Forstfeind Borkenkäfer in Aktion

Trotzdem Glaubwürdigkeitsprobleme bei Kahlschlag auf Dutzenden Hektar

Im Nationalpark Semenik-Karasch-Schluchten haben Umweltschützer diese Tage mittels Flugdrohnen rund drei Kilometer vom Zentrum der Gemeinde Franzdorf/Văliug eine über 40 Hektar große Fläche mitten im Vollschutzgebiet gefilmt und der Öffentlichkeit präsentiert – dort wurde brutalster Kahlschlag betrieben. Außer ein paar Büschen oder vermutlich Jungwuchs steht dort nichts mehr. Man kann gut die – wahrscheinlich improvisierten und nur dem Abtransport des Holzes dienenden – Forstwege sehen, die sich durch die kahle Landschaft winden. Natürlich hat wieder einmal niemand von der Umweltkatastrophe etwas bemerkt, während die Täter am Werk waren. Auch vom Abtransport des Holzes, das durch die Ortschaft gefahren werden musste, hat bestimmt niemand etwas mitgekriegt.

Aber man erinnert sich trotzdem an einen Disput zwischen der staatlichen Forstverwaltung Romsilva und dem – inzwischen abgesetzten bzw. ersetzten – wissenschaftlichen Beirat des Nationalparks. Letzterer hatte in den Medien protestiert gegen den „Druck, den Romsilva auf den wissenschaftlichen Beirat ausübt, um Holzeinschlag in geschützten Arealen des Nationalparks Semenik - Karasch-Schluchten zu genehmigen.”

Dabei wurde auch die 45 Hektar große Parzelle erwähnt, die jetzt von den Umweltschützern als Kahlschlag bekanntgemacht wurde. Seinerzeit verneinte Romsilva jeglichen Genehmigungsdruck: Druck sei überhaupt nicht nötig, weil „der Park, von dem wir sprechen, keinen genehmigten Managementplan besitzt”.

„Die Forstdirektion Karasch-Severin hat niemals von der Verwaltung des Nationalparks Semenik-Karasch-Schluchten eine Genehmigung zum Schlagen der Holzmasse in Arealen des strikten Vollschutzes angefordert, die gemäß Ministerialorder OM 552/2003 parzelliert sind, weil zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt kein genehmigter Managementplan des Nationalparks existiert.” Das ist ziemlich zweideutig. Eigentlich wird damit überhaupt nicht verneint, dass ein eventueller Kahlschlag in Vollschutzgebieten des Nationalparks von der staatlichen Forstbehörde genehmigt hätte werden können. Dass also die Markierungshammer von Romsilva dort im Einsatz gewesen sein könnten, weil das (noch) kein Managementplan des Nationalparks verbietet (man erinnert sich an das Gerangel vom vergangenen Herbst, als der Managementplan  im zuständigen Ministerium genehmigt werden sollte und die staatliche Forstbehörde Romsilva dagegen unter diversen Begründungen ganz steif mauerte – ADZ berichtete). Dass also der Vorgang unter den gegebenen Umständen legal war.

Die Forsteinrichtungen im Nationalpark Semenik-Karasch-Schluchten werden von der Forstwirtschaftsabteilung des Ministeriums für Landwirtschaft, Gewässer und Wälder eingesehen und genehmigt, wobei die „technischen Lösungen”, wie vom zitierten Ministerbeschluss 552/2003 vorgesehen, mit der Parzellierung im Einklang stehen müssen. Die Parzelle Berzăviţa an einem Zufluss der Bersau/Bârzava, die auch auf den Filmbeweisen der Umweltschützer auftaucht und Gegenstand des Disputs zwischen Romsilva und dem wissenschaftlichen Beirat ist, befindet sich im Verantwortungsbereich des Forstamtbezirks Franzdorf und ist Teil eines 2697,70 Hektar großen Vollschutzgebiets, das noch weitere zwei Großparzellen umfasst, die von der obigen Ministerorder definiert sind. Diese spricht von „einer Zone nachhaltiger Konservierung” im Rahmen des Nationalparks Semenik-Karasch-Schluchten. Es gibt allerdings einen Eilbeschluss der Regierung, OUG 57/2007, der vorsieht, dass zwecks Beibehaltung des günstigen Zustands der Habitate „aktive Bewirtschaftungsmaßnahmen” ergriffen werden können.

Für den Reservatteil Berzăviţa fehlt die Begründung hinsichtlich des „Gegenstands der Konservierung”, weil es keine wissenschaftliche Studie für die Erklärung des Gebiets zum Vollschutzgebiet gibt. Allerdings ist sie wohl nicht ohne Grund auch im Anhang I von Gesetz 5/2000 als Vollschutzgebiet angeführt - sollte man guten Glaubens annehmen. Vor Zeiten sind dort im Jungwuchs, laut einer Forsteinrichtung von 1961 und durch die nachfolgenden Forsteinrichtungen  (die alle zehn Jahre durchgeführt werden müssen) Maßnahmen durchgeführt worden, die zum erklärten Ziel hatten, durch Bewirtschaftung „einen Zustand herbeizuführen, der als Struktur einem Naturwald näher kommen soll”. Initiator des für Rumänien einzigartigen Projekts war Dr. Ing. Filimon Carcea, der zeitlebens jegliche „Bewirtschaftungseingriffe in dieser Parzelle persönlich anleitete und überwachte”. Er nannte das „gartenpflegerische Eingriffe”.

Die jüngste Forsteinrichtung von 2012 sieht „die Fortsetzung der Schnitte in Richtung Gartenpflege” auf dem Areal vor. Das Experiment wurde 2013 abgebrochen. Am 21. September 2017 veranstaltete die Akademie für Land- und Forstwirtschaft „Gheorghe Ioanescu-Şişeşti” eine Beratung bezüglich der Fortsetzung des „Experiments zur Umwandlung der naturgewachsenen Strukturen” im Naturreservat Berzăviţa. Hier wurde auf den „kritischen Zustand des Langzeitexperiments” hingewiesen, das gerade mal in der Halbzeit des geplanten Zeitraums angekommen war. Die Akademie entschied über die „Fortsetzung bis zur Beendigung” des Experiments, „im Einklang mit der geltenden Gesetzgebung”.

Inzwischen gibt es aber auf dem gesamten Bergstock des Semenik einen massiven und nicht unter Kontrolle zu kriegenden Befall des Borkenkäfers. Am schlimmsten im Nationalpark der Semenik-Karasch-Schluchten (man sehe sich mal in Ruhe von Wolfsberg aus die Nadelwälder der Nordhänge des Semenik an: Niemandem können die braunen Flecken – abgetrocknete Nadelbäume – inmitten des saftigen Grün entgehen). Diese Attacken des Borkenkäfers bedingen Sonder- und Ausnahmegenehmigungen zum Fällen ganzer Parzellen, die unter Befall stehen. Nur: Der Verdacht der Umweltschützer geht eindeutig dahin, dass nicht nur befallene Waldstücke den Motorsägen zum Opfer fallen. Der Borkenkäfer ist auch eine willkommene Gelegenheit für Gewissenlose, sich mit Holz von hervorragender Qualität zu bereichern. Von dort, wo sie ohne den Borkenkäfer nie – oder nur ganz, ganz schwer – mit ihren Gerätschaften hingekommen wären.

Die Forststatistiken besagen, dass im Vollschutzgebiet Berzăviţa bis einschließlich 2016  9345 vom Borkenkäfer befallene Bäume registriert wurden, die inzwischen ausgetrocknet sind. Dazu gibt es bei Romsilva die Festellungsnote 464/13.04.2017, die von der Waldwacht aus Temeswar gegengezeichnet ist.

Die Argumente, die Romsilva diesmal vorlegt, um sich des Vorwurfs der Kumpanei mit der Holzmafia zu entlasten, leuchten über weite Teile ein. Aber einen Kahlschlag von solchen Ausmaßen, wie ihn jüngst die Umweltschützer bekanntgemacht haben, rechtfertigen sie trotzdem nicht.