Die Wirklichkeitsprüfung

„Wir werden mit Strenge auf die Prinzipien achten, auf die wir im Wahlkampf gepocht haben: Integrität, Transparenz, Null-Toleranz gegenüber Vetternwirtschaft, Korruption oder fehlender Integrität.“ Diese herausfordernden Worte des Chefs der jungen Saubermacher-Partei USR einige Stunden nach der Schließung der Wahllokale für die Bestimmung der neuen Führungen in den Ortschaften klingen gut und sollen wohl auch anziehend wirken auf weitere Wähler, denn die Parlamentswahlen stehen bevor. Aber die Chance, das Überraschungsergebnis der Wahlen fürs Europaparlament zu wiederholen – über 22 Prozent, womit man in der Nähe der abstürzenden Megapartei PSD lag – ist eher gering.

Die USR scheint ihre internen doktrinären Auseinandersetzungen hinter sich gelassen zu haben und zumindest von außen als mitte-rechts wahrgenommen werden zu wollen. Bei den Lokalwahlen vom 27. September stimmten neun Prozent der Urnengänger für diese Partei, während für die PSD landesweit 31,2 Prozent (fast zehn Prozent mehr als bei den Europawahlen) stimmten.

Das klingt nach Rückschlag. Doch während die PSD bis ins letzte Krähennest ihre Vertretungen hat, ist die vor vier Jahren gestartete USR (und ihr Anhängsel PLUS) eine (noch nicht gefestigte) Großstadtpartei, die kaum über landesweite Vernetzung verfügt. Deshalb war Parteichef Dan Barna auch nicht glaubhaft, wenn er nach den Wahlen behauptet hat, dass seine Partei zu 57 Prozent von der Landbevölkerung und nur zu 32,33 Prozent von der Stadtbevölkerung gewählt wurde und dass er hoffe, dass sich diese Prozentsätze bei den Parlamentswahlen „ausgleichen“ würden – abkaufen kann man ihm da bestenfalls Letzteres, die Hoffnung.

Interessant ist, dass die Großstädte, die von der USR erobert (oder fast...) wurden, in zwei Fällen PNL-Bürgermeister hatten, den verschrobenen, selbstherrlichen und falschen Robu, den Dominik Fritz in Temeswar an die Wand spielte; in Kronstadt stürzte sie einen Robu geistesverwandten George Scripcaru: Das ist ein Zeichen, das sich auch Präsident Johannis, der oft realitätsblind „seine“ PNL fördert, auf ein Merkblatt schreiben sollte. In Bacău, in einer intelligenten (auch reißfesten?) Allianz mit der PNL, konnte sie einen Bürgermeister der seit 30 Jahren herrschenden PSD stürzen. Der Fall ist verfolgenswert, weil es auch ein Test ist, wie gut die USR mit der ältesten Partei Rumäniens kann, die mindestens so korrupt ist und ebenso vetternwirtschaftlich wie die Ex-Kommunisten der PSD (dazu siehe obiges Barna-Zitat).

Am schwerwiegendsten sind die Wahlsiege dieser Partei in Bukarest, mit seinen Stadtteilen, die einer „normalen“ rumänischen Großstadt entsprechen. Zwei der sechs gingen an die USR. Mit Oberbürgermeister und Stadtrat, fast wie Regierung mit Regierungschef, und wo auch der Stadtrat von USR-Ratsherrn dominiert ist, ist Bukarest für die PSD verloren. Mal abgesehen vom schmierigen Abschied der PSD-Oberbürgermeisterin Gabriela Firea-Pandele und der schweren Trennung der früheren PSD-Stadtteilbürgermeister von ihren Stühlen bleibt der Ausgangsort der USR, Bukarest, auch ihr Schwerpunkt in Rumänien.

Damit landete die USR in einer neuen Position: Sie muss lokal regieren (können). Es wäre nicht die erste Partei, die am Regieren scheitert, nachdem sie in der Opposition eine glänzende Figur abgegeben hat. Vor allem: Schafft sie es wirklich, ihre hehren Versprechungen betreffs „Integrität, Transparenz, Null-Toleranz gegenüber Vetternwirtschaft, Korruption oder fehlender Integrität“ in die Tat umzusetzen? PSD und PNL haben sich dazu als unfähig erwiesen.

Die versprochene „andere Art der Politik“ kann man nur in der Rolle des oder der Regierenden nachweisen. Aber dazu müssen Reformen forciert werden. Von unten. Hierfür braucht man eine harte und feste Basis oben, in den beiden Kammern des Parlaments. Die wahre Wirklichkeitsprüfung der USR.