Eine Welt der Erinnerungen in Bildern

Călin Beloescu – ein Künstler der Postmoderne

Călin Beloescu. Zu seinen Vorbildern gehören u.a. Robert Rauschenberg, Mark Tobey und Mark Rothko.

Călin Beloescu: „Garten mit trockenem Gras“, 2013

Călin Beloescu: „Die Verhandlung“, 2015

Călin Beloescu: „Für David“, 2015
Fotos: privat

Eine Frau und zwei Männer, die in einer Runde zusammensitzen und deren heiteres Gespräch plötzlich unterbrochen wurde, oder einzelne Figuren aus verschiedenen Kontexten, auf einen ersten Blick vielleicht etwas entfremdend wirkend, die aber in ein Kommunikationsverhältnis zusammengebracht werden. Es handelt sich dabei um die Arbeiten „Der Vorschlag“ und „Die Verhandlung“, die der Künstler und Professor Călin Beloescu in der unlängst in der Helios-Galerie veranstalteten Ausstellung „Heptacromia III“ der Lehrkräfte der Malerei-Abteilung an der Temeswarer Kunsthochschule dem Publikum präsentierte. „Die Verhandlung“ zeigt seine Vorliebe für die Collage, eine Technik, die er bereits vor seinem Kunststudium angewandt hatte. Er kreiert Landschaften, Stillleben, dekonstruiert Bilder, spielt mit Fragmenten, stellt sie zusammen und erzählt Geschichten. Im Laufe der Jahre beschäftigte sich der Künstler nicht nur mit der Malerei, sondern experimentierte u.a. auch mit Installationen, Performance und neuen Medien.

Auf der Olimpiadei-Straße, parallel mit dem Take-Ionescu-Boulevard, ein fünfgeschossiger Plattenbau, im obersten Stockwerk mehrere Künstlerateliers von Grafikern, einem Bildhauer, darunter auch das des Malers Călin Beloescu. Ein kleiner Flur, links eine Küche, rechts ein Bad, führt geradeaus zum Atelier des Malers. Eine minimalistische Einrichtung: vor dem Fenster eine Couch, davor ein fast genauso langer niedriger schwarzer Tisch, ein Stuhl, ein Holzgerüst mit Leinwänden an einer Wand, die als Staffelei dient, ein „Work in process“, ein Werk, an dem der Maler gerade arbeitet. An den Wänden einige Gemälde, darunter ein kleines Selbstporträt und ein Foto mit Petra, der jungen Tochter des Künstlers, auch eine Nachbildung von Caravaggios „Abendmahl in Emmaus“. Eine Bestellung, präzisiert der Künstler.

Kunst-, Musik- und Deutschunterricht

Der 1953 in Klausenburg geborene Maler stammt keineswegs aus einer Künstlerfamilie, seine Eltern waren Lehrer, der Vater unterrichtete Geschichte und Geografie und die Mutter Naturwissenschaften. Im Alter von zehn-elf Jahren zog er mit den Eltern nach Turnu-Severin, wo die Familie seiner Mutter ein Haus hatte. „Prozentmäßig“ fühlt sich der Künstler mehr als Banater, im Banat hat er größtenteils sein Leben auch verbracht. Ferner stammten die Großeltern väterlicherseits aus Bozovici in der Almascher-Senke im Südbanat, die Eltern der Mutter, eine gebürtige Lugoscherin, kamen ursprünglich aus Oltenien.

In Turnu-Severin sollte er sein Abitur absolvieren und anschließend einem Philologiestudium nachgehen, eine zweimonatige Erkrankung im letzten Studienjahr soll ihn aber davor „gerettet“ haben. Seine kreative Seite zeigte sich schon im recht jungen Alter: er zeichnete, malte, bastelte Objekte. „Es war meine Leidenschaft schon seit der Kindheit, meine einzige Leidenschaft, nicht nur das Zeichnen, sondern alles, was mit Kunst, mit dem Schaffen verbunden war. Ich wurde auch dazu ermuntert, beginnend mit der Lehrerin in der Schule bis zu den Bekannten meiner Eltern“, erzählt der Künstler. Die Mutter, eine große Musikliebhaberin, erhoffte sich für den einzigen Sohn ein musikalisches Talent und ermutigte ihn eher in diese Richtung, schildert Călin Beloescu. So erhielt er vier Jahre lang privaten Klavierunterricht in der Stadt an der Somesch, mit dem Umzug nach Turnu-Severin jedoch scheiterte das Vorhaben. Demselben Schicksal unterlag auch das Projekt Deutschunterricht, denn „Deutsch war damals in Klausenburg die modische Fremdsprache“.

Aus Mangel eines Kunstlyzeums in Turnu-Severin musste er sich mit den im allgemeinen Lehrplan vorgesehenen Zeichenstunden an der Schule zufrieden geben. Außerdem besuchte er noch die Kunstschule in der Stadt, wo die Künstlerinnen und Schwestern Puica und Alexandra Popescu unterrichteten. „Sie waren allbekannt in der Stadt, zwei Damen von der alten Schule, für die die Kunst der Zwischenkriegszeit von größter Bedeutung war und die die moderneren Werke eher mit Toleranz als Begeisterung begrüßten“, erinnert sich Călin Beloescu lächelnd.

Kunststudium, Kunstschaffen, Lehrer

Um weiterhin Kunst zu studieren, kam er nach Temeswar. Die Aufnahmeprüfung an der dreijährigen Kunsthochschule am Pädagogischen Institut in der Stadt an der Bega bestand er erst im zweiten Anlauf, 1973, nach einer längeren Vorbereitungsphase mit dem jungen Künstlerpaar Elisabeth (Lili) und Valeriu Sepi, die einige Jahre später nach Deutschland umsiedeln sollten. Eine enge Beziehung zu den beiden Künstlern verband ihn auch danach, denn die mit ihnen verbrachte Zeit war „eine ganze Welt, eine Art Essenz von all dem, was am Schönsten in diesen Jahren in Temeswar sein konnte“. Dazu trugen auch die Besuche der ausländischen Freunde der bekannten Phoenix-Rockgruppe, in der auch der Maler Valeriu Sepi mitgewirkt hatte, bei. „Es war eine Mischung von Flower Power, Kunst und Musik, etwas, das nach Okzident roch.“

Sein Studium begann er aber erst 1974, denn er gehörte zur ersten Studentenserie, die den Militärdienst noch vor dem Hochschulstudium und nicht danach leisten musste. Seine Lehrer an der Kunstfakultät waren Romul Nuţiu (Farbenlehre und Bildkomposition) und Aurel Breileanu (Zeichnen), wobei der Letztere auch Gründer der damaligen und der jetzigen Kunsthochschule in der Stadt an der Bega war. Romul Nuţiu, der auch grafische Techniken unterrichtete, nahm eine wesentliche Rolle hinsichtlich der Gestaltung der Bildkomposition ein: „Er hatte eine sehr lockere Art und Weise, die Dinge anzugehen, mit der Komposition umzugehen, was recht vorteilhaft für mich war, denn ich hatte schon bei der Familie Sepi mit dem Erstellen von Collagen begonnen“.

„Während des Kunststudiums hatte ich zum ersten Mal Spaß an der Schule, ich mochte alles daran, es war eine Zeit, in der ich mich wohl in meiner Haut fühlte“, sagt der Künstler. 1977 absolvierte er das Kunststudium und arbeitete dann fünf Jahre lang im Designerteam des Electromotor-Betriebs. Die folgenden zwei Jahrzehnte, in denen er als freischaffender Künstler tätig war, waren „die schönste Zeit“. Der Umsturz des politischen Regimes brachte Veränderungen mit sich: die Inflation, die Geldentwertung, alle Preise, die Kosten für den Lebensunterhalt sind gestiegen, die den Maler veranlassten, ein Lehreramt zu bekleiden. Nach der Vervollständigung des Kunststudiums begann 1996 seine Lehrertätigkeit an der wiedergegründeten Kunsthochschule in Temeswar, wo er auch derzeit als Professor unterrichtet.

„Am Anfang der 1990er-Jahre waren die Lehrer begeistert über die Neugründung der Kunsthochschule. In den ersten Jahren gab es sehr enge Beziehungen zu den Studenten“, erinnert sich der Künstler nostalgisch – eine Zeit, in der nur fünf-sechs nicht gebührenpflichtige Studienplätze bei jeder Fachrichtung zur Verfügung standen, woraufhin nur die sehr gut vorbereiteten Studenten zugelassen wurden. Die Einführung der vielen gebührenpflichtigen Plätze sollte diese Lage grundsätzlich ändern, bedauert Călin Beloescu, der auch das Interesse der Studenten eher an „Beziehungen“, an den Umgang mit bestimmten Leuten, als am eigentlichen Kunststudium erwähnt.

Sehnsucht nach dem Haus der Großeltern

Mit den meisten seiner Werke ist eine persönliche Erfahrung verbunden: „Das Thema einer Arbeit kommt irgendwo aus dem Inneren, aus der Erinnerung, aus dem Versuch, manche Sachen, die zur persönlichen Geschichte gehören, wiederherzustellen.“ Verschiedene Begebenheiten, Orte, in denen der Künstler gelebt oder kurzfristig verweilt hat, finden sich in den Malereien wieder oder „wiederholte Versuche, wie beispielsweise das Stillleben, ein Steckenpferd und eine Leidenschaft zugleich. Auch heutzutage fertige ich gerne Stillleben an, aber es sind nicht dieselben wie vor 30 Jahren. Trotzdem ist etwas aus der damals wiedergegebenen Atmosphäre, ein gewisser Eindruck, ein gewisses Licht haften geblieben.“ Städte und Landschaften, die der Künstler verewigt hat, sind u.a. Turnu-Severin, Herkulesbad und die Donauschluchten, die „ein bestimmtes Licht, eine Metaphysik, etwas Balkanisches, kennzeichnend für die Südgegend, das beispielsweise Temeswar nicht hat, aufweisen“.

Ein Lieblingsmotiv ist das Haus der Großeltern in Bozovici, wo der Künstler seine Kindheit verbracht hat. Ihm widmete er eine Serie von Arbeiten, die er in den 1980er-Jahren auch ausstellte. Er fertigte sogar ein Holzmodell nach dem großen Eckhaus mit elf Räumen und Innenhof an, wo er jedes Detail sorgfältig nachgebildet und das Haus auch weiter ausgebaut hatte, denn „ich träumte davon, das Haus wiederherzustellen, aber es wurde verkauft, es gehört mir nicht mehr.“ Dieses Projekt, war „ein wesentlicher Moment und eine Offenbarung in meinem Künstlerleben“, verriet Călin Beloescu. Es bedeutete auch einen Wendepunkt in der Darstellungsweise des Malers. Seinen Traum konnte er später mittels eines anderen Hauses ebenfalls im Südbanat verwirklichen: ein Haus in Tschiklowa bei Orawitza, das der Familie seiner ersten Frau gehörte, der Malerin Daniela Orăviţan, die nicht im ländlichen Raum wohnen wollte und es ihm geschenkt hatte. Dieses Haus konnte der Künstler umbauen und sich ein Studio hier einrichten.