänien in der EU ist und sich aus eigener Kraft auch an die EU angleichen soll. Es gibt eben in der EU gewisse Standards, und Rumänien muss dann auch irgendwann diese selbst erreichen, ohne zusätzliche Hilfen.

Sie waren beide über 25 Jahre für Baden-Württemberg International in der Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsstiftungen in Südosteuropa tätig. Wie ist ihr Fazit?

Herr Laux: Ich kann nur betonen, dass die Zusammenarbeit immer sehr gut war. Dass sich die Partner stetig weiterentwickelt haben und die Zusammenarbeit immer auch leichter war. 
Herr Stolba: Ich kann das nur bestätigen. Man hat eine Entwicklung mitgemacht vom Postsozialismus bis in die moderne EU hinein. Man konnte so die Veränderungen im Land miterleben. Durch die Projekte konnte man kleine und mittlere Unternehmen unterstützen. Es war Mittelstandförderung, die wir gemacht haben. Das Förderungsprogramm hat ein wenig wie der Marshallplan funktioniert. Das Programm war und ist ideal für die Entwicklung von ökonomisch etwas rückständigeren Ländern.

Vielen Dank für das Gespräch!