Ein Beispiel bürgerlichen Einsatzes

Noch nie dagewesene Freiwilligenbewegung zählt mittlerweile über 6100 Mitglieder

Smaranda Bălan bringt sich seit Jahren für die Hermannstädter Gemeinschaft ein, sei es durch die Teilnahme am vormaligen stillen Protest „Vă vedem din Sibiu“ oder am jährlichen internationalen Marathon in Hermannstadt. Foto: Facebook/Smaranda Bălan

Die Freiwilligen von „Vă ajutăm din Sibiu” stehen dem Gesundheitsamt, dem Roten Kreuz, dem Inspektorat für Notsituationen und dem Kreiskrankenhaus zur Seite. Hier nahmen sie an einer Aktion zur Verteilung von Lebensmittelpaketen teil.

Logo von „Vă ajutăm din Sibiu“: Der Hermannstädter Künstler Dan Perjovschi schloss sich von Anfang an der Initiative an und verlieh ihr ein angemessenes Erscheinungsbild. Fotos (2): Facebook/Vă ajutăm din Sibiu

Die Hermannstädter Alin Deteșan, Radu Iamandi, Petre Vingărzan und Diana Iamandi-Gido stellen zusammen mit weiteren Freiwilligen Gesichtsschutzschirme her, die an die Hermannstädter Krankenhäuser gespendet werden sollen. Foto: Facebook/Radu Iamandi

Die Vertreter von „Vă ajutăm din Sibiu“ und der Hermannstädter Filiale des Roten Kreuzes stehen in engem Kontakt zur jeweiligen Leitung des Gesundheitsamtes, des Kreisrates und des Kreiskrankenhauses. Foto: Facebook/Smaranda Bălan

Als sich Anfang März abzeichnete, dass Rumänien nicht von der Coronavirus-Pandemie verschont bleiben würde – und damit sicher auch nicht Hermannstadt/Sibiu, und dass aufgrund der schrittweise eingeführten Einschränkungen zahlreiche Bürger Hilfe bei der Beschaffung von Lebensmitteln und Medikamenten benötigen würden, beschloss die Hermannstädterin Smaranda Bălan, die Bürgerbewegung „Vă ajutăm din Sibiu”, die erste ihrer Art im Land, ins Leben zu rufen. Über die mit dem Freiwilligendienst verbundenen Aufgaben und Herausforderungen sprach Smaranda Bălan mit ADZ-Redakteur Vlad Popa.

Wie kam die Idee zustande, die Initiative „Vă ajutăm din Sibiu” ins Leben zu rufen und wie ist sie zu dem geworden, was sie jetzt ist?

Die Gemeinschaft, die „Vă ajutăm din Sibiu” ausmacht, war sicherlich schon lange da, bevor sie diesen Namen annahm und bestand aus der Menge der mutigen und einsatzbereiten Bürger der Stadt. Was ich tat, war, an einem Dienstag einen Aufruf auf Facebook zu posten und zu beginnen, Freiwillige für die schweren Tage zusammenzubringen, die folgen sollten. An dem Tag hatte ich mich mit einer Dame in Verbindung gesetzt, deren Kinder sich in Deutschland niedergelassen haben und die Hilfe bei ihren Einkäufen brauchte. Ich habe mir gedacht, dass wahrscheinlich viele Familien in dieser Lage sind und habe so die Idee auf Facebook öffentlich gemacht. Sie verbreitete sich sofort wie ein Lauffeuer und wurde in nur einigen Stunden dutzende und dann hunderte Male geteilt. So kam ich dann auf den Gedanken, eine Bürgerinitiative zu gründen, die der Gemeinschaft für die Dauer der Krise beistehen soll. Wir dachten anfangs, dass wir nur einige sein werden, doch zählt die Gruppe mittlerweile über 6100 Mitglieder.

Welche Aufgaben erfüllen Ihre Freiwilligen?

Als ich sah, dass die Initiative so richtig ins Rollen kommt, wandte ich mich an eine im Bereich des humanitären Freiwilligendienstes erfahrene Nichtregierungsorganisation, die Hermannstädter Filiale des Roten Kreuzes. Wir haben Formulare zur Anwerbung von Freiwilligen ausgearbeitet und ausgehend von den erhaltenen Antworten ein Fundament aus qualifizierten Freiwilligen gebildetes gelegt, die verschiedene funktionelle Bereiche abdecken. Die „organisierten Freiwilligen” helfen beim Sortieren der Lebensmittelpakete, die an die Lebensmittelbank des Roten Kreuzes gespendet werden. Die „mitfühlenden Freiwilligen” bieten ihre Hilfe Personen an, die auf unserer Facebook-Seite darum bitten. Die „mutigen Freiwilligen” gehen mit den Mannschaften oder Vertretern des Gesundheitsamtes in Quarantäne-Zentren. All diese begleitet die Gruppe der „freiwilligen Psychologen”, die qualifizierte Fachkräfte umfasst und die sich unserer Initiative angeschlossen haben, um die in Quarantäne befindlichen Personen zu betreuen.

Wie verläuft die Zusammenarbeit mit dem Lokalen Ausschuss für Notsituationen, dem Hermannstädter Kreisrat und dem Kreiskrankenhaus?

Wir hatten von Anfang an eine äußerst offene Zusammenarbeit mit dem Hermannstädter Kreisrat und der Kreisratsvorsitzenden Daniela Cîmpean, mit dem Chefinspektor des Inspektorates für Notsituationen und der Hermannstädter Präfektur und versuchen, die beste Art der Kooperation zwischen den Behörden und der Gemeinschaft zu ermitteln.

Wie können die Senioren, die über kein Facebook-Konto oder keinen Internetzugang verfügen, von Ihrer Initiative erfahren?

Zurzeit erhalten wir Facebook-Mitteilungen von Leuten, die nicht in derselben Stadt wie ihre Eltern wohnen und die sich vergewissern wollen, dass diese mithilfe eines Freiwilligen gut versorgt werden können. Dann gibt es noch eine vom Bürgermeisteramt eigens hierfür eingerichtete, kostenlose Telefonverbindung, die für Personen im Alter von über 65 Jahren bestimmt ist. Zusätzlich bereiten wir unsere eigene Call-Center-Verbindung vor, die uns helfen wird, Anfragen von Senioren - der Großeltern, wie wir sie nennen - entgegenzunehmen.

Haben Sie sich inzwi-schen mit besonderen Fällen auseinandergesetzt, die erwähnt werden sollten?

Es treten die verschiedensten Fälle auf, wo wir eingreifen sollen, gemeinsam mit dem Gesundheitsamt, in einem der Quarantänezentren oder um die Ressourcen an Gutem in der Stadt zu verbinden, beziehungsweise den Wunsch, Lebensmittel zu spenden mit dem Bedarf an verschiedenen Produkten, aber auch durch die Hilfe, die ich erwähnte, den Bürgern die Beschaffung der notwendigen Einkäufe zu ermöglichen. Diese Tage hat beispielsweise ein Herr Verbindung mit uns aufgenommen, der eine Farm in Großau/Cristian betreibt und der mit unserer Hilfe dem Kreiskrankenhaus 1,5 Tonnen Kartoffeln gespendet hat. Es ist jedes Mal faszinierend, zu sehen, wie Menschen, die sich vorher nicht kannten, im Zeichen der menschlichen Solidarität zusammenkommen, zusammenarbeiten und all ihre Fähigkeiten zusammenlegen. Es ist auch vorgekommen, dass uns jemand um Hilfe gebeten hat, der eine alte Dame pflegt und dem es nicht mehr gelang, sie hochzuheben. Ein weiterer Fall war die Bitte einer Person, dringend bei der Versorgung mit Lebensmitteln behilflich zu sein, nur um später feststellen zu müssen, dass die betroffene Person eine junge Dame war, der es gerade nach Schoko-Maiskringeln (Pufule]i) gelüstete. Wir haben nicht die Möglichkeit, alle Anfragen zu prüfen, die an uns gerichtet werden; in diesen Augenblicken verlassen wir uns auf den gesunden Menschenverstand und das Gewissen unserer Mitmenschen.

Haben Sie Kenntnis von der Lage in den Orten um Hermannstadt? Kommen Anfragen aus dem ländlichen Bereich?

Wir haben Kenntnis auch von den verschiedensten Situationen im ländlichen Bereich. Anfragen stellen diesbezüglich meist Einrichtungen, die Personen betreuen, die am Wohnsitz isoliert sind. Noch haben wir uns nicht der Koordination dieser Fälle angenommen, aber nach ihrer Bündelung könnten wir im Rahmen des Lebensmittelbank-Programms des Roten Kreuzes die Aufgabe übernehmen, Lebensmittel auch an die Bedürftigen im ländlichen Bereich zu verteilen.

Was sind jetzt die dringendsten Bedürfnisse von „Vă ajutăm din Sibiu”? Kann Ihnen die Hermannstädter Gemeinschaft irgendwie beistehen?

Die unmittelbaren Bedürfnisse bestehen darin, mit den Verwaltungseinrichtungen und der Gemeinschaft eine Datenbank jener Personen zusammenzustellen, die unserer Hilfe bedürfen. Dann ist das Rote Kreuz eine Nichtregierungsorganisation, die Spenden braucht, um die Grundnahrungsmittel zu kaufen, von denen ich sprach. In den letzten Tagen kam auch immer wieder der Aufruf, auf die Notwendigkeit von Blutspenden hinzuweisen. Es besteht ein akuter Blutmangel im Gesundheitssystem und ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um diesen Aufruf weiterzuleiten.

Haben Sie eine Botschaft für die Hermannstädter Gemeinschaft?

Unsere Botschaft ist eine einzige: #stațiacasă (bleibt zuhause)! Nutzen Sie die Ressourcen der Gemeinschaft mit gesundem Menschenverstand und stehen Sie ihren Mitmenschen zur Seite, wenn sich Ihnen die Gelegenheit bietet, zu helfen.