„Ich glaube, dass das rumänische Volk in den letzten Jahren gewachsen ist“

ADZ-Gespräch mit dem deutschen Vizekonsul in Temeswar, Frank Ufken

Frank Ufken war vier Jahre lang als deutscher Vizekonsul in Temeswar tätig. Seine Lebensreise führt ihn nun weiter nach Luxemburg. Wenn er mal wieder nach Rumänien zurückkehrt, würde er gerne die Transfogarascher Hochstraße und die Transalpina befahren, verrät er. Fotos: Zoltán Pázmány

Beim Tag der Deutschen Einheit in Temeswar: Vizekonsul Frank Ufken und die Schauspielerin und Sängerin Dana Borteanu

Für den deutschen Vizekonsul in Temeswar/Timișoara, Frank Ufken (52), heißt es, Abschied zu nehmen. Seine vierjährige Amtszeit in der Stadt an der Bega ist nun vorbei und eigentlich hätte er nach Berlin zurückkehren müssen; doch Frank und Stefanie Ufken beschlossen, weiterhin im Ausland zu bleiben – sie werden die nächsten vier Jahre in Luxemburg verbringen. Der Nachfolger Frank Ufkens ist auch sein Vorgänger, denn Siegfried Geilhausen kehrt nach vier in Tunesien verbrachten Jahren wieder nach Temeswar zurück. Wie der deutsche Vizekonsul Frank Ufken Rumänien erlebt hat, das erzählt er der ADZ-Redakteurin Raluca 
Nelepcu in folgendem Gespräch. 


Wir haben uns vor vier Jahren das allererste Mal hier, im Deutschen Konsulat, getroffen. Damals erzählten Sie mir, dass Sie sich auf Rumänien freuen würden. Wie waren die in Rumänien verbrachten Jahre für Sie?
Mir sind die Jahre ein wenig zu schnell vorübergegangen. Mein Vorgänger, Herr Siegfried Geilhausen, hat eine ganz tolle Arbeit geleistet, und ich musste in diese Schuhe erst hineinwachsen, aber ich habe in den letzten vier Jahren schon eine ganze Menge kennengelernt in Rumänien und insbesondere hier, im Westen, im Banat, in unserem Amtsbezirk. Wir konnten einige Sachen ins Leben rufen: Wir haben den 3. Oktober ein wenig verändert, indem wir selbst Programme geschrieben und gemeinsam mit der Oper Veränderungen vorgenommen haben, was, glaube ich, sehr erfolgreich war. Es wurden Kultur- und Wirtschaftstage veranstaltet, wir haben Vernissagen stattfinden lassen, hier, im Konsulat, mit dem Ankommen von Herrn Krautkrämer als neuer deutscher Konsul. Viele Dinge haben sich verändert – wir haben einige Erneuerungen eingebracht – und es war für mich, wenn ich meine gesamte Amtszeit beim Auswärtigen Amt betrachte, der schönste Posten, den ich gehabt habe. 

Wie haben Sie sich in Temeswar eingelebt – es war doch ein großer Unterschied zu Pretoria in Südafrika, oder?
Es ist ein ganz anderes Aufgabengebiet. In Pretoria habe ich als Visastellenleiter gearbeitet, wir hatten zwischen 22.000 und 25.000 Visa pro Jahr, das war halt weniger Öffentlichkeitsarbeit. Hier, in Rumänien, war das ganz anders. Ich war 14 Tage hier, da durfte ich schon nach Sathmar und ich durfte gleich an den Sathmarer Tagen teilnehmen, und neben dem Abgeordneten Ovidiu Ganț und dem dortigen Forumsvorsitzenden Josef Hölzli auf der Bühne eine Rede halten, was so gar nicht in mein Spektrum passte – das war also Neuland für mich. Aber es war eine Herausforderung, die unheimlich viel Spaß gemacht hat. Es folgten viele weitere Veranstaltungen.
Ein bisschen ärgerlich ist es, dass der Amtsbezirk doch sehr groß und unsere Zeit halt auch beschränkt ist. Ich hätte noch so gern viele Reisen unternommen, ich hätte noch jede Menge Leute gern besucht, aber die Zeit ist einfach zu knapp. 

Sie sagten damals, vor vier Jahren, dass Sie herumreisen und Rumänien kennenlernen wollen. Inwiefern haben Sie das geschafft? Und wenn ja, was hat Ihnen am meisten gefallen? Was hat Ihnen weniger gut gefallen?
Rumänien ist ein wunderbares Land mit unheimlich viel Natur. Die Verkehrsinfrastruktur lässt noch ein bisschen zu wünschen übrig, ob das hier in Temeswar oder außerhalb der Stadt ist, und ich assoziiere mal, dass es auch im gesamten rumänischen Bereich noch Erneuerungen bedarf. Man ist da dran, aber das wird sich noch einige Jahre hinziehen. Ich glaube, wenn die Verkehrsinfrastruktur noch ein Stück weit vorangeschritten ist, wenn alles noch ein bisschen modernisierter ist, dann werden noch mehr ausländische Gäste kommen, um das Land zu bereisen. Wir haben, ob es an der Donau war oder in der Maramuresch, schon ein paar Landstriche kennengelernt und es hat unheimlich viel Spaß gemacht, aber die Infrastruktur für den Tourismus steckt noch ein Stück weit in den Kinderschuhen. Viele mögen das, dass es halt noch so ein bisschen ursprünglich ist, viele, die jetzt darauf kommen, zu diesen Corona-Zeiten auch innerhalb Europas oder innerhalb der Nachbarländer Urlaub zu machen. Viele wünschen sich das sogar – ich möchte zum Beispiel an Enduromania erinnern. Das ist ein bisschen ursprünglicher Urlaub, wenn die Leute dort Motorradurlaube machen, in der Natur, da wird gezeltet, da wird in kleinen Holzhütten übernachtet usw.

Es waren keine sehr ruhigen vier Jahre  – wir hatten, zum Beispiel, 2017 heftige Antikorruptionsproteste. Wie haben Sie die rumänische Gesellschaft in dieser Zeit erlebt?
Ich glaube, dass das rumänische Volk in den letzten Jahren gewachsen ist, auch mit dem politischen Interesse. Es hat sich diese Freiheit erkämpft und das ist schon sehr beachtenswert. Rumänien ist auf einem guten Weg und ich verspüre auch, dass sich die Leute wehren, wenn Dinge nicht korrekt laufen. Das sieht man auch daran, dass Menschen auf die Straße gehen – das Volk versucht dann, die Politik in die richtigen Bahnen zu lenken. Ich finde, bei dem Volk ist ein europäisches Denken vielmehr im Fokus und vielmehr vorhanden als teilweise insgesamt in der Politik. Da sollten wir doch gemeinschaftlicher denken, europäisch, das ist, glaube ich, so wie das Volk das vormacht. Ich denke, in dieser Pandemie-Phase, die wir jetzt durchleben, ist viel gute Arbeit geleistet worden, auch in der Regierung – man ist auf einem guten Weg.

Stichwort „Corona-Krise“: Wie waren die letzten drei-vier Monate für Sie? Was haben Sie in dieser Zeit am meisten vermisst?
Das öffentliche Leben vermisst man, natürlich, die Außenkontakte, die guten Gespräche, das Draußensitzen bei schönem Wetter, das Essengehen mit Freunden. Diese Pandemie ist für uns alle Neuland gewesen, wir alle waren nicht darauf vorbereitet, wir haben geahnt, was da kommt, aber wir waren nicht wirklich gut darauf vorbereitet, Gesamteuropa nicht. Wenn seitens der Regierungen Einschränkungen verhängt werden, Einschränkungen, dass man eine Maske tragen muss, um sich zu schützen, aber auch, um sein Gegenüber zu schützen, dann sind das keine großen Bedingungen, die da gestellt werden. Wenn man Distanz wahren muss zu seinem Gegenüber, das ist jetzt nichts Schlimmes, das ist einfach nur eine Vorsichtsmaßnahme. Innerhalb Europas und auf der ganzen Welt müssen wir eben gewisse kleine Punkte beachten, ein wenig Distanz wahren, Mundschutz tragen, öfter Hände waschen. Das ist ja kein großer Auftrag, den wir da haben, um letztendlich miteinander ein normales Leben führen zu können.

Sie haben sich während Ihrer Zeit in Rumänien privat für die Unterstützung von Tierschutzorganisationen stark gemacht. Die herrenlosen Hunde sind immer noch ein großes Problem in vielen rumänischen Ortschaften. Welche Lösungsansätze würden Sie anwenden, wenn Sie entscheiden könnten? 
Das ist eine ganz schwierige Frage. Innerhalb der Stadt Temeswar ist es nicht so verbreitet, dass so viele herrenlose Hunde um die Häuser ziehen. Wenn man aber über Land fährt, dann ist es mancherorts doch schon sehr extrem. Wir haben ein Tierheim in Ferdinandsberg/Oțelu Rosu, das wir mit unterstützen, wo wir im Bereich der Wirtschaft hier mit den deutschen und rumänischen Firmen Gelder sammeln konnten, um Kastrationen vornehmen zu lassen, damit die Weiterverbreitung der Tiere nicht stattfindet. Frau Tanja Kaupp macht einen tollen Job da draußen, denn sie versucht, auch Schulklassen und Kindern näher zu bringen, dass sie das Verständnis entwickeln, dass es sich um Lebewesen handelt, die Gefühle haben. Ein Hund, ein Tier, ein Lebewesen mit Gefühlen, das sollte man einfach respektieren. Ich glaube, das ist noch nicht komplett angekommen in diesem Land, da muss noch einiges passieren und dahingehend haben auch wir versucht, diesen Part zu unterstützen. Wir haben das selbst bei uns zu Hause gemacht, dass wir in der harten Winterzeit die herrenlosen Hunde ein bisschen gefüttert haben, aber auch geschaut, ob sie kastriert sind, teilweise waren sie es, das ist dann okay, aber da muss noch ein bisschen was passieren in den nächsten Jahren.

Zurück zu Ihrem Zuhause in Rumänien – die Stadt Temeswar, die 2021 den Titel einer Europäischen Kulturhauptstadt tragen müsste. Wie stehen Sie dazu? Sehen Sie eine Verschiebung des Kulturhauptstadtjahres als sinnvoll?
Grundsätzlich steht der Termin 2021 und wir alle arbeiten daran. Auch wir haben unsere Vorbereitungen für dieses Kulturhauptstadtjahr getroffen, auch wir planen bestimmte Events, und wenn jetzt aufgrund der Pandemie eine Verschiebung stattfinden sollte, wird es nicht ganz einfach sein, denn wir haben bestimmte Dinge organisiert, die wir gern stattfinden lassen möchten. Wenn eine Verschiebung stattfinden sollte, dann ist es halt so, dann müssen wir das Ganze strecken. Das entscheiden aber nicht wir, sondern bestimmte Gremien. Ja, innerhalb der Stadt ist aus der Presse zu entnehmen, dass nicht alle mit dem Projekt „2021“ einig sind, dass es zwischen den verschiedenen Vereinen und auch der Stadt Differenzen gibt. Ich denke im Sinne Temeswars, es passiert hier viel, es wurde viel eingeleitet, die Stadt erneuert sich, in den letzten vier Jahren ist doch eine Menge passiert, ganz besonders in den letzten zwölf Monaten hat sich vieles verändert und ich finde, Temeswar ist schon auf einem guten Weg. Wenn sich die Leute gemeinsam an den Tisch setzen, so sollten sie nicht auf die Vergangenheit schauen und die Fehler aufarbeiten, sondern in die Zukunft blicken und sich fragen, wie können wir gemeinsam dieses Event gestalten, um ein tolles Bild nach außen zu zeigen. Es macht keinen Sinn, wenn sich die klugen Köpfe, die dort mit involviert sind, gegenseitig Vorwürfe machen für Dinge, die in der Vergangenheit vielleicht falsch gemacht wurden. 

Wie würden Sie die Stadt Temeswar wiedersehen wollen, wenn Sie in einigen Jahren hierher zurückkehren?
In den letzten vier Jahren und besonders in den letzten zwölf Monaten ist, finde ich, unheimlich viel passiert. Das Stadtbild von Temeswar hat etwas ganz Besonderes. Man sollte vielleicht die Besitzer von Gebäuden, deren Renovierungsmaßnahmen noch nicht stattgefunden haben, in diese Richtung bugsieren, dass sie es auch schaffen, ihre Immobilien auf einen vernünftigen Stand zu bringen. Man sollte weiter die Möglichkeit ausbauen, dass hier vielmehr das Fahrrad genutzt werden kann – das ist momentan sehr eingeschränkt. Ob es Fußgängerwege oder Fahrradwege sind – da muss noch eine ganze Menge passieren, aber es verändert sich schon was. Man sieht es, die Leute sind dran, die Verantwortlichen, und ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn das klappen würde, dass ich in vier Jahren morgens von Dumbrăvița nach Temeswar mit dem Fahrrad fahren kann.