Kurzfristige Sieger

Egal wie die Sondierungsgespräche zur Bildung einer neuen Regierung ausgehen, die diese Woche starteten, ein Sieger der Balgereien im eigenen Dreck in der PNL, in der Regierungskoalition und im Parlament steht fest: Die nationalistischen Rechtsextremen der AUR. Popularitätsprünge von sechs bis acht Prozent in der Sonntagsfrage verzeichneten sie. Die PNL-Wechselwähler migrierten zu PSD und AUR – wie schon vor einem Jahr bei den Parlamentswahlen, als die (schlecht beratenen, schlecht geführten, schlecht beleumdeten) Liberalen nach den (nicht besseren) Sozialdemokraten auf Rang zwei landeten. Und AUR aufkam. 

Die jüngste CURS-Sonntagsfrage (Besteller: PSD...) ergab 36 Prozent für die PSD, 19 Prozent für die PNL, 14 Prozent für AUR und elf Prozent für USR-PLUS. INSCOP nennt für die PSD 35,4 Prozent, 21,9 Prozent für die PNL, 9,8 Prozent für die USR und 17,1 Prozent (!) für die AUR. Beide Umfragen jeweils mit einer Fehlerquote um drei Prozent. Die Werte für die beiden ursprünglichen Koalitions-Parteien PNL und USR-PLUS sind katastrophal, während der Ungarmverband UDMR, Mehrheitsbeschaffer der Ex-Koalition, konstant bei seinen rund sechs Prozent steht, die er seit rund 30 Jahren bei Wahlen erzielt. Aber: Im Falle einer von PSD und AUR ersehnten Neuwahl käme jetzt nie und nimmer eine Parlamentsmehrheit der Rechten zustande! Wenn denn alles mit rechten Dingen zugehen sollte.

Die USR-PLUS, die Antisystempartei, die aufgrund ihres bürgerlichen und Erneuerungsgedankens 2020 zwar nicht den erwarteten, aber einen imponierenden Stimmenanteil auf sich fokussierte, sackte durch ihren – zweifelsfrei begründeten, aber überemotional bestimmten – Misstrauensantrag im Vertrauen ihrer Wählerschaft ab. Eine Folge ihres fatalen Anbandelns mit AUR. Sie verlor ihre Glaubwürdigkeit. Die ist bei einer von Intellektuellen gewählten Partei der Intellektuellen entscheidend. Selbst die kürzlich stattgefundene Führungswahl in dieser Partei war vom Glaubwürdigkeitsfaktor bestimmt: Man einigte sich knapp, aber klar auf den aufrechter auftretenden Kandidaten Dacian Cioloș.

Infolge der sich andeutenden Umschichtung der Wählermeinungen in der Sonntagsfrage ist einer der versiertesten Beobachter der Politik Rumäniens, Cristian Pârvulescu, gegenüber Hotnews der Meinung, dass aus dem gegenwärtigen politischen Trubel „niemand etwas zu gewinnen hat“. Kurz- und mittelfristig habe AUR gewonnen. Mittel- und langfristig seien die Bürger Rumäniens die ersten und größten Verlierer, während langfristig alle Parteien auf der Verliererseite stehen. Pârvulescu macht darauf aufmerksam, dass sowohl PSD als auch PNL in ihren jüngsten Wahlprogrammen und Stellungspapieren in weiten Teilen extrem rechtes Gedankengut vertreten, damit direkt neben AUR stehen. Die konzentrierten Angriffe von PNL (einschließlich Präsident Johannis) und PSD (von AUR sowieso) auf die Reformpartei USR-PLUS seien ein konkreter Beleg dafür.

Offensichtlich ist diese (mehr emotionale denn rationale, sicher populistische) Tendenz der drei Retro-Parteien über weite Strecken ein später Erfolg der nationalkommunistischen Propaganda der Ceau{escu-Zeit. Diese hat in Rumänien ein beständiges Publikum. Wie leicht die PSD zu Dragnea-Zeiten die Akteure der untergegangenen Großrumänienpartei PRM schluckte, auch das steht dafür als Beweis. Die PNL wird der nationalkommunistischen Spätfolgen verdächtigt, seit sie entschlossen das Referendum über die Familie stützte. Andrerseits: Wer hat einen PNL-Spitzenmenschen erlebt, der entschieden und konstant fürs Vorbeugeimpfen plädiert? Das könnte der eigentliche Grund fürs Scheitern der nationalen Impfkampagne sein. Gibt es klare PNL-Aussagen zugunsten der LGBT-Bewegung? Für den laizistischen Staat?

Rumänien hatte in 30 Jahren sechs erfolgreiche Misstrauensanträge. Unzweideutige Symptome der Krise des politischen Systems.