Ist Englisch eine Gefahr  für die europäische Sprachenvielfalt?

Hans-Peter Niedermeier warnt vor dem Verlust von Kultur und Identität

Prof. Dr. Hans-Peter Niedermeier während seines Vortrags im Schillerhaus. Foto: der Verfasser

„Meine Heimat ist Bayern, mein Vaterland ist Deutschland, unsere gemeinsame Zukunft ist Europa!”, lautet ein bekanntes Zitat, dass Franz-Josef-Strauß, dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten, zugeschoben wird. Ein Zitat, durch welches Prof. Dr. h.c. mult. Hans-Peter-Niedermeier – als selbsternannter „Herzens-Europäer“ – geprägt wurde, wie er am vergangenen Donnerstag, den 16. März, im Schillerhaus erklärte. Zehn Gäste waren gekommen, um seinen Vortrag über „Medien und die Globalisierung der Sprache“ zu hören. Bekommen haben sie eine sehr subjektive Einschätzung der Rolle und Entwicklung deutschen Sprache und eine Warnung vor der Übernahme des Englischen im Sprachgebrauch, da dies laut Niedermeier Kultur, Heimat und Identität gefährde.

Dabei ist Niedermeier im Schillerhaus kein neues Gesicht. Bereits 1981 war er das erste Mal zu Zeiten des sozialistischen Rumäniens im alterwürdigen Gebäude, und das für eben jenen Franz-Josef-Strauß: „Der Bundesminister Strauß wollte mit Ceaușescu über den Freikauf von Rumäniendeutschen sprechen. Damit der Besuch öffentlich nicht groß beachtet wird, sollte es vordergründig eine Ausstellung über Bayern geben“, erklärte Niedermeier, der an der Organisation beteiligt war. 

Losgelassen hat ihn Osteuropa und Rumänien danach nicht mehr. Immer wieder reist er nach Rumänien und seine Nachbarländer, um den Einfluss der deutschen Sprache zu stärken und zu unterstützen. So erfolgreich, dass er den Ehrendoktortitel unter anderem an der Lucian Blaga-Universität in Hermannstadt/Sibiu erhielt. 

Die Sprache prägt die Welt

„Die Sprache und das Leben sind unzertrennlich“, erklärt er. „Sie prägt unsere Auffassung von der Wirklichkeit.“ Und damit nicht genug. „Sprachregeln haben außerdem politischen Einfluss, schaut man nur auf die großen Verführer Hitler und Stalin und wie sie mit der Sprache gearbeitet haben!“ Sprache ist laut ihm eben nicht nur Kommunikations- und Verständigungswerkzeug, sondern hat einen viel tiefgreifenderen Einfluss auf die Identität und den Umgang in einem Land. 

Deshalb fürchtet Niedermeier das Aussterben seiner eigenen Sprache – der deutschen Sprache. „Deutsch ist einfach nicht sexy“, erklärt der Bayer, welcher mit einem klar hörbaren bayerischen Dialekt spricht. „Sie hat ein schlechtes Image“, behauptet er, obwohl die Sprache zu einer der beliebtesten Fremdsprachen in Rumänien zählt und deutschsprachige Schulen und Studiengänge gut besucht sind. „Dies kann man einfach nicht ändern. Aber die Deutschen sagen ganz oft mit einer Spur Arroganz und Mitleid: ‚Deutsche Sprache, schwere Sprache‘, dabei stimmt das gar nicht“, glaubt er persönlich, führt aber nicht aus, wie er zu dieser Einschätzung kommt. „Mit ein paar Füllwörtern wie ‚denn‘ oder ‚gell‘ wird sie auch um einiges geschmeidiger, flüssiger und freundlicher!“

Außerdem biete sie als „Lego-Sprache“ viel Potenzial zur Wortneuschöpfung. Was er damit meint? Im Deutschen beschreibt man Sachen mit Wortzusammenstellungen. Zum Beispiel bei Ärzten: der Frauenarzt, der Zahnarzt, der Hausarzt. Wohingegen im Englischen die drei Begriffe komplett unterschiedlich lauten: gynecologist (Frauenarzt), dentist (Zahnarzt), familiy doctor (Hausarzt). 

Die perfekte Möglichkeit, um neue Entwicklungen in der Welt mit deutschen Wörter zu benennen, glaubt Niedermeier. Zum Beispiel könnte man diesem Gedanken folgend ein Smartphone ein „intelligentes Telefon“ und eine Public-Viewing-Veranstaltungen „öffentliches Schauen“ nennen. Er möchte also die bereits bestehenden englischen Begriffe mit neu erfundenen deutschen Wörtern ersetzen, was in der Geschichte bereits mehrfach gescheitert ist, etwa beim französischen Begriff „Rendez-vous“: Dieses hätte man in Deutschland laut Erfinder Joachim Campe, der sich  im 19. Jahrhundert der Verteidigung des Deutschen gegen die französische Sprache verschrieben hatte, „Stelldichein“ nennen. Dies konnte sich im natürlichen organischen Sprachgebrauch jedoch niemals gegen das beliebtere Wort durchsetzen – heute ist der französische Begriff ersetzt durch das englische „Date“.

Ist das Englische unaufhaltsam?

Doch hier fängt das Hauptproblem für Niedermeier an: Der Einfluss der englischen Sprache aus Großbritannien und den USA, welche in seinen Ohren genauso unerotisch wie das Deutsche sei. Gefördert durch den immer weiter wachsenden Globalismus, welcher Englisch als eine Art Weltsprache immer mehr in das Zentrum aller Länder der Erdkugel bringt. Die Wissenschaft kommuniziere nur noch auf Englisch, erklärt er, sowie große Unternehmen, die Medien, die Politik und ebenfalls die meisten Menschen in Europa,  als Zweitsprache. 
Dieser Einfluss schlage sich auch direkt auf die deutsche Sprache wieder: Anglizismen oder Amerikanismen würden laut ihm immer verbreiteter im gesprochenen Wort und in den Medien. Ganze 4000 davon gebe es mittlerweile im Sprachgebrauch, wie er behauptet. Worte wie Meeting, Relaxing, Work-Live-Balance hätten ihre deutschen Übersetzungen aus dem Sprachgebrauch gedrängt. 

„Dabei sind Deutsch und Rumänisch vollständige Kultursprachen!“, echauffiert sich Niedermeier. „Es kann nicht sein, dass Zeitungen und Medien durch eine Modeschau der Sprache unverständlich für die Bürger sind!“. Dabei lässt er jedoch außer Acht, dass genau diese Anglizismen und Amerikanismen bereits so weit in den Sprachgebrauch vorgedrungen sind, dass sie für die aller meisten Menschen verständlich sind. Die zusätzlich zur deutschen Sprache gestoßenen englischen Worte stören ihn so sehr, dass er außerdem fordert, dass die Medien „für die Allgemeinheit verständlich und vorbildhaft sein sollten“ und sich der globalen Entwicklung widersetzen sollen. Die zusätzlichen englischen Worte seien für ihn „ein beachtlicher Pickel und eine große Narbe im Gesicht der Sprache“. 

Genauso möchte der konservative Wissenschaftler persönlich die Worte auf einer Speisekarte wiederfinden, die dort auch in seiner Kindheit standen: „Wenn ich in ein Restaurant gehe, möchte ich weiterhin ein Zigeunerschnitzel oder einen Mohrenkopf bestellen“, auch wenn es in der deutschen Sprachgeschichte üblich ist – gerade nach der NS-Zeit – eindeutig diskriminierende Begriffe wie unter anderem „Untermensch“ oder der Begriff „Rasse“ im Bezug auf Menschen nicht mehr zu verwenden. Den Bezug zum Verlust des Deutschen, welche sich wie jede Sprache immer kontinuierlich entwickelt, stellt er an dieser Stelle nicht heraus. 

Wie geht die EU damit um?

Die zentrale Bedrohung sieht er sowieso in der englischen Sprache, welche nach der Wende in der ehemaligen DDR sowie den Staaten im Ostblock das Russische als Lingua franka verdrängt habe. Das stellt für ihn auch die EU, als starkes Länderbündnis in Europa, vor eine Herausforderung: „Soll in der EU das Englische als allgemeine Sprache dominieren, oder will man eine EU mit vielen unterschiedlichen Nationalsprachen und Identitäten? 

Die EU hat sich für zweiteres entschieden, gerade wegen unter anderem Frankreich, welches auf den Erhalt seiner Sprache besteht“, lobt er. Trotzdem sei die Ausbreitung des Englischen – welche sich laut ihm nach und nach zu einem Verständigungsmittel anstatt einer lebendigen Sprache entwickle – nicht mehr zu stoppen.

So auch im universitären Rahmen, welcher ihm sehr vertraut ist. Dadurch, dass die Wissenschaft nur noch in Englisch arbeite, werde Menschen ohne Englischkenntnissen der Zugang verwehrt. Insgesamt verlieren laut ihm Menschen ihre Sprache und Dialekte, welche sie in ihren jeweiligen Regionen spreche. „Damit verlieren wir eine Messlatte der eigenen Kultur und Identität“, glaubt er. „Als großer Optimist“, möchte er deswegen warnen und auf Besserung hoffen – dennoch glaube er nicht, dass sich der Trend in nächster Zeit umkehren werde.