Kulturerbe und Gemeinschaftsgefühl vermitteln

ADZ-Gespräch mit Alfred Schadt, Chefredakteur der „Neuen Kronstädter Zeitung“

Die in München erscheinende „Neue Kronstädter Zeitung“ informiert ihre mit der Zinnenstadt verbundenen Leser aus Deutschland seit fast 35 Jahren über aktuelle Themen aus Kronstadt und der Region. Seit der Ausgabe März-April 2019 hat die viermal im Jahr erscheinende Publikation eine neue Leitung. Chefredakteur Alfred Schadt, der 1950 in Kronstadt geboren wurde und in Bartholomae aufgewachsen ist, besuchte die deutsche Abteilung des [aguna-Gymnasiums, das er 1969 absolvierte. Er studierte Germanistik und Romanistik in Hermannstadt, ab 1972 Germanistik in Konstanz und anschließend Anglistik in Bristol, England. Nach seinem Studium arbeitete er als Gymnasiallehrer an der Evangelischen Internatsschule „Schloss Gaienhofen“ am Bodensee. 2015 zog er nach Berlin um und wurde Mitarbeiter der Redaktion der „Neuen Kronstädter Zeitung“ (NKZ). Seine wichtigsten Aufgaben waren unter anderen das Redigieren und Korrigieren von Texten. Im Frühling dieses Jahres übernahm er die Schriftleitung der NKZ von Siegtrud Kess.  Über die Herausforderungen seines neuen Amtes, über die Zukunftspläne der Zeitung und über die Beziehung mit den Lesern sprach Alfred Schadt anlässlich eines Besuches in Kronstadt mit ADZ-Redakteurin Elise Wilk. 

Herr Schadt, seit März leiten Sie die Redaktion der „Neuen Kronstädter Zeitung“, wo sie vier Jahre lang als Redakteur gearbeitet haben. Was für Herausforderungen bringt das neue Amt für Sie?
Als ich vor drei Jahren zum Redaktionsteam stieß, war ich beeindruckt, mit welchem Einsatz hier Freiwillige im Team eine Zeitung machen. Auch jetzt, nachdem ich die Schriftleitung übernommen habe, verstehe ich mich nach wie vor nur als Teil dieses Teams. Der wesentliche Unterschied, bzw. die Herausforderung besteht in der Koordination. Da wir ja an verschiedenen Orten wohnen, bedarf es einer Menge von Absprachen, Textauswahl und Bewertungen, Koordination von Vorschlägen. Die wichtigste Aufgabe aber, die mir obliegt, ist das Sammeln und Weiterleiten der beschlossenen Texte ans Layout und natürlich die Übersicht über Korrektur und Druckfreigabe.

Die erste Nummer der „Neuen Kronstädter Zeitung“ erschien 1985. Wissen Sie, wie es dazu kam? 
In einer Erklärung in der 0-Nummer der „Neuen Kronstädter Zeitung“ vom 31. März 1985 beschreiben die Gründerväter, dass die Zeitung im Geist ihrer Vorgängerin, der „Kronstädter Zeitung“, fortgeführt werden soll. Laut Erklärung des Redaktionskollegiums soll sie „... der Gemeinschaft dienen. Sie soll die Kronstädter und Burzenländer in aller Welt, soweit das möglich ist, erreichen. Kronstadt und das Burzenland, Menschen, die dort leben, und die, die von dort ausgezogen sind – einst und jetzt –werden die zentrale Thematik dieses Blattes sein.“

An wen wendet sich die Zeitung?
An der Zielsetzung und Zielgruppe der Gründerväter hat sich bis heute nichts geändert.

Wie funktioniert der Austausch mit Ihren Lesern?
Die meisten unserer Leser sind mit Kronstadt vertraut. So kommt es, dass in der Zeitung besprochene Themen aufgegriffen werden und – sei es als Leserbrief oder als ergänzender Beitrag – weitergeführt bzw. diskutiert werden. Wir werden als nächstes versuchen, unsere Leser stärker einzubinden und so stärker in einen Dialog zu treten und die Zeitung nicht nur als „Einbahnstraße“ zu gestalten. 

Welches ist für Sie die wichtigste Rolle der Zeitung?
Unser Hauptanliegen ist es, all den vielen an Kronstadt Interessierten, Informationen aus Kronstadt und dem Burzenland weiterzugeben , sei es aus der Geschichte der Stadt, ob Ereignisse, Personen oder Gebäude, aber auch aus dem gegenwärtigen Geschehen und der Entwicklung der Stadt. Damit können wir die Erinnerung an diese Stadt lebendig erhalten. Wir greifen Themen aus der Geschichte der Stadt auf, häufig in Zusammenhang mit Jubiläen, ob 330 Jahre Stadtbrand, 125 Jahre Redoute oder 75 Jahre Bombardierung Kronstadts. Oder aber es sind aktuelle Ereignisse, z. B. Honterusfest, Bartholomäusfest oder Kronstädter Oktoberfest. Zudem sind es auch interessante Texte aus der deutschen und rumänischen Kronstädter Presse. So informieren wir auch über aktuelle Entwicklungen vor Ort. Die eingehenden Texte werden von den Redaktionsmitgliedern begutachtet und dann mehrheitlich für die nächste Folge ausgewählt.

Wie groß ist das Redaktionsteam?
Im Alltagsgeschäft, d. h. beim Schreiben, Auswählen, Redigieren, Korrigieren sind wir zu siebt. Zusätzlich werden wir von gut informierten Autoren sowie einem Mitarbeiter unterstützt, der uns regelmäßig mit einem Pressespiegel der Kronstädter Publikationen versorgt, sodass wir über das aktuelle Geschehen bestens informiert sind.
Eine besondere Unterstützung erfahren wir durch Herrn Hans Bergel, einen der Gründungsväter der Zeitung, der immer noch aktiv und konstruktiv an Redaktionssitzungen teilnimmt.

Welches sind Ihre Vorhaben für das nächste Jahr?
In erster Linie wollen wir der Programmatik der Gründer treu bleiben und über Kronstadt früher und heute berichten. Ein unmittelbares Ziel fürs nächste Jahr ist eine verstärkte Einbindung unserer Leser. So starten wir ein Projekt, in dem Erfahrungen der Auswanderung zusammengetragen werden, die ja die meisten von unseren Lesern gemacht haben. Hierbei wollen wir aber auch „Rückkehrer“ zu Wort kommen lassen auch zu ihrem Neubeginn in der alten Heimat.

Alle Publikationen , die sich in erster Reihe an die ausgewanderten Siebenbürger Sachsen richten, bemühen sich um den Erhalt der Identität und des Kulturerbes. Versuchen Sie, diese Werte auch an die Jugend zu vermitteln?
Natürlich richtet sich unsere Zeitung in erster Linie an in Kronstadt Geborene und jene, die die Stadt bereits kennen und ihr verbunden sind. Indem wir vom siebenbürgischen Kultur- und gesellschaftlichen Leben berichten, und das sowohl von jenem in Deutschland als auch von jenem in Kronstadt, veranlasst dies vielleicht den einen oder anderen zu einem Besuch der Stadt und Umgebung. Dabei sind besonders Artikel geeignet, die von den Bergen und den herrlichen Wandermöglichkeiten in der noch unberührten Natur berichten.

Aber auch die Berichte von Kronstädter Festen, so das diesjährige Honterusfest in Pfaffenhofen in Deutschland, bei dem auch Jüngere eingebunden sind, dienen der Vermittlung unseres Kulturerbes und Gemeinschaftsgefühls.

Wie wichtig ist die Online-Präsenz für Sie?
In der heute rasanten Entwicklung der Presselandschaft Richtung Online wäre es sicher interessant, hier Präsenz zu zeigen. Nichtsdestotrotz gehe ich davon aus, dass ein Großteil unserer Leser die Papierausgabe bevorzugt. Zudem würde eine jeweils aktuelle Online-Präsenz unsere Möglichkeiten übersteigen. Unser Archiv mit allen Ausgaben seit Beginn der Zeitung ist jedermann Online auf der Homepage der Heimatgemeinschaft der Kronstädter unter „Neue Kronstädter Zeitung“ zugänglich.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Institutionen in Siebenbürgen?
Die modernen Kommunikationsmittel, vor allem E-Mail, haben die unmittelbare Zusammenarbeit auf die Entfernung natürlich erheblich vereinfacht. Wir stehen mit den meisten siebenbürgischen Institutionen in Kontakt, ob Kirchengemeinden, Forum, Honterus-Archiv u. a. Trotz all der Kommunikationsmittel halte ich es für wichtig, sich auch persönlich kennenzulernen, deshalb auch mein Besuch bei Ihnen in der Redaktion. Das war und ist ein wichtiger Teil meines Besuchs in Kronstadt. So konnte ich auch das Kronstädter Kultur- und Gesellschaftsleben live erleben, ob Konzerte oder Bartholomäus- und Oktoberfest.

Als Sie uns in der Redaktion besuchten, meinten Sie, dass Ihre Leser sehr stark an den Veränderungen und Erneuerungen im Stadtbild interessiert sind. Sie selbst sind in Bartholomae aufgewachsen. Wie hat sich die Stadt im Laufe der Jahre verändert?
Alle, die wir Kronstadt vor Jahren verlassen haben, haben ein Bild der Stadt vor Augen, wie sie damals war. Jedem ist jedoch bewusst, dass sich eine Stadt verändert. Daher entsteht der Wunsch, neben dem „Erinnerungsbild“ auch von den Veränderungen zu erfahren. Nach einigen Jahren fällt mir besonders die positive Entwicklung des Erscheinungsbildes auf. Sah die Stadt vor 25 Jahren noch trostlos aus, sind heute viele Gebäude renoviert, auch wenn da noch viel zu tun ist. Natürlich gibt es auch Enttäuschungen, wenn z. B. das Bartholomäer Schwimmbad zum Flohmarkt geworden ist. Einzelne neue Viertel sind mir fremd und wäre nicht die Zinne zur Orientierung, könnte ich mich verirren. Und da wäre noch der Verkehr, der mit jeder europäischen Großstadt mithält.

Herr Schadt, vielen Dank für das Gespräch!