Erasmus-Schauspielworkshop öffnet Welten

Wiener Professoren und Schauspielstudenten in Temeswar

Workshopszene mit Daciana Voinescu (links im Bild) und Peter Rahmani

Im Theaterstudio des Studentenkulturhauses: Ioana Niţulescu (rechts im Bild) und Marius Muth.

Um „das Reduzieren auf das Wesentliche, auf die Essenz, und gar nicht viel erzählen“ ging es Monika Weiner (links im Bild) beim Workshop.

Die Wiener Studenten begeisterten sich auch für die Stadt an der Bega, ihre Geschichte und die alten Bauten in der Innenstadt. Im Bild auch Estera Stenzel (obere Reihe dritte von rechts) und Monika Weiner (vordere Reihe erste von rechts)
Fotos: privat

Workshop im Studentenkulturhaus Temeswar/Timişoara. Im zweiten Geschoss ein improvisiertes Theaterstudio. Nur künstliches Licht fällt von den an der Decke montierten Spots herunter, schwarze Gardinen bedecken die Außenwand mit den Fenstern und die angrenzende Wand. Schwarz ist auch der Parkettfußboden, teilweise abgenutzt. An einer anderen Wand stapeln sich Bänke, Stühle, wobei die vierte mit zahlreichen kleinformatigen Plakaten tapeziert ist. Auf dem Boden einige Ausstattungsgegenstände verstreut: kissenförmige Säcke, ein Rucksack, eine schwarze Tasche, ein Strauß Kunstblumen. Fünf junge Leute auf der „Bühne“, drei sitzend, zwei stehend. Es wird geprobt. Eine Szene ist beendet, die Gruppe verschwindet hinter dem schwarzen Vorhang, eine neue tritt auf und die nächste Szene beginnt. Zwei Erzähler flankieren die Bühne. Der einleitende Text der anstehenden Szene wird von den Erzählern jeweils auf Deutsch, dann auf Rumänisch vorgetragen. Gespielt wird jedoch auf Deutsch.

Die Gestalten sind drei Wanderschauspieler, Smirnov, Popov und Balabaikin, die eine Brieftasche voller Geld finden. Daraufhin planen alle, sich gegenseitig umzubringen: Popov seine zwei Reisegefährten, die ihrerseits komplottieren, Popov zu ermorden. Zum Schluss kommen alle ums Leben. Die Moral: „Wenn Schauspieler mit Tränen in den Augen über ihre Gefährten sprechen, wenn sie Freundschaft und gegenseitige ‚Solidarität‘ erwähnen, wenn sie euch umarmen und küssen, seid misstrauisch.“ Um die Moral zu veranschaulichen, umarmen sich lachend die Schauspielstudenten, Mädchen und Jungen, die alle die männlichen Gestalten des Stücks interpretierten.

West-Universität lehrt Schauspiel auf Deutsch und Rumänisch

Es ist eine von Anton Tschechows zahlreichen Kurzerzählungen, „Die Brieftasche“, die hier von Studenten der deutschen und rumänischen Schauspielabteilung an der Musik- und Theaterhochschule der West-Universität Temeswar und Studierenden der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien gespielt wird. Dies unter der aufmerksamen Leitung von Estera Stenzel, Professorin an der Wiener Privatuniversität. Der Schauspielworkshop mit den österreichischen Studenten ist über einen Erasmus-Austausch auf Initiative von Eleonora Ringler-Pascu, Professorin an der deutschen sowie rumänischen Schauspielabteilung in Temeswar, zustande gekommen.

Estera Stenzel betont auch die sofortige Unterstützung des Projektes durch die Dekanin der Wiener Privatuniversität: „Wir haben unsere Leiterin, Dr. Karoline Exner, angesprochen und sie war sofort einverstanden, weil Wien eine offene Stadt ist und wir auch sehr nah an Rumänien sind. Wir dachten sofort, dass das auch für uns sehr spannend wäre, zu sehen, wie die deutsch- und rumänischsprachigen Schauspielstudenten ticken und so haben wir dieses Projekt für sie zusammengestellt“. Estera Stenzel stammt ursprünglich aus Hermannstadt, absolvierte 1982 die damals einzige rumänische Schauspielschule in Bukarest und spielte anschließend fünf Jahre am Nationaltheater in Temeswar. 1987 siedelte sie nach Deutschland und später dann nach Österreich um.

Äußerst motiviert fühlt sich Ioana Ni]ulescu, Studentin im zweiten Studienjahr bei der Deutschen Schauspielabteilung, vom Workshop mit den acht Schauspielstudenten aus Wien, die eine „neue Energie“ mit sich brachten. „Mit neuen Leuten zu arbeiten, zusammen Szenen zu proben, auch dass wir zusammen in zwei Sprachen etwas aufgebaut haben, denn Estera Stenzels Workshop war auf Deutsch und Rumänisch,“ findet die 20-Jährige „richtig toll“. „Ich schätze mich glücklich, dass ich die Chance hatte, auch mit neuen Leuten zu arbeiten“, schließt Ioana Niţulescu. Die Wiener Schauspielstudentin Sofia Falzberger bewundert ihrerseits die rumänischen Studenten von der deutschen Schauspielabteilung, davon einige, die zuvor überhaupt nicht Deutsch gesprochen haben, die Sprache noch lernen und trotzdem in dieser Sprache spielen: „Wenn ich mir das vorstelle, dass ich in einer Sprache spiele, die ich gar nicht spreche, ist es doch sehr bewundernswert, dass sie es so lernen.“

Deutsches Theater in Temeswar

„Diese Art von Reise ist doch etwas Besonderes, weil man in ein anderes Land fährt, um da Theater zu spielen, das verbindet und ich finde, das ist etwas sehr Besonderes“, äußert sich Dominik Dos-Reis, ebenfalls Student an der Musik und Kunst Privatuniversität in Wien, zum Erasmus-Austausch in Temeswar. „Ja, allein, dass es hier ein deutsches Theater gibt, ist Wahnsinn, denn das bekommt man in Deutschland oder Österreich gar nicht mit“, sagt Ferdinand Nowitzky, ein anderer Wiener Student, überrascht von der Existenz des Deutschen Staatstheaters in Temeswar (DSTT). Dies, da innerhalb des Austausches nicht nur Workshops unter der Leitung der beiden Schauspielprofessorinnen Estera Stenzel und Monika Weiner sondern auch vier Theaterbesuche – „Fuchsiade“ von Urmuz, „Elektra“ von Euripides und Aischylos, „Eigentlich schön“ von Volker Schmidt und „Hotel PM“ von Andrea Gavriliu – geplant waren.

Ferdinand Nowitzky erklärt sich auch erstaunt über den „ganz eigenen Stil“ der „Fuchsiade“ nach Urmuz, einer Theaterinstallation von Helmut Stürmer, begleitet von Silviu Purcărete aus dem DSTT-Programm, „den ich auch noch nicht in Deutschland oder Österreich gesehen habe: mit Masken, viel Musik und großen Übertreibungen. Es war ein Theaterabend, der sehr kurz, aber knackig war und das finde ich super.“ Teilweise irritiert, teilweise begeistert über die „Fuchsiade“ zeigte sich Marius Muth, auch ein Wiener Schauspielstudent: „Das hat mich zum Teil sehr irritiert und nach dem Stück haben wir uns darüber unterhalten, dann ist mir auch eingefallen, dass dieser Dadaismus das wahrscheinlich wollte, mich total zu verschrecken, zu irritieren oder auch zu begeistern.“

Sprache – Körper - Bewegung

„Wir haben eigentlich am Nonverbalen gearbeitet, wie die Verständigung ohne die Sprachbarriere passieren kann und ich finde, dass binnen kürzester Zeit eine totale Enge da war und eine Bereitschaft, sich auf körperlichen Kontakt einzulassen“,  sagt Monika Weiner, die für den Bewegungsunterricht an der Wiener Schauspieluniversität zuständig ist. „Es war für mich eine tolle Erfahrung, so schnell in Kontakt mit fremden Menschen zu kommen und auch zu beobachten, wie unsere Studenten schnell den Kontakt finden und ein Austausch passiert“, fügt Monika Weiner hinzu, die auf Englisch unterrichten musste, da auch Studenten der rumänischen Schauspielabteilung in Temeswar am Workshop beteiligt waren. Einer davon ist Claudiu Şurmei, der sich auf die Zusammenarbeit mit den Wiener Studenten sehr gefreut und viel von ihnen gelernt hat: „Sie haben einen sehr guten Körperausdruck und manchmal verständigen wir uns auch, ohne die Sprache zu verstehen“.

Claudiu Patcău studiert ebenfalls an der rumänischen Schauspielabteilung und verweist auf die ähnliche Arbeitsweise der Wiener Studenten und die leichte Verständigungsmöglichkeit, ohne die deutsche Sprache zu kennen. „Das hat natürlich mit mir zu tun, weil ich die rumänische Theaterschule absolviert habe, auch als Schauspielerin fünf Jahre lang am Nationaltheater hier gewesen bin und im Denken und in der Spielweise sehr körperlich bin. Für mich ist der Körper sehr wichtig und das ist eine Sache, die verbindet“, erklärt Estera Stenzel. „Der Workshop, geleitet von den Professorinnen Estera Stenzel und Monika Weiner, erwies sich als wahrer Gewinn für alle Beteiligten“, äußert sich Eleonora Ringler-Pascu von der Musik- und Theaterhochschule in Temeswar dazu. „Die Begeisterung der Wiener und Temeswarer Studierenden ist der beste Beweis dafür, dass Projekte dieser Art sehr wertvoll sind, denn sie öffnen Welten“, schließt Eleonora Ringler-Pascu.