Machtgeile Scheuklappenträger

Am Tag nach den parteiinternen PNL-Wahlen konnte man auf der öffentlichen Seite des Dekans der rumänischen Philosophen und Essayisten, des Bürgerrechtlers Mihai [ora (er wird am 7. November 105 Jahre alt) das Bedauern lesen, nun wäre auch die letzte historische bürgerliche Partei untergegangen. Das schrieb ein Banater, der in den 1940er Jahren der Kommunistischen Partei Frankreichs beigetreten ist.

Was sich bereits beim Rauswurf von Ministern der Koalitionspartei USR-PLUS andeutete – am krassesten bei Justizminister Stelian Ion –, ist am vergangenen Wochenende bestätigt worden: Ein Sitzenbleiber und Intrigant, dem demokratische Spielregeln egal sind, ist Partei- und Regierungschef und könnte – unter dem „hohen Patronat“ des amtierenden Präsidenten – unter Umständen 2024 als Präsidentschaftskandidat antreten. Dies, nachdem Florin Cî]u als Regierungschef bereits ein ganzes Jahr ökonomisch zerquetscht hat. Er, dem Freunde nachsagen, seine einzige Qualität sei seine Wirtschafts- und Finanzkompetenz…

Für Rumänien war der PNL-Kongress bloß durch seine Folgen interessant. Es konturiert sich eine Minderheitsregierung unter der Duldungsfuchtel der oppositionellen PSD, die sich – ist sie denn so klug – durch die PNL/UDMR die Kohlen aus dem Feuer holen lässt, um sich anschließend als kategorischer Wahlsieger in ein warmes und bequemes Regierungsnest zu setzen. Das ein Haufen machtgeiler Scheuklappenträger bereitwillig bereitet.

Interessant die Reaktionen der internationalen Rating-Agenturen: Sie warten ab und warnen. Das klingt etwa so: „Kommt endlich zu Verstand und regiert! Lasst die Schlammschlachten um die Macht!“ Die politische Instabilität könnte nämlich Rumänien rasch in die „Junk“-Kategorie katapultieren, zur Ländergruppe, mit der kein Investor etwas zu tun haben will. Die Auswirkungen der politischen Krise, die ein unterm Napoleonkomplex Leidender angezettelt hat, werden von den Internationalen Finanzorganismen bereits geahndet: Der Wechselkurs der Landeswährung zeigt bergab. 

Kein Wunder: Im ersten Regierungsjahr des „Wirtschafts- und Finanzexperten“ ist keine einzige der angekündigten Reformen gestartet worden. In der Kommunaladministration fiel dem „Experten“ nichts Besseres ein als ein dubioses Gießkannenprogramm der Geldausschüttung an sämtliche Verwaltungen – das den Justizminister den Stuhl gekostet hat und dem Regierungschef unter anderem den Parteivorsitz brachte. Statt einer Verschlankungsreform der Zentraladministration gab es geheimes Grünlicht für Neuanstellungen im teuren Apparat. Statt das Finanzdefizit zu verringern ist die Geldmaschine hochgefahren worden und man verschwendet großzügig Geld. Ergo schnellt auch die Inflation hoch. Kaum vorstellbar, dass Rumänien seine gegenüber der EU eingegangenen Verpflichtungen der Defizitreduzierung einhält. Womit auch das Wirtschafts- und Finanzreformprogramm, an das die 30 Milliarden Euro Wiederaufbau- und Resilienzgelder der EU gebunden sind, gefährdet wird. In diesem Jahr kommt erst ein Tropfen davon.

Die Patronatsverbände haben in einer bisher ungewöhnlich scharfen Form reagiert. Sie fordern von den Politikern „Reife“/„maturitate“, und „Konstantheit“/„constanță“ sowie eine „Rückkehr“ zu allem, was die Bürger beschäftigt. Lies: Verzichtet auf eure Machtkämpfe! 

Inzwischen „säubert“ der selbsternannte „Superman“ an der Regierungsspitze weiterhin alle hohen Regierungsränge und die Leitungen der Schlüsselfirmen des Staats – etwa im Energiesektor – von den Vertretern des ehemaligen Regierungspartners. Das bedeutet zeitweilige Lähmung der Institutionen/Firmen – denn jeder/jede Neue muss sich erst einarbeiten. Kein Unterschied zur Vorgehensweise der PSD. Dass die Langzeitzinsen für rumänische Staatsanleihen im Ausland inzwischen bei 3,72 Prozent liegen – wen kümmerts? 

Die selbstherrlichen „Finanzexperten“ an der Regierungsspitze nie.