„ ... die zugänglichste und umweltfreundlichste Art von Tourismus“ 

Ein Gespräch über umweltfreundliche Schutzhütten und internationale Kooperationen mit dem SKV-Präsidenten Marcel Șofariu

Marcel Șofariu als noch neuer SKV-Präsident im Jahr 2017 Foto: Ralf Sudrigian

Der Siebenbürgische Karpatenverein (SKV) ist bekannt für seinen Einsatz zur Förderung des Bergtourismus in den rumänischen Karpaten. So wurden in Zusammenarbeit mit der Europäischen Wandervereinigung (EWV), der der SKV angehört und im Rahmen des Schweizerisch-Rumänischen Kooperationsprogramms wichtige Schritte zur Anbindung der Karpaten an die europäischen Fernwanderwege unternommen. Das setzte das Erstellen einer Datenbank, von Karten- und Infomaterial voraus, sowie die Neumarkierung alter oder das Anlegen neuer Wanderwege. Angestrebt wird auch die Schaffung von sogenannten „Premium-Wanderwegen“ als Sonderangebot für Touristen aus dem In- und Ausland. In diesem Sinn ist auch das Bemühen um den Erhalt alter und sogar den Bau neuer Schutzhütten als essentieller Teil der touristischen Infrastruktur für das Wandern zu verstehen. Über ein internationales Projekt, das die ökologisch ausgerichtete Gestaltung und Betreibung bestehender und zukünftiger Schutzhütten betrifft, sprach ADZ-Journalist Ralf Sudrigian mit dem SKV-Präsidenten Marcel Șofariu.

Herr Șofariu, vor einem Jahr haben Sie diesen sehr interessanten Projektvorschlag eingereicht. Was ist inzwischen Neues geschehen?

Die Auswertung des Projektvorschlags hat ein Jahr in Anspruch genommen – eine Zeitspanne, in der wir zusammen mit den Experten des Programms den vollständigen Projektantrag ausgearbeitet haben. Wir haben auch ein Empfehlungsschreiben seitens des Rumänischen Umweltministeriums beifügen können. Im Januar konnte der Vertrag unterzeichnet und das Team für die Durchführung des Projektes zusammengestellt werden.

Um was für ein Programm handelt es sich dabei?

Es ist die Rede von der Europäischen Klimaschutzinitiative (EUKI) – ein Finanzierungsprogramm des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Unterstützt wird dadurch die grenzüberschreitende europäische Zusammenarbeit, um den Ausstoß von Treibhausemissionen zu senken. Bei uns handelt es sich um die Zusammenarbeit zwischen dem Siebenbürgischen Karpatenverein (SKV) und dem Deutschen Alpenverein (DAV). Das von uns gewählte Thema bezieht sich auf die Bergschutzhütten. Sie haben das Wissen – wir kämpfen mit dem Problem.

Bedrohen sogar die Schutzhütten die Umwelt?

Nein, da passiert etwas Eigenartiges. Die Schutzhütten, selbst die älteren, können instandgesetzt und so ausgestattet werden, dass sie klimaneutral werden. Der überwiegende Großteil der Berghütten in Europa befindet sich im Besitz von Wandervereinen. Sie wurden oder werden an die heutigen Anforderungen angepasst. Sie sind nicht und sollen auch nicht gewinnbringend sein, sondern nur nachhaltig. Dabei sollen sie den sozialen Zweck erfüllen, für den sie gedacht wurden – und zwar das Wandern zu fördern als gesündeste, am meisten verbreitete, allgemein zugängliche und umweltfreundlichste Art von Tourismus.

Verfügt der SKV selbst über Hütten?

Nein, wir haben leider keine Berghütten. Nach 1990 wurden in Rumänien die von den alten Wandervereinen (SKV, EKE, CAR, TCR, ADMIR) enteigneten Hütten rasch an Privatunternehmen verkauft. Das profitorientierte Handeln führte dazu, dass die Hütten in den besten Lagen in Hotels und Pensionen umgewandelt wurden und in der Regel nun auch mit dem Pkw erreichbar sind. Es besteht die große Gefahr, dass auch die übrigen Berghütten (sowohl die aufgegebenen als auch die noch in Betrieb befindlichen) dasselbe Schicksal ereilt, wie auch andere „interessante“ Stellen. So würde der Umwelt ein nicht wieder gut zu machender Schaden zugefügt werden.

Andrerseits hat der Mangel von Berghütten schlimme Folgen im sozialen Umfeld: Rumänien umfasst rund die Hälfte der Fläche der Karpaten. Das ist zweimal so viel wie die Fläche der gesamten Schweiz. Trotzdem, wegen der bereits erwähnten Ursachen, hat unser Land die geringste Anzahl an Berghütten. In den Wander- und Bergvereinen sind lediglich einige wenige tausend Mitglieder eingeschrieben. 

Einige Beispiele: in Tschechien gibt es 33.000 Mitglieder und 14 Hütten; in der Slowakei 16.000 Mitglieder und 42 Hütten; in Polen 61.000 Mitglieder, 77 Hütten und 33 Campingplätze; in Slowenien 59.000 Mitglieder und 179 Berghütten und Notunterkünfte. Zu den eingeschriebenen Mitgliedern kommen in jedem dieser Länder weitere Hunderttausende verschiedener Altersgruppen hinzu, die ihre Freizeit aktiv in der Natur verbringen, die sich ehrenamtlich für den Umweltschutz oder für erzieherische Aktivitäten einsetzen. 

Es handelt sich um ein passendes angenehmes Umfeld, in dem kostenlos Generationen von ausgeglichenen, mündigen Bürger heranwachsen, die es gewohnt sind, zusammenzuarbeiten und auch anzupacken, wenn es nötig ist. Bürger, Manager, Leader... Wäre so etwas nicht auch bei uns notwendig?

Was erhoffen Sie sich von diesem Projekt?

Es handelt sich vor allem um das Fachwissen und den Ausbau der Zusammenarbeit mit anderen derartigen Vereinen in unserem Land und in Europa. Wir werden den Zustand der Berghütten in Rumänien untersuchen und begutachten. Es geht dabei um Zugangsmöglichkeiten, Lieferketten, Bautyp, Alter, Abnutzung, Lage (wie abgelegen eine Hütte ist), um ihre Energie- und Wasserquellen, wie mit dem Abwasser und dem Müll umgegangen wird, um die Öffnungszeiten und die angebotenen Dienstleistungen. 

Zweitens wollen wir eine Datenbank erstellen mit den bei Berghütten in Europa modernsten angewandten Lösungen oder mit Lösungen, die angestrebt und noch begutachtet werden (Verfahren, Ausrüstungen und geschätzte Kosten). Aufgrund dieser Infos werden die in der Umsetzung dieses Projektes eingebundenen Fachleute die besten Baulösungen festlegen, die umweltfreundlich und in Rumänien anwendbar sind. Es geht um drei Arten von Hochgebirgsbauten: Hütten für alle Jahreszeiten, Sommerhütten und Notunterkünfte. Berücksichtigt werden auch die Richtpreise. 

Drittens werden wir Vorschläge für einen landesweit gültigen gesetzlichen Rahmen ausarbeiten, der es ermöglichen soll, ein Netzwerk von umweltfreundlichen Berghütten zu errichtet. Festgelegt werden auch die Standards für Anerkennung, Zertifizierung und den Betrieb solcher Hütten.

Von wo kommt das gesamte Knowhow?

Unser Verein ist einzigartig, sogar weltweit. Er wurde 1880 in Hermannstadt gegründet, 1945 musste er seine Tätigkeit einstellen. Die Wiedergründung fand 1996 statt, und seit damals ist der Siebenbürgische Verein wieder in Rumänien tätig. Die im Laufe der Zeit nach Deutschland ausgewanderten Siebenbürger Sachsen und Rumänen gründeten 1986 einen Verein, der nach dem SKV-Muster als „Sektion Karpaten“ im Rahmen des Deutschen Alpenvereins tätig ist. Zehn Jahre später haben sie zur Wiedergründung des SKV beigetragen. 
Jetzt sind wir zwei verbrüderte Vereine, hervorgegangen aus einem gemeinsamen Stamm. Unsere engen Beziehungen, unsere Partnerschaft wird der Zusammenarbeit zur Verwirklichung dieses Projektes dienen.

Der SKV ist auch Mitglied der European Mountaineering Association (EUMA) – ein Verband, in dem der DAV führend ist und zu dessen Aufgaben auch der Zustand der europäischen Berghütten gehört. Das Fachwissen wird also über diese Schiene kommen. Das rumänische Team wird eine Bestandsaufnahme der Hütten im Land vornehmen. 

Die Kollegen von der Sektion Karpaten des DAV werden Modell-Hütten in den Alpen und in den Pyrenäen besuchen und werden Mappen mit wichtigen technischen Details erstellen. Diese werden unseren Mitarbeitern zur Verfügung gestellt. Vorgesehen sind auch weitere gemeinsame Aktivitäten.

Welches ist der nächste Schritt?

Es wird eine „Allianz für ökologische Schutzhütten und Notunterkünfte“ gegründet, in der mindestens drei wichtige Bergvereine von Rumänien Mitglieder sind. Ich denke da an SKV, CAR (Clubul Alpin Român) und an den ungarischen Wanderverein EKE. Sie werden bei der Umsetzung des Projektes zusammenarbeiten. 

Der SKV wird ein Sozialunternehmen mit Beispielfunktion gründen, das die Schutzhütten der Wandervereine verwaltet. Wir setzen auch auf eine gesteigerte Sichtbarkeit des SKV, sowohl auf Landesebene als auch international.

Was können Sie uns über die Hütten des SKV sagen?

Zurzeit sprechen wir eigentlich von einer einzigen SKV-Hütte: die „Julius-Römer“-Hütte am Schuler. Es ist die einzige der 19 SKV-Hütten, die 1945 noch in Betrieb waren und die dem Verein rückerstattet wurde. 

Mehrere Umstände – Unkenntnis der eigenen Geschichte, ein Mangel an Erfahrung und Verantwortungsbewusstsein im Vereinsleben, das Dulden des Interessenkonfliktes als Zeichen einer falsch verstandenen Freundschaft – haben dazu geführt, dass die SKV-Sektion Kronstadt, die Eigentümerin der Hütte, sich heute in einem dem Mieter unterordneten Verhältnis befindet.

Der SKV als im Aufbau begriffener Dachverband rechnet für die Zukunft mit Hütten für seine Sektionen. Es ist wichtig, dass unsere Hütten zum Nutzen aller SKV-Mitglieder bewirtschaftet werden, allen Partnervereinen zu Gute kommen und den Bergfreunden zugänglich sind. Da kann die Julius-Römer-Hütte keine Ausnahme sein.

Uns liegt hier ein umfassendes Buch zum SKV auf Französisch vor. Was hat es damit auf sich?

Es ist tatsächlich beeindruckend, sowohl vom Umfang mit 530 Seiten als auch vom Inhalt her. Es handelt sich um das Ergebnis einer beeindruckenden, groß angelegten Untersuchung – ein Band, der vor einigen Monaten in Frankreich, in einem Hochschul-Verlag erschienen ist. Die Verfasserin ist Catherine Roth, Forscherin und Hochschuldozentin für Informations- und Kommunikationswissenschaften an der Université de Haute-Alsace. 

Im Buch geht es um den SKV und seine Geschichte von der Gründung bis in die Gegenwart, um dessen einzigartige Rolle in Bezug auf die für Siebenbürgen und Europa charakteristische Gruppenidentität, um die historischen, kulturellen und gesellschaftlichen Prägungen, die der SKV in den rumänischen Karpaten und unter der Ortsbevölkerung hinterlassen hat. Ergänzend hinzu kommt das Zusammenspiel zwischen den „SKV-Erben“, die im Alpenraum leben, und ihrem neuen Wohngebiet. 

Die Verfasserin greift zurück auf eine umfassende Dokumentation in den Archiven und auf Interviews mit ehemaligen und gegenwärtigen SKV-Mitgliedern sowie Mitgliedern der Sektion Karpaten des DAV. „Naturaliser la montagne?“ (zu Deutsch etwa „Den Berg einbürgern?“) ist ein Buch von hohem akademischen Niveau.

Vielen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch!