„Ich fühle mich in Siebenbürgen sehr willkommen“

ADZ-Gespräch mit dem deutschen Konsul Hans E. Tischler über einige Schwerpunkte seiner Tätigkeit (Teil 1)

Hans Erich Tischler
Foto: Vlad Popa

Seit August 2017 leitet Hans Erich Tischler das Deutsche Konsulat in Hermannstadt. In Bad Godesberg geboren, beendete er 1982 seine Ausbildung für den Auswärtigen Dienst und war anschließend bis 1984 im Auswärtigen Amt in Bonn tätig. Seine diplomatische Laufbahn führte durch Stationen wie die Botschaft Moskau (1984 – 1987), die Botschaft Seoul (1987-1993), die Botschaft Kairo (1993-1994), das Generalkonsulat Saratow/Russland (1994-1997), das Generalkonsulat Neapel (1997-2001), das Auswärtige Amt (2001-2002), das Bundes-Innenministerium (2002-2010), die Botschaft Baku/Aserbaidschan, die Botschaft Pristina (2013-2017). Für die ADZ antwortete Konsul Hans E. Tischler auf einige Fragen von Vlad Popa. Den zweiten Teil des Interviews veröffentlichen wir am Mittwoch der nächsten Woche.

In Ihrer bisherigen Laufbahn waren Sie an mehreren interessanten Standorten tätig. Welcher war der bisher interessanteste?

Auf den verschiedenen Posten im Laufe meiner Karriere bin ich gerne gewesen, da sie mir Einblicke in fremde Kulturen und Lebensweisen ermöglicht haben, die ich als Tourist nie erhalten hätte. Die dort gesammelten Erfahrungen und die Zusammenarbeit mit Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher Glaubensrichtungen haben mich sehr bereichert.

Besonders aufregend empfand ich meine Zeit in Korea. Als ich dorthin versetzt wurde, handelte es sich um ein armes, vom Krieg zerstörtes Land ohne nennenswerte Rohstoffe. Während meines Aufenthalts dort konnte ich mit staunenden Augen mitverfolgen, wie das Land entschlossen zu einer mächtigen Wirtschaftsmacht aufstieg. Es gab einen über alle politischen Grenzen hinweg bestehenden breiten nationalen Konsens, das Land aus seiner Rückständigkeit zu befreien und es nach vorne zu bringen. Das Land sollte nach westlichen Maßstäben aufgebaut werden und es wurde massiv in Infrastruktur und Bildung investiert. Freiheit, Demokratie und Wohlstand waren und sind das erklärte Ziel. Heute gilt Südkorea dank des großen Fleißes seiner Bürger und der langfristig angelegten Wirtschaftspolitik seiner Regierungen als erfolgreicher und besonders fortschrittlicher Industriestaat.

Welche Erfahrungen sind in Ihrem diplomatischen Leben besonders wichtig?

Die Herausforderungen im Leben eines Diplomaten sind vielfältiger Art. Wenn sie von einem Kontinent auf den anderen umziehen, von heute auf morgen in einer anderen Kultur arbeiten sollen, wenn es gilt, Sprachprobleme zu überwinden, neue Kontakte zu knüpfen, dann lernt man, wie wichtig es ist, sich eine natürliche Neugier, eine Aufgeschlossenheit für Neues zu bewahren. Nur wenn sie positiv auf andere Menschen zugehen, flexibel auf Veränderungen reagieren und kontinuierlich an sich arbeiten, gelingt es ihnen, Vertrauen zu schaffen und letztendlich gemeinsam mit Kollegen und Partnern erfolgreich zu agieren. Herausforderungen wird es immer geben, entscheidend ist, wie man damit umgeht und was man daraus macht. Mich solchen Herausforderungen ein Leben lang zu stellen, hat mich stets dazu angespornt, mein Bestes zu geben, und macht bis heute den Reiz meiner Arbeit aus.

Wie viel wussten Sie über Hermannstadt, bevor Sie Ihr Amt angetreten haben?

Ich bin früher als Kind des Öfteren in Siebenbürgen gewesen, um meine Verwandten zu besuchen. In diesem Zusammenhang habe ich natürlich auch Hermannstadt besichtigt, das schon damals eine attraktive und kulturell sehr vielseitige Stadt war.
Meine Verwandten sind in den 70er und 80er Jahren nach Deutschland ausgewandert, sodass ich das letzte Mal wohl 1984 in Rumänien war.

Hermannstadt stand im Lichte der internationalen Öffentlichkeit, als es 2007 Europäische Kulturhauptstadt wurde. Natürlich habe ich mit großem Interesse die Berichte in den Medien über dieses Ereignis verfolgt und freue mich über die vielen positiven Veränderungen, die die Stadt seitdem erfahren hat. Ich denke, dass dieses Ereignis die öffentliche Meinung bis heute positiv beeinflusst und ein großer Katalysator für die weitere Entwicklung Hermannstadts war.

So blicke ich auch gespannt auf das kommende Jahr, wenn der Kreis Hermannstadt Gastronomische Region Europas sein wird und dann erneut im Mittelpunkt des Interesses eines breiten Publikums stehen wird. Hermannstadt wird dann ein weiteres Mal die wunderbare Gelegenheit haben, sich als gastfreundliche und weltoffene Stadt zu präsentieren.

Welche neueren Eindrücke haben Sie gesammelt, seitdem Sie vor Ort sind?

Ich bin begeistert und habe mich vom ersten Tag an hier wohl gefühlt. Die Stadt mit ihrer reizvollen Umgebung ist äußerst charmant, es wurde nicht nur die alte Bausubstanz restauriert, sondern auch in eine zukunftsweisende Infrastruktur investiert. Die E-Busse, die jetzt angeschafft werden, gehören wohl zu den modernsten unseres Kontinents. Zu Recht gehört die Stadt zu den schönsten Europas und wird zu einem immer beliebteren Reiseziel für Touristen aus aller Welt. Die Sprachenvielfalt, die ich auf dem Großen Ring oder in den Restaurants der Stadt erlebe, ist schon sehr beeindruckend. Die Stadt mit ihrer renommierten Universität vermittelt einen sehr lebendigen, aufgeschlossenen Eindruck. Es gibt viele junge Leute, die zu einem dynamischen und optimistischen Lebensgefühl beitragen. Bei einem Bummel durch die Stadt gewinnt man den Eindruck, dass es vorangeht, die Menschen arbeiten an einer besseren Zukunft. Ich denke, zehn Jahre nach dem EU-Beitritt und auch zehn Jahre seit der Europäischen Kulturhauptstadt sehen die Menschen hier die Ergebnisse einer nachhaltigen Stadtentwicklung, sehen, dass es sich lohnt, langfristig zu investieren und Geduld zu haben. Viele Projekte können nicht über Nacht realisiert werden, sondern bedürfen einer intensiven Vorbereitung. Dies ist eine wichtige Erfahrung für alle Bürger der Stadt, denn die Zeit bleibt nicht stehen und die Herausforderungen von morgen sehen anders aus als die von gestern.

Wie kann die Zusammenarbeit mit der rumäniendeutschen Gemeinschaft vor Ort fortgesetzt werden?

Das Konsulat und die Verbände der deutschen Minderheit arbeiten seit jeher eng zusammen und es ist mein ausdrücklicher Wunsch, diese Zusammenarbeit auch in Zukunft so intensiv wie möglich fortzusetzen.Ein zentrales Anliegen meinerseits ist es, dass wir die deutsche Sprache in Siebenbürgen weiterhin fördern, dass wir Fragen des Lehrermangels und des Mangels an modernen Schulbüchern gemeinsam angehen und nach Lösungen suchen.

Hatten Sie schon Gespräche mit der Forumsleitung?

Gleich zu Beginn meines Dienstantritts in Hermannstadt habe ich das Gespräch mit den Vertretern der Foren hier in Hermannstadt gesucht, um mich über deren Arbeit und deren aktuelle Herausforderungen zu informieren. Es ist mir ganz wichtig, dass wir auf allen Gebieten eng zusammenarbeiten, in regem Kontakt stehen und sehen, wie wir die vor uns liegenden Aufgaben bewältigen und Projekte zur Förderung der Minderheit angehen können.

Die deutsche Minderheit hat seit der Besiedlung des Landes vor fast 900 Jahren ein unermesslich reiches materielles und immaterielles kulturelles Erbe hinterlassen. Dazu gehören auch einige Weltkulturerbestätten sowie Schulen, in denen seit Jahrhunderten in Deutsch als Muttersprache unterrichtet wird. Dieses Erbe gilt es zu pflegen und für die nachfolgenden Generationen zu erhalten. Nur gemeinsam können wir solche starken Herausforderungen angehen.

Sie hatten erste Gespräche im Forum und beim Deutschen Wirtschaftsklub. Mit welchen Einrichtungen beabsichtigen Sie eine besonders enge Zusammenarbeit?

Deutschland und Rumänien haben vor mehr als 25 Jahren einen Freundschaftsvertrag geschlossen, der die Grundlage für eine sehr umfassende, solide Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern bildet. Es ist mein Auftrag, die bilateralen Beziehungen auf allen Gebieten zu entwickeln und auszubauen, sei es im Bereich der Wirtschaft, der Kultur, aber auch bei Erziehung und bei der Zusammenarbeit mit der deutschen Minderheit, die eine wichtige Brücke zwischen unseren Ländern bildet. Diesen spannenden Aufgaben stelle ich mich sehr gerne und will mich ihnen mit meiner ganzen Kraft widmen. Das Potenzial für eine Vertiefung unserer bilateralen Beziehungen ist enorm und bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Ich freue ich mich daher hier in Hermannstadt sehr darauf, zusammen mit unseren Partnern in den verschiedenen Bereichen bei der Erschließung dieses Potenzials aktiv mitwirken zu können.

Was sind Ihre persönlichen Anliegen für Ihre Tätigkeit in Hermannstadt und der Region?

Mein großer Wunsch ist es, dass wir den existierenden Freundschaftsvertrag mit Leben füllen. Ich möchte gerne dazu beitragen, dass die Menschen zueinander kommen, sich austauschen, sich persönlich kennenlernen, dass sie voneinander nicht nur aus der Zeitung oder den Medien erfahren, sondern dass sich die Bürger unserer beiden Länder begegnen. Ich denke hier etwa an den regelmäßigen Austausch von Schülern oder Studenten, an aktive Städtepartnerschaften oder Kontakte zwischen Firmen und Wirtschaftsvertretern.

Auch möchte ich die Zusammenarbeit mit den Vertretern der lokalen Behörden vertiefen, um zu sehen, wo wir noch intensiver zusammenarbeiten können, etwa bei Fragen des Umweltschutzes, der Energiewende, des Gesundheitswesens. Ich bin fest überzeugt, dass es eine breite Palette von Themen gibt, wo wir auch auf lokaler Ebene Fragen der Zukunft gemeinsam erörtern können und wo sich eine enge Zusammenarbeit für alle Seiten lohnt.

Sie hatten erste Gespräche mit den politischen Verantwortungsträgern in Hermannstadt. Welchen Eindruck haben diese auf Sie gemacht?

Um erfolgreich arbeiten zu können, erachte ich einen kontinuierlichen Dialog mit den Vertretern der lokalen Verwaltung für unerlässlich. So habe ich mich gleich nach meiner Ankunft um Termine bei den Behörden vor Ort bemüht. Solche Gespräche dienen nicht nur dem besseren Kennenlernen und dem Austausch von Ideen und Meinungen, sondern helfen auch bei der Erörterung von gemeinsamen Aufgaben. Hier in Hermannstadt bin ich herzlich aufgenommen worden und wir haben gute Gespräche geführt. Diese ersten positiven Eindrücke bilden nun eine gute Grundlage für eine weitere enge Zusammenarbeit in den kommenden Jahren. Inzwischen hat es weitere Treffen gegeben. Für mich bleibt es sehr wichtig, dass wir auch in Zukunft regelmäßig zusammenkommen um über den Ausbau der Beziehungen zu sprechen. Die engen Kontakte, die die Vertreter unserer Länder pflegen, wenn sie sich auf internationalen Konferenzen, auf Gipfeln oder zu Arbeitsessen in Brüssel sehen, sollen auch auf lokaler Ebene möglich sein. Nur durch einen intensiven Dialog lernen wir uns besser kennen und verstehen und können für das Wohl unserer Länder arbeiten.

Gibt es bereits Ansätze für eine Zusammenarbeit mit dem Kreisrat oder dem Bürgermeisteramt?

Die Zusammenarbeit mit den lokalen Stellen war von Anfang an von großem Vertrauen und Wohlwollen dem Konsulat gegenüber geprägt. Da ich erst vor relativ kurzer Zeit nach Hermannstadt gekommen bin, kann ich nur über erste Initiativen im Kultur- und Wirtschaftsbereich sprechen und hoffe, dass wir bald konkrete Ergebnisse sehen. Auch liegt mir die Förderung der dualen Berufsausbildung sehr am Herzen, da alle jungen Menschen Gelegenheit erhalten sollen, sich zu verwirklichen. Sie sollen eine sorgfältige Ausbildung erhalten, damit sie ihr Leben nach ihren Fähigkeiten und Wünschen gestalten können. Ich konnte inzwischen mehrere Berufsschulen im Lande besuchen, darunter auch die Independen]a-Berufsschule in Hermannstadt, und bin zuversichtlich, dass wir in Zukunft im Bereich der dualen Berufsausbildung eng zusammenarbeiten werden. Auch würde ich gerne im Bereich des Tourismus enger zusammenarbeiten, weil ich meine, dass es hier in Siebenbürgen mit seiner bezaubernden Landschaft und seiner reichen Kultur noch ein großes Potenzial gibt.