Ein politisches Harakiri

Die PSD hat ihren Misstrauensantrag vom 31. August ad absurdum geführt und sich ins eigene Fleisch geschnitten. Der Präsident des Abgeordnetenhauses und frischgebackene Parteivorsitzende, der 52-jährige Ion-Marcel Ciolacu aus Buzău, hat den Ast, auf dem er und seine Partei sitzt, am stammseitigen Ende angesägt. Die Forcierung des Misstrauensantrags könnte sein politisches Ende einleiten.

Schwer zu glauben, dass nach einem so lamentablen Agieren des PSD-Vorsitzenden in einer Partei, die seit ihrer Gründung ununterbrochen ihre Exponenten frisst, jemand lange überlebt. Dabei wird wohl nicht der weich-biegsame Ex-Premier Sorin Grindeanu ihn vom Thron stupsen, wohl aber die Oberbürgermeisterin von Bukarest, die hoch ambitionierte Gabriela Firea-Pandele – sollte sie am 27. September noch einmal das Rennen machen. Sie hat den Biss, die Gunst der Stunde zu nutzen und ihren Parteichef abzulösen. Den Anlass lieferte ihr Ciolacu schon, indem er die Lage falsch interpretierte. Wer andern eine Grube gräbt... Man wird ihn wohl die paar Monate dieses Wahlherbstes gewähren lassen.

Das Misstrauensvotum war in erster Linie völlig unnötig, ein paar Monate vor den Parlamentswahlen und unter Umständen, wo jeder wusste, dass das Verfassungsgericht (VG) erstmal die Klage des Regierungschefs Ludovic Orban verhandeln musste – der eh so lange im Amt geblieben wäre, bis die Klage mit einem Urteil des VG eine Lösung gefunden hätte. Also wenn schon, dann hätte Marcel Ciolacu – und sei es auch nur so, für seine persönlichen Ambitionen – ruhig bis nach dem 1. September warten können, um das Misstrauensvotum in der regulären Tagungszeit des Parlaments zu verlesen und nicht in der außerordentlichen – der Ansatzpunkt Orbans für die Verfassungsklage. Zudem war die Chance, dass das PSD-ausgerichtete VG Orban diesmal nicht Recht gegeben hätte, extrem gering. Also wäre die PNL-Regierung auch mit einem für die PSD glimpflich ausgegangenen Abstimmungsergebnis ziemlich sicher im Amt geblieben. Nicht zuletzt: Die Verfasser des Textes des Misstrauensvotums haben einen Stuss zusammengeschrieben, aus dem niemand klug wird, erst recht nicht die Mehrheit der intellektuell nicht übermäßig herausragenden Volksvertreter. Und: der Text ignoriert im Ton und Duktus die Tatsache, dass er auch fürs Wählervolk akzeptabel sein müsste: Die Stimmung – mit Pandemie, Restriktionen (um deren Notwendigkeit man weiß), drohender Wirtschafts- und hochkochender Gesundheitskrise und dem Damoklesschwert von Einkommenseinbußen – fordert im Volk Ruhe statt politische Umstürze um der Umstürze willen.

Die PSD-Spitze hat sich mit ihrem Misstrauensvotum – über das gar nicht abgestimmt wurde, was wohl das Jämmerlichste an dieser Demarche war! – politisch stümperhaft verhalten. Schon allein dadurch, dass sie so siegessicher war, dass sie auf Alliierte verzichtete (wär‘ auch schwer gewesen, wo der Ungarnverband sich bereits für die postelektorale Allianz mit dem voraussichtlichen künftigen Wahlsieger PNL vorbereitet und wo die Pro România alles tut, um ihre Ursprungspartei PSD zu schwächen, selbst mit dem Preis eines politischen Harakiri). Auf alle Fälle „bewies” PSD-Chef Ciolacu, dass sein Ruf, ein exzellenter Strippenzieher zu sein, keinerlei Grundlagen hat.

Und die PNL? In erster Linie steigt die Zahl der Überläufer zur PNL aus den Reihen der PSD-Bürgermeister unaufhaltsam – Vorwahlstimmung... Und die von der PNL eingesetzten Präfekten schmeißen die Überläufer nicht aus dem Rennen für eine Wiederwahl, wie es das Gesetz verlangt (die Ausnahme in Karasch-Severin geht auf Ressentiments der PNL gegenüber ihren eigenen Leuten zurück). Bleibt abzuwarten, ob und wie die PNL den vor allem durch ihre Schuld vermasselten Schulbeginn verkraften wird – ob die Elternschaft ausreichend vergrault wurde, um sich von der PNL abzuwenden.

Wenden zu wem?