Die Kunst des Alterns

Theaterfestival und Generalversammlung der Europäischen Theaterkonvention in Temeswar

Generaldelegierte der Europäischen Theaterkonvention Heidi Wiley Foto: Zoltán Pázmány

„So jung wie heute sehen wir uns nie wieder...“, sang etwas schüchtern der Seniorenchor „Temeswarer Liederkranz“ zum Auftakt des ersten Festivals für Theater und Wissenschaft („The Art of Ageing - 1st European Theatre and Science Festival“) in Temeswar/Timişoara. Was bedeutet für uns das Alt-Werden, wie muss sich die Gesellschaft mit einer zunehmend alternden Bevölkerung entwickeln? Zu diesen Fragen und zu den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen europaweit versuchte man kürzlich, in der westrumänischen Stadt eine Antwort zu finden. Vertreter der Europäischen Theaterkonvention (ETC), Fachleute und Wissenschaftler kamen nach Temeswar, um an der letzten Etappe des Projektes „The Art of Ageing“ teilzunehmen. Theater-Koproduktionen und Vorträge fanden zu diesem Thema statt. Gastgeber des Festivals war das Temeswarer Nationaltheater.

2012 war das Europäische Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen. Das Thema bewegte die ETC, sodass seit 2013, die Kunst zu altern, von allen Standpunkten im Rahmen des „Art of Ageing“-Projekts behandelt und diskutiert wurde. Das Projekt ließ in den vergangenen Jahren acht Theater aus Deutschland, Rumänien, Kroatien und der Slowakei miteinander in bilateralen Partnerschaften kooperieren. Das Projekt wurde von der Europäischen Kommission gefördert.

Infolge der künstlerischen Kooperation des Badischen Staatstheaters Karlsruhe mit dem Staatstheater Braunschweig, den Nationaltheatern in Temeswar und „Marin Sorescu“ in Craiova, dem Gavella City Drama Theatre, dem Theater und Orchester Heidelberg, dem Slowakischen Nationaltheater Bratislava und dem Deutschen Theater Berlin wurden Recherchen zu diesem Thema gemacht und es entstanden fünf europäische Koproduktionen. Alle wurden zu diesem Anlass in Temeswar auf die Bühne gebracht.

Doch die Kunst des Alterns wurde nicht nur aus der Sicht des Theaters behandelt. Das Festival bot die einzigartige Möglichkeit, Künstler, Zuschauer und politische wie ökonomische Interessengruppen mit Experten aus den Bereichen der Philosophie, Soziologie, Ökonomie und Politik in einem europäischen Rahmen zusammenzubringen. Vorträge und Rundtischgespräche über unsere alternde Gesellschaft wurden aus diesem Anlass zur internationalen Theaterkonferenz und Generalversammlung der ETC abgehalten. „Unser Ziel ist im Grunde genommen, durch die Theaterarbeit einen Beitrag dazu zu leisten, uns in Europa darüber Gedanken machen, wie wir älter werden und möchten. Und wie das auch mit anderen zuständigen Organisationen, Einrichtungen gemeinsam angegangen werden kann. Welche Lösungen gibt es? Das möchten wir in dem Wissenschaftskontext mit anderen Kollegen und Experten diskutieren und unseren Blickwinkel in anderen Diskussionen einbringen“, sagt Heidi Wiley, Generaldelegierte der ETC, der ADZ gegenüber.

Das Thema „Altern“ wurde bei der Begegnung in Temeswar sowohl aus soziologischer und literarischer Sicht, als auch aus wissenschaftlicher Perspektive behandelt. Im Vordergrund standen der globale Wandel und die veränderten Altersstrukturen und wie man damit umgehen soll, sowie wie sich das auf politischer und wirtschaftlicher Ebene widerspiegelt. Zu den Referenten, Podiumsgästen und Workshopleitern in Temeswar zählten Dr. George W. Leeson, Co-Direktor des Oxford Institute of Population Ageing, Ebbe Johansen, Vize-Präsident der AGE Platform Europe, Birgit Dahlke, Gastprofessorin an der Freien Universität Berlin, und Stuart Kandell, US-amerikanischer Theaterkünstler und „globaler Pionier der Kunst des Alterns“.

Ziel des Projektes war: „Einerseits einen künstlerischen Beitrag zur aktuellen Debatte zur Älter-Werden-Herausforderung liefern zu können und in diesem Zusammenhang auch die Rolle des Theaters in der Diskussion als wichtigen Partner einzubringen sowie den Zugang zur Kultur als inklusiven Teil der Gesellschaft zu vergrößern“, sagt die ETC-Generaldelegierte Heidi Wiley. „Uns war es wichtig, mit Partnern zusammenzukommen und praktische Lösungen zu finden. Als drittes war uns wichtig, neue Ideen zu entwickeln und konkrete Projekte im Theater-Bereich entstehen zu lassen“, schließt Wiley.

Die Europäische Theaterkonvention wurde 1988 gegründet und bringt über 40 Theater aus 25 europäischen Ländern zusammen. Die ETC fördert und initiiert den Austausch von Theaterschaffenden und -produktionen, die Mobilität des Theaterpublikums, die Entwicklung zeitgenössischer Dramatik, die Entwicklung neuer internationaler Theaterformen und -koproduktionen.