Gemeinsam Hand anlegen – aber richtig!

Kirchenburgengespräch: Die essenzielle Rolle der HOGs und freiwilliger Helfer beim Erhalt der Siebenbürgischen Kirchenburgenlandschaft

Kirchenburg Arkeden: Beispiel für ein erfolgreiches Restaurationsprojekt Fotos: George Dumitriu

Sebastian Bethge

Kirchenburg von Deutsch-Kreuz – dank der Haferlandwoche im Zentrum kultureller Aktivitäten

Die einzigartige Kirchenburgenlandschaft Siebenbürgens liegt vielen Menschen am Herzen: den wenigen hiergebliebenen Siebenbürger Sachsen, die vielen, die mit einem Rucksack voller Erinnerungen an die alte Heimat ausgewandert sind, aber auch den zugezogenen Ausländern, die sich auf der Suche nach einem anderen Leben fasziniert in den beschaulichen Dörfern Siebenbürgens niedergelassen haben. So manches Grüppchen schließt sich da zusammen, fest entschlossen, die verfallende Kirchenburg im Dorf zu retten. So manche lokale NGO trommelt Handwerker zusammen, stützt eingebrochene Dächer, leistet Nothilfe, um Schlimmeres zu verhindern. Doch formell zuständig sind die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien (EKR) bzw. der jeweilige Bezirksdechant und das rumänische Denkmalschutzamt, das dieses Kulturerbe in verschiedene Schutzkategorien einteilt, entsprechend gibt es Vorschriften für die Restauration. Einfach mit einem Schubkarren Mörtel losziehen und den Riss in der Ringmauer reparieren? Bei allem Idealismus – das geht gar nicht! 

So stellt sich neben der Frage der Zuständigkeit und Rechtmäßigkeit der Maßnahmen auch die Frage der Koordination all jener, die gerne freiwillig mit anpacken wollen. Und nicht zuletzt auch die nach der Weitergabe: Wer wird sich in der Zukunft um die Kirchenburg im Dorf kümmern, wenn die HOG in Deutschland einmal nicht mehr existiert, die Sommerfrischler nicht mehr kommen, der letzte eingesessene Sachse nicht mehr lebt? Um die Kirchenburgenlandschaft zu erhalten, braucht es Engagement vor Ort: Jemanden, der ab und zu einen Dachziegel nachsteckt, die Kirche für Besucher aufschließt, das Gras im Hof mäht und regelmäßig nach dem Rechten sieht. Wo klafft ein Riss, wo regnet es hinein, wo ist ein Stück Mauer abgebrochen? Dies kann nur aus der Dorfgemeinschaft kommen, deren Interesse jedoch stark von der Identifizierung mit dem geerbten sächsischen Kulturerbe abhängt. Man muss also rechtzeitig Kinder und Jugendliche ansprechen, sie einbinden in verschiedene Aktionen, ihnen die Einzigartigkeit der Schätze vor Ort vermitteln und damit ans Herz legen. 

Zur Diskussion dieser Probleme fand am 15. Juni im Rahmen der Kirchenburgengespräche die Online-Diskussion „Heimatortsgemeinschaften packen an!“ statt. Es ging um die Frage: Wie lassen sich die vielseitigen Bemühungen zur Rettung des kirchlichen Kulturerbes koordinieren? Drei geladene Gäste stellten ihre Zuständigkeiten und die aktuelle Situation vor und beantworteten die Fragen der Teilnehmer:

• Michael Folberth von der Heimatortsgemeinschaft (HOG) Repser und Fogarascher Land, Organisator verschiedener Initiativen vor Ort
• Dechant Hans-Georg Junesch vom Bezirkskonsistorium Hermannstadt der EKR, seit Ende 2018 im Amt und juristisch verantwortlich für die Kirchenburgen in seinem Bezirk
• Sebastian Bethge von der Stiftung Kirchenburgen,  offizieller Beauftragter der EKR für Denkmalpflege, ein aus Berlin stammender Zimmermann, der seit fast 20 Jahren in Trappolt/Apold lebt und dort eine NGO zur Rettung von Kulturerbe gegründet hat.
Die Moderation übernahm Stefan Bichler, Referent für Öffentlichkeitsarbeit der EKR.

Interessensgruppen vernetzen

Folberth stellte die Idee vor, sächsische Nachbarschaftsstrukturen unter anderen Vorzeichen wieder aufleben zu lassen - unter Einbindung der heutigen Lokaleinwohner und Schulen vor Ort. Schuldirektoren in Reps und Hamruden konnten bereits für das Projekt begeistert werden, den Schülern mehr Information über den historischen Hintergrund der Orte und ihrer Kirchenburgen zu bieten und sie in Aktionen einzubinden. Auch Personen, die Gehör finden bei den Lokaleinwohnern, sollen ins Boot geholt werden: Bürgermeister, Unternehmer, etc. Der Austausch sei bereits sehr fruchtbar, versichert Folberth.

Junesch präsentierte die Lage in seinem Bezirk: Insgesamt 56 Orte zählen zum Hermannstädter Kirchenbezirk, aufgrund des Personalmangels sei die Koordination eher schwierig. Es bilden sich immer mehr ortsübergreifende Regionalgemeinschaften, die die Kirchenmitglieder verschiedener Dörfer zusammenfassen. Gottesdienste werden teilweise bereits auf Rumänisch geboten. Doch etwa 50 Prozent der Orte haben noch eine sehr aktive HOG, deren Schwerpunkt auf Friedhofspflege und Spendensammeln für Renovierungsarbeiten an Kirche oder Pfarrhaus liegt. Eher selten kommen die Mitglieder jedoch persönlich, um die Arbeiten durchzuführen. 

Bethge arbeitet im Rahmen der Kirchenburgenstiftung seit fünf Jahren eng mit den HOGs zusammen, doch sein Blick auf die Szene reicht gut 20 Jahre zurück: In dieser Zeit, sagt er, engagierten sich immer noch mehrere HOGs vor Ort. Oft sei eine Einzelperson der treibende Motor, der die anderen begeistert und mitreißt. Doch viele dieser Multiplikatoren seien bereits sehr betagt. Als Beispiel nennt er Mühlbach, Denndorf, Scharosch und Holzmengen. In Hundertbücheln gebe es eine Symbiose zwischen einem deutschen Verein vor Ort und der HOG.  Das Interesse der HOGs ist enorm wichtig, auch wenn vielleicht nur einmal im Jahr Gottesdienst abgehalten wird, betont Bethge. Die HOGs seien auch essenziell beim Aufbau neuer Strukturen vor Ort.

Wo keine HOG mehr existiert, kann Vernetzen mit überregionalen Vereinen eine Lösung sein. Folberth nennt eine fruchtbare Kooperation mit dem Verein Kulturerbe Kirchenburgen e. V. von Alexander Kloos. Doch wichtig sei nicht nur Aufräumen und Instandhalten, sondern vor allem, den Kirchenburgen wieder einen Zweck zu geben. Kulturveranstaltungen, Dorffeste und Sommerfeste innerhalb der Ringmauern könnten sie  erneut zu einem zentralen Punkt dörflichen Lebens machen und auch die Jugend anziehen. Wenn die Menschen sich in ihrer Kirchenburg zuhause fühlen, haben sie auch das Bedürfnis, diese zu erhalten. Ein Leuchtturmbeispiel in diesem Sinne sei auch die Haferlandwoche, ergänzt Michael Folberth. Zehn Dorfgemeinschaften beteiligen sich daran und vernetzen vor der Kulisse der Kirchenburgen lokale Produzenten und Besucher durch kulturelle und kulinarische Events.

Hand anlegen – nach den richigen Regeln

Doch wer trägt die Verantwortung für die Arbeiten an Kirchenburgen? Oder dafür, wenn nichts geschieht? Die juristische Verantwortung für die Bauwerke in einem Bezirk liegt beim Bezirksdechanten, illustriert Junesch: Wenn ein Dachziegel jemandem auf den Kopf fällt oder, wie in Radeln oder Rothbach geschehen, ein Turm einstürzt, hat er einen Prozess am Hals. 

Doch allein die Bestandsaufnahme ist für ihn bereits ein Problem. Es gibt an manchen Orten niemanden mehr, der regelmäßig nach dem Rechten sieht. Das Bezirkskonsistorium plant daher, einen Diakon einzustellen, der zusätzlich zu seinen geistlichen Aufgaben auch diese übernimmt. Dringend nötig sei zudem ein Verwalter, der in der Lage ist, Projekte zu schreiben.

Was kleinere Reparaturen betrifft, seien die rumänischen Behörden relativ kulant, vieles geht noch ohne Baugenehmigung, die die Maßnahme stark verteuern würde, erklärt Junesch. Dennoch gibt es gewisse Vorschriften vom Denkmalamt: Keinesfalls darf ein Mauerriss mit herkömmlichem Mörtel verputzt werden, denn Zement ist bei der historischen Bausubstanz streng verboten. Unkoordinierte, stümperhafte Aktionen haben ein juristisches Nachspiel für den Dechanten!

Trotzdem sind gerade Leute, die kleinere Reparaturarbeiten ausführen, enorm wichtig, illustriert Bethge mit der Frage, warum in Rumänien im Vergleich zum übrigen Europa noch so viele Kirchenburgen in dieser Dichte stehen: „Weil es hier lange eine Gemeinschaft gab, die mindestens einmal pro Monat Hand angelegt hat.“ Putzen, drei Dachziegel nachschieben, die Dachrinne flicken. Der Wert kleiner, regelmäßiger Aktionen ist unschätzbar für ein historisches Bauwerk. „Und da hat kein Denkmalamt etwas dagegen“, versichert Bethge. 

Seit 2019 gibt es zudem ein Gesetz, dass der Eigentümer eines Bauwerks das Denkmalamt kostenlos um Expertenrat bitten kann – was man darf, was man nicht darf, wie die Dokumentation und der Schlussbericht auszusehen haben –, erklärt Bethge. Der bürokratische Aufwand hierfür sei wesentlich geringer als für eine Baugenehmigung.

Eine Baugenehmigung ist nur bei größeren Eingriffen nötig. Allerdings auch bei Notmaßnahmen bei Einsturzgefahr oder zur Sicherung nach einem Einsturz, doch werde sie in diesen Fällen auch rasch erteilt. Für ein größeres Restaurierungsprojekt benötigt man eine Fachplanung durch Experten und Architekten. Hierbei kann die Stiftung Kirchenburgen beraten.  

Gemeinsame Strukturen schaffen

Für erfolgreich durchgeführte größere Restaurierungsprojekte gäbe es eine Erfolgsformel, verrät Bethge: Am besten sei es, wenn eine HOG, ein Verein vor Ort und die lokale Gemeinde an einem Strang ziehen. In der Realität fehlt jedoch meist mindestens ein Element. Erfolgreiche Finanzierungen habe es dennoch immer wieder gegeben - in Holzmengen, Arkeden, Trappold und Hundertbücheln. In Trappold engagierte sich ein Verein mit Zugewanderten, in Arkeden sind ein lokaler christlicher Verein und die HOG aktiv, beide zusammen haben dort ein Gästehaus eingerichtet; in Hundertbücheln ist die HOG sehr aktiv, doch ohne Gemeinde vor Ort.

Um die Aktionen der HOGs und deren Vernetzung vor Ort wei-terhin zu fördern, sei es jedoch wichtig, dass künftig möglichst wenige Gebäude, wo Gemeinschaftsräume entstehen können, verkauft würden, schlägt Stefan Bichler vor. Denn wo der HOG noch ein Gebäude zur Verfügung steht, haben die Ausgewanderten und ihre Nachfahren eine Anlaufstelle. Es kommen regelmäßig Menschen, die sich kümmern und nach dem Rechten sehen. Als Positivbeispiel in diesem Sinne wurde die HOG Meschendorf erwähnt, die das Pfarrhaus als Gästehaus für sich gepachtet hat. 

Um vorgesehene Aktionen in Zukunft besser zu bündeln und interessierte Helfer vor Ort anzusprechen, wurde ein Online-Kalender vorgeschlagen, wo alle geplanten Arbeiten eingetragen werden. Auch die Gründung einer übergeordneten HOG zur Koordination und Abdeckung der verwaisten Orte wurde in den Raum gestellt.