Ein bayrischer Landwirt im Burzenland

Besuch bei Christian Rothe in Tartlau

Vor der Kulisse der Südkarpaten

Mirabela und Christian Rothe

Sohn Johann im Farmerglück Fotos: privat

Ackern im Burzenland

„Schwierigkeiten sind da, um überwunden zu werden.“ Gelassen nimmt es Christian Rothe hin, dass auf dem Werkshof von Bavaria Farming in Tartlau/Prejmer Unruhe herrscht. Die Pacht wird ausbezahlt. Besitzer kleiner und größerer Ackerflächen können wählen, ob sie in natura, also mit Weizen, oder in bar ausbezahlt werden wollen. Obwohl man sich bemüht, die Verpächter einzeln und gestaffelt zu rufen, haben sich doch mehrere gleichzeitig vor den Toren versammelt. „Hast du Platz im Auto für alle Säcke?“ und „Wollen Sie diese oder jene Auszahlung?“ wird eine ältere Frau gefragt, der man aus dem Wagen helfen muss. Ein Wächter tut grimmig und lässt die Menschen nur einzeln auf den Hof. Weil ich mit dem Chef zum Gespräch verabredet bin, lässt er mich passieren, nicht ohne über meine Angst vor dem frei umherlaufenden schönen schwarzen Hund zu grinsen.

Ja, es sind etwa 800 Verpächter in mehreren Ortschaften des Burzenlandes, die Christian Rothe und seinem Kompagnon ihren Ackerboden überlassen haben, rund 1500 Hektar. Lernt man das, mit so vielen Menschen umzugehen, oder wurde es einem in die Wiege gelegt? Er habe es gelernt, antwortet Herr Rothe und erzählt, dass er vor 2013, als er sich im Burzenland selbstständig machte, im Banat und davor drei Jahre lang in der Ukraine gearbeitet habe. „Man lernt täglich dazu, immer und immer wieder!“ Dazu gehört, gelegentlich ein Auge zudrücken zu können. Seine achthundert Verpächter, von der Witwe mit 0,15 Hektar bis zum Großgrundbesitzer, sind allesamt Menschen mit einem Schicksal. Die östliche Lebensart ist ihm vertraut und er schimpft auch nicht darüber, wie man es beinahe erwarten könnte. Den deutschen Kollegen, die sich darüber heftig auslassen, dass es in Osteuropa so anders zugeht, entgegnet er „Geh doch zurück, wenn du willst. Bist schließlich freiwillig hier!“ 

Es war Liebe auf den ersten Blick, erzählt Christian Rothe über den Neubeginn im Burzenland. Diese Landschaft, umgeben von hohen Bergen, diese alten Dörfer, diese Zeugnisse einer Jahrhunderte alten Geschichte! Der ruhige Landwirt aus Ansbach im Fränkischen gerät ins Schwärmen. Hier ist nun seine Heimat, meint er. Zwar sei gerade hier in Tartlau der Boden nicht der allerbeste, es gebe viele steinige Flächen, aber ansonsten sei das Burzenland eine fruchtbare und gute Gegend. Als es sich im August 2013 ergab, dass eine Tischlerei mit riesiger Halle am Dorfrand in Insolvenz ging, ergriff er zusammen mit einem Partner die Gelegenheit, kaufte das Anwesen und legte los. 

Zu Beginn spürte er die Freude und Erwartung der Menschen. Schafhirten, die da nichts zu suchen hätten, grasten seit Jahren auf den Äckern, ohne jeden Vertrag. So viel Boden lag in Tartlau brach! Mittlerweile steht der größte Traktor weit und breit auf seinem Hof, gelegentlich begegnet er einem auf den Dorfstraßen. Mit modernen Landmaschinen bewirtschaftet Bavaria Farming den Boden. Man muss schließlich effizient sein. Das kleine Team, mit den vier Wächtern sind es insgesamt 18 Leute, arbeitet rationell. Herr Rothe spricht mit Wärme in der Stimme von den Jungs, die für ihre Mittagspause einen Raum mit Küche sowie eine Dusche zur Verfügung haben. Hier gibt es keinen Achtstunden-Tag, der Rhythmus richtet sich nach dem landwirtschaftlichen Jahr. „Zi lumină” hieß das schon immer auf dem Dorf, der Tag dauert so lange, wie das Sonnenlicht scheint. Anbau, Pflege, Ernte, es richtet sich alles nach der Saison. In der „campanie“, wenn sehr viel zu tun ist, hat Arbeit Vorrang. Dafür gibt es eine lange Winterpause. Von Mitte Dezember bis Ende Januar ruht die Arbeit, alle bleiben daheim und der Chef fährt mit seiner Familie ins heimische Ansbach. Gute Leute sind schwer zu finden, das weiß auch Christian Rothe. Alle zwei Jahre führt er seine Jungs nach Hannover, zur weltgrößten Messe für Landmaschinen. Gemeinsame Grillabende und kleine Feiern sorgen für ein gutes Betriebsklima. Stolz erzählt er, dass es kaum Wechsel in der Belegschaft gäbe, selten eine Entlassung.

Die Familie ist sein ganzer Stolz, sein Rückhalt und fester Anker, gerade auch in Zeiten, wo jeder Tag unerwartet Schwierigkeiten bringen kann. Ehefrau Mirabela, die er im Banat kennenlernte, arbeitet mit. Sie hat ein Computerprogramm erstellt, mithilfe dessen die komplizierte Auszahlung aller Verpächter möglich wird. Sohn Johann ist mit seinen vier Jahren schon oft auf dem Traktor gesessen. Er wächst zweisprachig auf und hat doch neulich, es sei kaum zu fassen, dem Vater beim Übersetzen geholfen, weil er ein Wort kannte, das dem Papa nicht geläufig war! Am liebsten sähe es Vater Rothe, wenn der Filius auch Ungarisch lernen könnte, zum Beispiel von der Tagesmutter. Es gäbe ja hier im Burzenland nicht wenige Beispiele für diese imponierende Dreisprachigkeit!

Besuch von Freunden und Familienmitgliedern sind auch in Pandemiezeiten nicht ganz ausgeblieben. Im Deutschen Wirtschaftsklub ist er ein gerngesehenes Mitglied. Mit den Landwirten aus Deutschland, die in Rumänien arbeiten, ist er gut vernetzt. Man tauscht sich aus, man berät sich. Gerade jetzt, wo die Gesetze zum Bodenerwerb sich verändern, braucht er auch kompetente juristische Beratung. In seiner ruhigen Art sieht Christian Rothe dem aber gelassen entgegen. Es sei keine Rede von Enteignung, wie einige nervös behaupteten. Besitz bleibe Besitz. Man werde sehen. „Schwierigkeiten sind da, um überwunden zu werden.“ Zur Dorfgemeinschaft – das hat er sich anfangs anders vorgestellt – hält er einen freundlichen Abstand. Auch die anfänglichen Geburtstags-Einladungen seitens des Bürgermeisters haben ein Ende gefunden. Das sei schon anders als im korrekten Deutschland! Rothe lässt ein kleines Lächeln sehen.

Christian Rothe erklärt das Logo von Bavaria Farming: ein Erntedank-Korb, aus dem Rüben, Mais und Weizen üppig hervorquellen. Viehzucht betreibt Bavaria Farming nicht. Links vom Korb grüßt das weiß-blaue bayrische Rautenmuster, rechts die rumänische Fahne rot-gelb-blau. 
Corona hat wenig Einfluss auf seinen Alltag. Der Raps, preislich an Diesel gebunden, war zwar kein Erfolg, dafür boomte es beim Weizen. Die Rüben, vor allem die auf steinigem Boden, bemerkt er bei unserem Besuch im letzten September, könnten noch eine Portion Regen vertragen. Zwei Tage später goss es vierundzwanzig Stunden lang vom Himmel. Das Jahr 2020 hat auch viel Gutes gebracht!