Kultur braucht Schutzschild gegen Kitsch

Ungereimtheiten in der Hermannstädter Verwaltungsleitstelle des Kulturministeriums

Mag Hermannstadt auf der Elisabethgasse Hausnummer 47 auch alt aussehen – hier findet sich der Reichtum zeitlosen Wissens.

Der Besitzer des Wohnhauses Nummer 40 auf der Elisabethgasse in der Unterstadt hätte die zwei Fenster mit hölzernen Jalousien gerne durch eine Schauvitrine und eine neu in die Wand gebrochene Straßentüre abgelöst. Es wurde ihm bislang nicht gestattet. Fotos: Klaus Philippi

Mittvierziger Valentin Delcă, geistlicher Beirat der rumänischen Filiale des Schweizer Suchthilfe-Vereins „Blaues Kreuz“,  wurde im September 2017 zum Direktor der Kultur-Verwaltungsleitstelle des Verwaltungskreises Hermannstadt (Direcția Județeană pentru Cultură Sibiu) berufen: Ein orthodoxer Theologe und Alumnus der lokalen Lucian-Blaga-Universität (ULBS), der aus dem nördlich vom Iezer- und Fogarascher Gebirge flankierten Tal des Râul-Doamnei-Flusses im Verwaltungskreis Arge{ stammt, die deutsche Sprache auf konversationsreifem Niveau beherrscht, den Masterstudiengang Sozialethik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn abgeschlossen sowie vor seiner Verbeamtung als Direktor der Kultur-Verwaltungsleitstelle als Priester der Orthodoxen Kirche Rumäniens (BOR) in Hermannstadts Nachbarort Schellenberg/Șelimbăr gedient hat.

Wenige Monate vor der vertraglichen Verpflichtung von Valentin Delcă hatte sich die Kultur-Verwaltungsleitstelle des Verwaltungskreises Hermannstadt zudem die Dienste der Architektin Ștefania-Ana Romașcan gesichert, die im Organigramm eben-dieser Institution noch heute als ranghöchste Fachinspektorin fungiert. Valentin Delcă seinerseits gab der Hermannstädter Lokalzeitung „Tribuna“ wenige Wochen nach seinem Amtsantritt in den Büroräumen in der 1. Etage der Hausnummer 6 auf der Quergasse/Tribunei ein Interview, publiziert am 25. Oktober 2017, worin er sich frei zu der Äußerung bekannte, dass „die Baudenkmäler und geschützten Zonen des Verwaltungskreises Hermannstadt sowie unserer Stadt vor destruktiven Interventionen bewahrt werden müssen!“ So lautete die klare Ansage aus dem Mund des kulturell vielseitig und mehrsprachig gebildeten Intellektuellen, dem die Leitung einer kreisweiten Verwaltungsleitstelle anvertraut wurde, die ihrerseits nur noch dem Nationalen Kulturministerium Rechenschaft abzulegen und in ihrem regionalen Einzugsgebiet Sorge für die ordentliche Begleitung der Beratungen und Sitzungen der Regionalen Kommission für Historische Baudenkmäler Nr. 9 (Comisia Zonală ale Monumentelor Istorice (CZMI) Nr. 9) zu tragen hat. Im Frühjahr 2019 verweigerten Valentin Delcă und Ștefania-Ana Romașcan in ihrer Eigenschaft als Staatsbedienstete die Genehmigung für die Fassadenrenovierung des Hauses Nummer 40 auf der Elisabethgasse/9. Mai, dessen Inhaber seine mehrere hundert Jahre alte Wohnimmobilie mutmaßlich zur kommerziellen Nutzung umgestalten wollte.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite des noch immer nicht renovierten Wohnhauses Nummer 40 ist unter der Hausnummer 47 ein neues und weiträumiges Antiquariat für Bücher, Postkarten, Bilderrahmen, Radioapparate und Schreibmaschinen auszumachen – ein schlagender Gegenbeweis für den ätzenden Schlachtruf Einzelner, im alten Hermannstadt dürfe nichts mehr gebaut oder renoviert werden.

Im Hochsommer laufenden Jahres gab Valentin Delcă der Hermannstädter Lokalzeitung „Turnul Sfatului“ ein Interview, das Abends am 26. Juli auf der gleichnamigen Homepage veröffentlicht wurde. „Das Zentrum Hermannstadts schaut noch sehr gut aus, aber die Geschwindigkeit, mit der es auf Kitsch zusteuert, ist sehr groß“, gab der Direktor der regionalen Kultur-Verwaltungsleitstelle im Gespräch mit dem Chefredakteur der lokalen Online-Zeitung zu bedenken.
Zwei Monate später ging Fachinspektorin und Architektin Ștefania-Ana Romașcan mit einem an das Kulturministerium adressierten Beschwerdebrief und der Bitte um schnellstmögliche Unterstützung beim Katalogisieren der Archivbestände der Kultur-Verwaltungsleitstelle des Verwaltungskreises Hermannstadt an die Öffentlichkeit. Sie schreibt in einem öffentlichen Brief, der in der Online-Zeitung www.justitiarul.ro nachgelesen werden kann, dass sie von Büro-Kollegen und Mitgliedern der CZMI Nr. 9 bereits mehrfach in verbal hetzender Art und Weise unter Druck gesetzt worden zu sein. Ihr schriftlicher Ruf um Hilfe blieb nicht ohne Unterstützung, da der in Alzen/Alțîna eingetragene Verein „Monumentum“ Ende September auf dem Online-Portal der Nichtregierungsorganisation „Declic“ eine Kampagne zur Sammlung von Unterschriften für die „Rettung der Kultur-Verwaltungsleitstelle des Verwaltungskreises Hermannstadt“ (Salvați Direcția Județeană pentru Cultură Sibiu) gestartet hat, die von Menschen, denen rechtschaffender Umgang mit Kulturerbe am Herzen liegt, unterschrieben werden möchte. Der für die Teilnahme an der Kampagne werbende Verein „Monumentum“ rechnet mit 800 Unterschriften. Zur Stunde, als ich diesen Artikel schreibe, fehlen im noch 154.

Einstweilen gab die lokale Online-Zeitung „Turnul Sfatului“ am 15. September 2020 bekannt, dass die Kultur-Verwaltungsleitstelle des Verwaltungskreises Hermannstadt in der letzten August-Woche und in den ersten zwei September-Wochen kein einziges amtliches Dokument mehr ausgestellt habe. Begleitend zu dieser Information benachrichtigte Direktor Valentin Delcă dieselbe Zeitungsredaktion von seiner durch das Kulturministerium auf die Dauer von bis zu sechs Monaten Vertragszeit beschlossenen Versetzung an die vakante Stelle an der Spitze der Kultur-Verwaltungsleitstelle des Verwaltungskreises Vrancea.

Seit Beginn des Schuljahres 2020/2021, seit also Monta, dem 14. September, übt Politik- und Rechtswissenschaftler Marius Oltean, Geschäftsführer des der Filiale Rumänien des Blaukreuz-Vereins, Alumnus der ULBS, interimistisch das Amt des Direktors der Kultur-Verwaltungsleitstelle des Verwaltungskreises Hermannstadt aus. Den auf Zeit in den Verwaltungskreis Vrancea abgeordneten Direktor, den man seit Herbst 2017 wochentags stets zu Tagesbeginn mit Krawatte, sauberer Bügelfalte, feinem Zwirn und glatt rasierten Wangen von der Morgenandacht in der Kathedrale des orthodoxen Erzbistums auf der Fleischergasse/Mitropoliei in Richtung Büro auf der Quergasse entlang schreiten sehen konnte, wird man in Hermannstadt wohl nicht so rasch in Amt und Würden wieder zu Gesicht bekommen.

Schade eigentlich, hat er doch in der Ausgabe Nr. 2 der Zeitschrift „The Tribune. Anthropology & Communication“, die am 17. August 2020, in der griechisch-katholischen Ursulinenkirche von der „Lobby Art Foundation“ vorgestellt wurde und in der ASTRA-Kreisbibliothek Hermannstadt ausgeliehen werden kann, einen in rumänischer Sprache verfassten Artikel mit der Überschrift „Word in my language“ (Cuvânt pe limba mea) veröffentlicht, der folgendermaßen schließt: „Angeblich naht ohnehin der Welt Ende. Ach – wir werden unsere Arbeitsplätze verlieren, ganz gleich, was wir auch unternähmen. Es lebe die kreative Arbeitslosigkeit! Endlich werdet ihr tun, was ihr mit eurem Leben wünscht. Das in den ersten Stunden; ihr werdet euch schnell langweilen, nur das zu tun, was ihr wünscht. Beruhigt euch hiernach, zieht also euer Denken aus der Steckdose, um zu hören, was ihr zu tun habt. ‘Was habe ich zu tun?‘ ‘Wer bin ich denn nun wirklich?‘, steht auf einer sehr, sehr alten Pergamentrolle in unbekannter Schreibweise und in einer Sprache, die ihr nie gesprochen habt, einer Pergamentrolle, die sich vor den Augen des Gewissens entrollt und deren Sinne aus eurem Mund fließen werden wie das Wasser aus einer Quelle. Verleibt euch diesen Text ein, der sich wie von selbst aufsagt! Ihr seid nichts weiter als seine Träger und Entdecker. Er öffnet Pforten.“ (freie Übersetzung d. Red.)