„Im Wohnwagen bist du dein eigener König“

Deutsche Camper-Karawane in Rumänien unterwegs

Die deutschen Touristen in Törzburg. Der Hund durfte auch mitreisen – das ist einer der Vorteile des Campens.
Foto: Matthias Seidel

Die Coronavirus-Pandemie hat bekanntlich einen Wohnmobil-Boom mit sich gebracht: Laut dem Deutschen Caravaning Industrie Verband, der die Interessen dieser Industrie vertritt, wurden in Deutschland allein diesen August fast 8500 Freizeitfahrzeuge neu zugelassen, ganze 30 Prozent mehr als 2019. Es sind zwar weniger als im Sommer 2020, als Wohnwagen oder -mobile die Notlösung zu den Beschränkungen in Hotels und Pensionen dargestellt haben, aber nichtsdestotrotz weiterhin sehr viele. Nach dem Lockdown haben auch zahlreiche Rumänen diese Reisemöglichkeit wahrgenommen und Urlaub in Häusern auf Rädern ausprobiert. Hierzulande ist Campen eine Neuheit. Der 2020 entstandene Trend sinkt bereits wieder, wie mehrere Inhaber von Vermietfirmen erklären. Genaue Statistiken gibt es allerdings nicht. Für manche ist diese Art zu reisen ein älterer Traum und hat nichts mit SARS-CoV-2 zu tun, für andere ist es ein Lebensstil, andere wiederum wollen einfach nur mal anders Ferien machen.

Die Autorin dieser Zeilen wollte diese Art des Reisens im März 2020 ausprobieren: Eine einwöchige Reise mit einem von Bekannten gemieteten Wohnmobil durch Siebenbürgen war als Geburtstagsgeschenk geplant. Es sollte der erste besondere Urlaub für mich und meine Familie werden. Alleine, unabhängig, flexibel, frei. Die Lage weltweit war wegen des neuartigen Virus jedoch erschreckend, Menschen starben. Die Schulen wurden geschlossen. 

Zu meinem 40. Geburtstag erklärte die Weltgesundheitsorganisation die Pandemie. Die Reise fiel ins Wasser. Ich träume weiterhin von Wohnwagen und Wohnmobilen. Bislang blieb es nur dabei. Somit konnte ich mich nicht davon enthalten, die Camper-Karawane aus Deutschland zu treffen, mit der mein Vater in Kronstadt/Bra{ov und Umgebung zwei Tage lang unterwegs war. Er ist (auch) pensionierter Reiseleiter. 

In einem Pfarrhaus in der Oberen Vorstadt/Schei, das auch als Restaurant fungiert, treffe ich eine Gruppe von 30 Rentnern. Sie essen zu Mittag, plaudern, lachen. Es gibt Bohnensuppe, dazu rote Zwiebel und scharfe Pfefferoni – für die, die sich trauen. Recht wenige. Kartoffeln mit Fleisch und Salat. Das Dessert macht alle neugierig: Coliva (ein sogenannter Opferkuchen aus gekochtem Weizen, Honig und Nüssen, der bei den Orthodoxen meist nach Beerdigungen zur Erinnerung an einen verstorbenen Menschen verteilt wird).

Man braucht sich um nichts zu kümmern

Nach dem Essen stelle ich mich vor die Gruppe und werfe Fragen in die Runde, kriege zahlreiche Antworten, höre viele Geschichten. Es ist bezaubernd. Diese Leute reisen für ihr Leben gern mit dem Wohnwagen/-mobil. Manche tun es schon seit Jahrzehnten, andere erst seit sie in Rente sind und mehr Zeit haben. 

Die Hälfte von ihnen sind mit ihren Caravans zum ersten Mal in so großer Gemeinschaft unter-wegs, gewöhnlich reisen sie individuell mit ihren Reisemobilen oder Gespannen. Wegen den Gerüchten über Rumänien sei es sicherer, auf diese Weise die beiden östlichen europäischen Länder (nach Rumänien wird noch Bulgarien bereist) zu befahren. „Die Campingplätze, wo wir campieren, sind geprüft und sicher und wir brauchen uns um nichts zu kümmern“, sagt eine Dame mit Brille. 

Aus einem Katalog der Reisefirma können sich die Touristen Sehenswürdigkeiten auswählen, die sie besichtigen wollen, aller-dings müssen sie abends beim angegebenen Campingplatz eintreffen. An manchen Tagen gibt es Busfahrten, wie beispielsweise die Tour nach Törzburg/Bran, Kronstadt und Sinaia. Das ist eine ausgezeichnete Gelegenheit für die Pensionisten, sich näher kennenzulernen. Bei Tisch werden Pläne für eine Geburtstagsfeier geschmiedet. Auch Enkelkinder und Kinder sind ein Thema und die Länder die man besucht hat, das Berufsleben…

„Wenn man alleine reist, findet man solche Restaurants nicht, man erfährt nicht so viele interessante Dinge über jeden Ort“, erklärt ein Herr begeistert. Außerdem kennen die deutschsprachigen Führer in den Städten Sehenswürdigkeiten, Lokale, Gerichte, Traditionen, Geschichte. „Das meiste, was sie uns erzählen, vergessen wir, aber wenn wir später auf die Fotos schauen, erinnern wir uns daran wie es war“, erklärt er. Die Gruppe lacht herzhaft, stimmt aber zu. 

Überrascht von der Entwicklung

Eine einzige Touristin aus der Gruppe war bereits in Rumänien, Mitte der 1970er Jahre. „Für mich ist das jetzt eine Nostalgiereise“, sagt sie und erklärt sich überrascht von der Entwicklung. „Damals fuhren Planwagen mit Zigeunern auf den Straßen“. Die Dörfer in Siebenbürgen waren sauber, Frauen hingen ihre Handarbeiten an die Tore, zahlreiche Kinder winkten ihnen zu. Sie wollte unbedingt nochmal nach Rumänien und würde jedem raten das Land zu bereisen, um dessen Schönheiten zu entdecken. 

Recht beeindruckt zeigt sich eine Dame mit frisch gefärbten Haaren über die Disziplin, die sie im Stadtzentrum gesehen hat. „Die Leute, auch Junge und Kinder, tragen Mund-Nasen-Schutz auf der Straße, und sie tragen sie richtig“, sagt sie. Dass sich nur rund 30 Prozent der Bevölkerung Rumäniens hat impfen lassen bringt die Touristen dafür aber mächtig zum Staunen. 

Das Hobby zum Beruf gemacht

Für die 27-tägige Reise durch Rumänien und Bulgarien sind Andrea und Matthias Seidel zuständig. Sie sind eines der sieben Paare, die bei Kuga Tours Touristengruppen durch verschiedene Länder mit dem Reisemobil (beg)leitet. Knappe 300 Tage im Jahr verbringen sie auf Rädern. Sie sind Camper seit 1989, Reiseleiter seit 2015, nachdem ihr jüngster Sohn ausgezogen ist und sie ihr Hobby zum Beruf machten. 

Die Nachfrage nach Gruppenreisen sei seit der Pandemie sehr gestiegen, allein für die Rumänienreise dieser Firma mussten heuer statt einer einzigen Tour zwei veranstaltet werden. Auch viele andere Touren der Firma, weltweit, waren ausgebucht und mussten ergänzt werden.

Nach diesem Treffen scheint mir ein Urlaub mit einer Gruppen auch interessant zu sein, besonders für einen ersten Kontakt mit der Welt der Reisemobile. Die Nähe zur Natur, die Flexibilität der Reiseplanung, die Freiheit zu frühstücken wann man möchte, nicht in einem vom Hotel bestimmten Intervall, aber auch im quasi eigenen Bett, der eigenen Bettwäsche zu schlafen… diese Vorteile kann man auch in der Caravan-Gruppe haben. Zurückziehen kann man sich sowieso jederzeit, denn im Wohnmobil hat man sein eigenes Reich. 

Die Reisegruppe, die ich in Kronstadt getroffen habe, hat bereits die Moldauklöster, Siebenbürgen, Bukarest, das Donaudelta und die Schwarzmeerküste besichtigt und befindet sich derzeit in Bulgarien. Die Reise wird in Ancona, Italien, enden, von wo aus dann die Heimreise nach Deutschland angetreten wird.