Impfzwang demokratisch

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Gern möchte ich glauben, dass die Leser dieser Rubrik gegen SARS-CoV-2 geimpft sind. Sind sie es nicht, hat diese alldonnerstägliche Rubrik in der ADZ eines ihrer Hauptziele verfehlt, einen Beitrag zur Ermunterung des Seins als mündiger Bürger dieses Landes zu liefern.

„Ich finde, es ist der Augenblick gekommen, Daten zu liefern, ohne plakativ zu schreiben ‘Lass dich impfen!’“, schreibt einer der im Kampf gegen die Corona-Pandemie als erfolgreich bekannt gewordenen Temeswarer Ärzte, Dr. Vigil Musta. Er bringt Daten aus offiziellen Quellen: Vom Nationalen Institut für Öffentliche Gesundheit, von der WHO usw. Dr. Mustas Statistikauswahl zeigt: Es gibt eklatante Unterschiede beim Ausbruch der vierten Corona-Ansteckungswelle zwischen Ländern, in denen viele geimpft sind, und solchen wie Rumänien, wo das Immunisieren durch Impfung vernachlässigt wurde und wird (eindeutig trägt da Präsident Johannis eine Schuld mit seiner Aussage, er halte nichts vom Wert des Impfzwangs. – Wirklich? Nicht einmal fürs medizinische und schulische Personal und für die Schalterbeamten aller Institutionen?). „Die Statistiken zeigen einen klaren Unterschied zwischen den Staaten, die viel geimpft haben und jenen, wo wenig geimpft wurde“, schreibt Dr. Musta. „Die Statistiken untermauern die Tatsache, dass Vorbeugung die effizienteste Maßnahme ist, um die Pandemie unter Kontrolle zu halten. Nicht die Krankenhausbehandlung.“

Noch nie in seiner Geschichte habe sich Rumänien mit einer so hohen Erkrankungsrate an einer ansteckenden Krankheit und mit einer so hohen Rate der Todesfälle konfrontieren müssen, sagt der Arzt. Prävention, das habe der bisherige Verlauf der Pandemie weltweit gezeigt, sei unvergleichlich kostengünstiger als eine Krankheitsbehandlung, egal ob ambulant oder im Krankenhaus. „Diesen Krieg kann niemand auf dieser Welt im Krankenhaus gewinnen“, schreibt Dr. Musta. „Jede Krankenhausbehandlung hat einen Pferdefuß: Sie ist teuer. Deswegen ist Prävention besser. Die Gesellschaft verkraftet sie leichter. Eine Injektion gegen Corona kostet rund 20 Euro. Im Durchschnitt. Ein Krankenhausaufenthalt kann hunderttausende Lei kosten. Ich hatte Fälle auf der Intensivstation, die an 300.000 Lei herankamen. Wenn wir alle wirklich wollen, dass dieses Land wirtschaftlich aufwärts geht, vorwärtskommt, dann kann jeder dabei helfen: durch Prävention. Nach anderthalb Jahren gnadenlosen Kampfes mit einem hinterhältigen Virus ist das medizinische Personal erschöpft. Ich bin überzeugt, dass wir Ärzte den Menschen am besten dann helfen, wenn wir ihnen beibringen, wie wichtig und wie wirksam Prävention ist. Die Statistiken sind uns dabei behilflich. Unsere Krankenhäuser sind heute viel besser auf den Kampf mit dem Virus vorbereitet – aber noch weit weg von jenen des (westlichen) Auslands. Ich dränge niemanden, sich impfen zu lassen. Aber ich erwarte von jedem, dass er Daten vergleicht, dass er Überlegungen anstellt, dass er auf seinen gesunden Menschenverstand hört. Einzige logische Einsicht: Nichts ist besser als vorbeugendes Impfen!“

Rumänien steht grottenschlecht da beim Vorbeugeimpfen gegen SARS-CoV-2: Bei etwa der Hälfte des europäischen Durchschnitts. Kaum ein Drittel der Bewohner des Landes ist geimpft, auf dem Land zehn bis zwanzig Prozent. Die staatlichen Behörden werben matt für´s Impfen, der Präsident hat seine Skepsis gegenüber dem Impfzwang geäußert (ein exzellentes Argument für alle Impfskeptiker!), die Ärzteschaft ist der Mahnungen müde – oder selber impfskeptisch, die Lehrerschaft genauso. Der politische Wille zum Impfzwang-der-Demokratie-zum-Trotz fehlt. Doch warum gibt es einen Zahlungszwang der Steuern und nicht auch einen Impfzwang, wenn davon mindestens ebenso Wohl und Wehe des Volkes abhängen? 

Wen oder was fürchten die Regierenden, um das zu tun, was gut (oder gar besser) wäre für alle?