Gewässertrübung auf dem Balkan

Ich weiß: Rumänien gehört zur Gruppe der EU-Mitglieder, die bis heute das Kosovo nicht als Staatsgebilde anerkennen. Ich weiß, dass die Präsidenten der USA, angefangen mit Bill Clinton, die nach der Nato-Intervention von 1999 sich etablierende Staatsbildung des Kosovo mehr oder weniger offen unterstützt und gegen Unterminierungsbestrebungen Serbiens verteidigt haben. Nicht zufällig unterhalten die USA eine Garnison im Kosovo…

Erst der richtungslose, für eine Überraschung jederzeit bereite Donald Unberechenbar („bereit“, wenn sein Bauchgefühl ihm sagt, dass es ihm – persönlich – nutzt) hat diese amerikanische Linie in der Außenpolitik zu einem Schwenk verpflichtet. Indem er zuerst den US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, der in Deutschland überall aneckte, zusätzlich zum Sondergesandten für das Kosovo ernannte und dieser in Trump´scher Manier großspurig und -maulig erklärte, das „Kosovo-Problem“ kurzfristig zu lösen. Zeitgleich erhöhte die USA den politischen Druck auf das Kosovo. Die „New York Times“ schlussfolgerte: „Der größte Teil des amerikanischen Drucks wurde auf das Kosovo ausgeübt und nicht auf Serbien.“

Am vergangenen Wochenende wurden Serbiens mit großer Mehrheit wiedergewählter nationalistischer Präsident Aleksandar Vucic und der kosovarische Präsident Hashim Thaci zu „Gesprächen“ ins Weiße Haus zitiert – wobei aus beider Präsidenten Erklärungen nur eines klar hervorging: Sie wussten nicht so recht, warum und zu welchem Thema „Gespräche“. Grenell und sein Chef Trump wollten die Causa Kosovo-Serbien auf echt amerikanische Art rasch lösen, die US-Garnison im Kosovo abziehen, sodass Trump in seinem Wahlkampf Frieden auf dem Balkan hinausposaunen kann.

Entgegen kam dem US-Wunsch, dass das Integrationsinteresse von Belgrad an der westlichen Gemeinschaft erkaltet ist, dass die traditionelle „Ost-Orientierung“ in Belgrad sich auch darin äußerte, dass Vucic vor seinem Flug nach Washington zuerst in Moskau, bei Väterchen Putin, vorbeischauen wollte und dass die in Belgrad an der Macht Befindlichen kaum ein Interesse an Justizreformen haben, wie sie Brüssel fordert – denn eine reformierte Justiz könnte ihnen an den Kragen gehen… Serbien hat beispielsweise keine unabhängige Behörde zur Untersuchung von Korruptionsverbrechen.

Geplatzt ist der Plan Richard Grenells und seines Brotherrn Trump, auch weil das Haager Kriegsverbrechertribunal gegen Hashim Thaci Anklage erhoben hat – just zwei Tage vor dessen Flug nach Washington – den er dann auch prompt abgesagt hat.

Interessant in der ganzen Causa ist die Rolle Chinas. Serbiens werdender (Allein-)Herrscher Aleksandar Vucic nennt den Chinesenführer Xi Jinping in seiner Korrespondenz „Bruder“, lobt das chinesische Vorgehen in der causa Hongkong, denn Serbien unterstütze China „nachdrücklich bei der Wahrung seiner nationalen Souveränität, territorialen Integrität und nationalen Sicherheit“ (der Leser bemerkt wohl den Wortschatz, den wir in Rumänien bestens aus Ceaușescu-Zeiten kennen!?) und hat bereits im Januar in einem anderen Schreiben an seinen chinesischen „Bruder“ Xi Serbiens „absolute“ Zustimmung für eine Vereinigung Chinas mit Taiwan bekundet – vielleicht in der Erwartung, einmal ein auf Gegenseitigkeit beruhendes klares Wort Chinas zu einer Einverleibung des Kosovo samt dem Amselfeld durch Serbien zu hören…

Auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow war vergangenen Donnerstag als Wahlkampfhelfer von Aleksandar Vucic in Belgrad – Lawrows erster Auslandsbesuch seit Ausbruch der Pandemie. Darauf Vucic Richtung Brüssel: Wenn Serbien seitens der EU nichts als eine Mitgliedschaft angeboten würde, „dann wäre unsere Antwort: `Nein!`“
Territoriale Kompensationen erwartet Belgrad, und die hatten Grenell/Trump – zumindest in Form von Gebietstausch – in Aussicht gestellt.
Trüben sich die Wässer südlich des Donaulaufs?