„Jede Person hat das Recht, Architekt des eigenen Hauses zu sein“

Interview mit dem Architekten und Designer Thomas Strumberger

„Hindernisse trifft man immer auf jedem Weg, aber man merkt auch, wenn man hartnäckig dranbleibt, dass es immer auch Lösungen gibt. Ausnahmslos.” – Thomas Strumberger.
Fotos: privat

„Cube House“

„Cozy Home“

Thomas Strumberger hat als Architekt fünf Jahre lang in Österreich gearbeitet, unter anderem im Architekturbüro des renommierten Architekten Markus Ostertag und mit der deutschen Baufirma Bennert Gruppe. Trotz der Erfolge im Ausland entschied sich Strumberger, in seine Heimatstadt Temeswar zurückzukehren, wo er nun als Architekt und Designer arbeitet und zusammen mit seiner Frau auch das kleine Cafe Mokum betreibt. ADZ-Redakteur Robert Tari sprach mit ihm über die Hürden, die man als Architekt in Rumänien bewältigen muss, und was ein Haus oder eine Wohnung überhaupt wohnenswert macht. 

Sie haben Ihre Laufbahn als Architekt im Ausland begonnen, sich dann aber entschieden, nach Temeswar/Timișoara zurückzukehren. Neben Architektur ist auch Interior Design ein wichtiger Bereich Ihrer Arbeit. War es ein kultureller Schock, als Sie erste Aufträge von rumänischen Kunden, sei es Architektur-Aufträge oder Interior Design, angenommen haben?

Architektur und Interior Design überschneiden sich tatsächlich in manchen Punkten, ich möchte das nur vorweg unterstreichen. Denn es gibt auch eine Grenze, wo sich die zwei wieder trennen. Der Architekt wird nicht zum Dekorateur, stattdessen ist es empfehlenswert, dass sich der Architekt um gewisse Teilaspekte kümmert, um Volumetrie, Beleuchtung, Textur. Danach sollte ein Kunde schon eng mit einem Designer zusammenarbeiten. Ich hatte die Gelegenheit in einem der angesehensten Architektur-Büros Wiens zu arbeiten, bei Markus Ostertag. Danach habe ich mit dem deutschen Bauunternehmen Bennert Gruppe drei Jahre lang zusammengearbeitet. Ich habe insgesamt fünf Jahre lang mit ausländischen Firmen gearbeitet und ich bin zum Teil in Wien aufgewachsen, ich erlebte die Stadt das erste Mal mit zehn Jahren. Meine Zukunft war somit gesichert.

Trotzdem haben meine Frau Oana und ich uns entschieden, nach Hause zurückzukehren. Und es gibt klar Unterschiede zwischen westlichen Städten und den Städten in Osteuropa. Das hat aber auch seinen Reiz. Es herrscht viel Potenzial, es gibt viele Entwicklungsmöglichkeiten. Und ich habe tatsächlich anfangs Hindernisse überwinden müssen. Es gab einen Moment, in dem ich mir selbst die Frage stellen musste: Welche Lösungen gibt es? Wie kann man als Architekt bessere Lösungsansätze finden? Und auf der Suche nach einer Antwort kamen auch die Ideen und ein wichtiger Ansatzpunkt war: Um gute Ergebnisse zu erzielen, muss man die richtigen Fragen stellen. Es war ein Schlüsselmoment für mich, als ich zu dieser Erkenntnis kam. 

Im Westen arbeiten Architektur-Büros nicht anders. Sie stellen systematisch personalisierte Fragen an ihre Kunden, um so ein Profil zu erstellen und zu erfahren, was der Kunde eigentlich will. Ich kenne niemanden bei uns, der das so systematisch macht – einen Fragebogen mit 10-20 Fragen vorbereiten, abgestimmt auf den Kunden, mit Schlüsselfragen an die du vorher gedacht hast. Diese Herangehensweise hat meine Arbeit revolutioniert und hat mich in meiner Arbeit erfüllter gemacht. Es hat alles geändert. Auch für die Kunden, die dadurch erst das Haus entdecken, dass sie sich eigentlich wünschen würden. Und das ist nur dann möglich, wenn man zur Einsicht kommt, dass jede Person das Recht hat, der Architekt seines eigenen Hauses zu sein. Das Haus gehört dir. Der Architekt muss zuhören, er muss empathisch sein und begreifen, dass seine Rolle, die eines Wegweisers ist, während des kreativen Schaffensprozesses.

Ich selbst habe immer Personen gesucht, von denen ich lernen konnte. Eine davon war Seth Godin. Nachdem ich einige seiner Bücher gelesen hatte, habe ich ihm geschrieben und ihn gefragt, wie ich beruflich fortfahren soll? Die Frage war kindlich, aber er antwortete mir und wir sind ins Gespräch gekommen, er widmete mir einen Artikel, in dem er genau das ansprach: Wir sollten nicht versuchen unsere Überzeugungen den Kunden aufzudrücken und stattdessen lernen, gute Zuhörer zu sein.

Über Geschmack lässt sich nicht streiten, aber es gibt bestimmt Fälle, in denen man zu einem Kunden und seinen Vorstellungen nicht passt. Vermutlich geht das mit der Zeit weg, sobald man ein Portfolio hat und Kunden einen gezielt suchen, eben aufgrund des persönlichen Stils. 

So ist es. In dem Augenblick, in dem man sich eine Nische aussucht, indem man gewisse Projekte ablehnt und man zum Beispiel nur an Familienhäusern arbeitet, die nicht für Bauunternehmen gedacht sind, dann wird auch entsprechend der Kundenkreis kleiner, besonders in Temeswar. Indem man keine Restaurants, Arztpraxen oder Hochhäuser entwirft, sondern nur Häuser, wird man mit der Zeit zunehmend zum Experten. Du wirst immer besser darin und es suchen dich dann auch andere Kunden. Du musst dann nicht mehr diesen Überredungskampf führen.

Was den Stil betrifft, habe ich mich lange Zeit gefragt, ob es richtig ist, auf einen gewissen Stil zu beharren. Aber, in diesem Fall bin ich anders. Ich kann den Geschmack und die Wünsche von Kunden akzeptieren und versuche damit zu arbeiten, ich sehe es als eine Herausforderung an. Wichtig ist, dass man eine Atmosphäre schafft. Das ist wesentlich wichtiger als die Form. Es ist für mich ausschlaggebend, wie man sich letztendlich in dem neuen Haus fühlt. Textur, Farbe, Licht, die Klänge des Hauses, sie alle tragen zum Wohlergehen bei. Wenn es sich heimisch anfühlt, habe ich meine Arbeit getan. Der Augenblick, in dem ich zu dieser Erkenntnis kam, brachte mir Klarheit in meiner Arbeit. 

In Temeswar wird anscheinend chaotisch gebaut, ein Mischmasch aus verschiedenen Stilen, die nicht unbedingt die Region widerspiegeln. Aber vielleicht ist dieses wahllose Bauen ohne Charakter auch ein Zeichen dafür, dass es noch an Geld mangelt und sich Menschen nicht mehr leisten können.

Genau. Wir alle haben es festgestellt. Viele Menschen fragen mich, wieso alle Häuser so gleich ausschauen oder wieso alle so hässlich sind und warum weiterhin gebaut wird und die Nachfrage besteht. Dieses Problem hat auch Alain de Botton in dem Dokumentarfilm „The Perfect Home“ 2006 aufgeworfen. Darin seine These: Ein neues Haus kann nicht wie ein Haus ausschauen, das vor hundert oder vor 50 Jahren gebaut wurde. Das ist unethisch.

 Die Bauprojekte, die uninspiriert wirken, denen es an Persönlichkeit fehlt, das sind Projekte, die von Baufirmen generiert und vervielfacht werden. Nach dem Prinzip: Der Mensch kauft ein Produkt, dass er auch sehen kann. Du schaust es dir an, es gefällt dir und du kaufst es. Es ist schwer sich vorzustellen, wie es wohl wäre, in einem schöneren Haus zu leben. Auch im Ausland besteht dieses Problem. Es ist leichter einen Käufer von einem fertigen Produkt zu überzeugen als von etwas, das sein könnte. Bei uns sieht man klar, dass es sehr wenige moderne Häuser gibt, welche unsere Zeiten widerspiegeln. Es ist mehr eine Imitat-Architektur. Es ist aber auch nicht verkehrt, die Traditionen oder die architektonische Geschichte eines Ortes zu bewahren. Nicht das ist das Problem. Woran man scheitert ist die Uminterpretation. 

Obwohl viele Häuser stilistisch nicht an regionale Vorbilder angelehnt sind. Es sind oft Häuser, die man eher im Mittelmeerraum finden würde.

In einem entwickelteren Land wird mehr Geld in alles investiert. Dort wo es eine finanzielle Sicherheit gibt und Bildung, dort entstehen auch Sachen, die schöner sind. Zweifellos wird in westlichen Ländern eine bessere Architektur betrieben. Aber auch sie setzen sich mit den gleichen Problemen auseinander: Der Versuch zu bewahren. Auch in Deutschland und Österreich gibt es Reihenhäuser, die von Baufirmen nach Standardplänen gebaut werden. Besonders im dörflichen Umfeld. 

Die meiste Zeit verbringen wir im Inneren des Hauses. Oft schaut ein Haus von Außen gut aus, stellt sich aber als unbewohnbar heraus, sobald man sich die Innenräume anschaut.

Es gibt viele Projekte von Häusern, die wettbewerbsfähig sind. Welche die Kriterien erfüllen, die sich aber danach als nicht ganz das Richtige entpuppen. 

Ein Haus muss ein Heim für eine Familie sein und man muss sich einfach gut fühlen darin. Wir sind schließlich Menschen. Wir sind empfindsam, wir binden uns emotional. Meine Pflicht als Architekt ist es, dir dabei zu helfen, einen Ort zu schaffen, wo du dich am besten fühlen kannst. Das ist das Wesentliche. In einer Studie gaben 70 Prozent der Befragen an, dass ihr emotionales Empfinden von den Räumlichkeiten in ihrem Haus beeinträchtigt wurde. Und 60 bis 80 Prozent unseres Lebens verbringen wir im Haus. Es ist also wichtig, dass wir uns entsprechend gut fühlen. Und oft wissen wir nicht, was zu unserem Wohlsein beisteuert. Viele Sachen nehmen wir unbewusst war. Die Zimmer sind zu dunkel. Gleichzeitig wissen viele auch nicht, weshalb sie sich in einem bestimmten Raum gut fühlen. 
Wenn man qualitative Architektur auf ein Wort reduzieren könnte, würde ich von Atmosphäre sprechen. Nicht anders hat es auch der Architekt Peter Zumthor gesagt. Diese Atmosphäre nehmen wir sensorisch war: Die Art und Weise, wie das Licht einfällt, wie es im Haus riecht, wie sich das Haus anhört, wie man sich selbst im Haus hört, die Texturen, die Farben. Zum Beispiel wird in Deutschland Holz nicht mit Lack behandelt, sondern nur mit Öl oder gar nicht. Sobald man Lack aufsetzt, verliert das Holz Eigenschaften, die ihm eigen sind. Das Zwischenspiel all dieser Elemente trägt dazu bei, dass man sich in einem Haus wohl fühlt. 

Welche zeitgenössischen Architekten beeinflussen Ihre Arbeit?

Es gibt natürlich viele Architekten, die mich beeinflussen: STUDIO KM27, JJRR, Arquitectura, Peter Zumthor. Aber Inspiration kommt nicht bloß aus der Architektur. Auch Design und Designer inspirieren mich: Philippe Starck oder Charles Eames, Stefan Sagmeister, Jonathan Barnbrook. Musik: Olafur Arnalds. 

Es gibt viele Inspirationsquellen. Eine Idee kann aus der Natur entstammen, aus einem Objekt. Meistens sind es Fragmente, kleine Eingebungen, die ich dann zu einem kohärentem Ganzen zusammenführe. Eine der Übungen, die ich mit Kunden mache: Er muss in drei Worten zusammenfassen können, welches das Thema des Projektes sein soll. Eine meiner Lieblingsfragen, die ich Kunden stelle und auf die ich oft lange Antworten erhalte: Was war der Ort, wo du dich in deiner Kindheit am Besten gefühlt hast? Das sind die Fragen, mit denen man anfangen sollte. Natürlich gehen wir dann langsam ins Pragmatische über. Wir fangen bei dem Abstrakten, Dichterischen an und kommen dann zum technischen Teil. Schließlich entwerfen wir ein Haus.