„Man kann den deutschen Einfluss noch heute in Rumänien sehen“ (II)

Gespräch mit dem Unternehmensgründer Michael Lieb (II)

Michael Lieb | Foto: privat

(Teil 1)

AutoNet ist seit der Gründung 1996 sehr stark gewachsen. Wie viel Umsatz macht das Unternehmen heute? Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie insgesamt?

2018 hat die Gruppe AutoNet 364 Mio. Euro Umsatz erzielt. Wir beschäftigen momentan etwa 1.700 Mitarbeiter innerhalb der gesamten Gruppe AutoNet. In Ungarn sind es etwa 300. Die Sparte Lubexpert beschäftigt etwa 30 bis 40. Hier in Sathmar sind 1.340 Menschen bei AutoNet angestellt.

Wie sieht die Struktur aktuell aus bei AutoNet? 

In den letzten zweieinhalb Jahren bestand unsere unternehmerische Struktur aus der SAG Gruppe und der AutoNet Gruppe. Es gibt auf der Ebene des „Boards“ und der Führungsebene eine Veränderung. Wir haben ab Oktober 2018 ein gemeinsames Board für beide Gruppen. Ein Board SAG AutoNet. Seit dem 1. Oktober 2018 sind Zoltan Kondor und ich Mitglieder des SAG Boards. Ich bin somit auch „vice delegate of the board“. Unser vorheriger CEO Arpad Csehi ist jetzt CEO für die gesamte Gruppe. Herr Csehi hat damit die Verantwortung für alle Länder, in denen die SAG AutoNet tätig ist. Er führt damit als CEO die gesamte Gruppe. Durch diese Zusammenführung versuchen wir, von Synergieeffekte zu profitieren.

Was denken Sie über das duale Ausbildungssystem? Dieses ist hier in Rumänien noch nicht so stark etabliert wie in Deutschland.

Bei diesem System sehe ich mich auch als Vorreiter. Ich war sieben Jahre im Vorstand des AHK. Wir haben dort wirklich viel gekämpft für das duale System. Vor zwei Jahren haben wir es auch geschafft, hier in Sathmar, die duale Ausbildung einzuführen. Problematisch sind jedoch die Zukunftsvorstellungen der Eltern. Diese wollen, dass ihre Kinder natürlich immer den höchstmöglichen Bildungsweg einschlagen. Ich sehe das wie mein Vater: Wenn du zuerst einen Beruf erlernt hast, kannst du immer noch an die Universität gehen und dann vielleicht selbst ein Unternehmen gründen. Berufsschulen fehlt in der Vorstellungswelt der Eltern immer noch ein gewisses Ansehen. Wir haben aber schon bereits vor zwei Jahren begonnen, hier die Eltern besser zu informieren. Wenn wir beispielsweise bei AutoNet von 20 bis 28 Schülern, acht haben, die wirklich gut sind, dann werden wir diese auch unterstützen und dabei fördern, das Abitur zu machen. Wenn wiederum von diesen zwei oder drei sehr gutes Potenzial aufweisen, dann werden wir auch diese fördern bis zum Hochschulabschluss. Es gibt auch Kritik von einigen, die dann meinen, 12 von den Ausgebildeten würden uns dann verlassen. Ich kenne gute Leute, die aus Sathmar mittlerweile auch in Deutschland Karriere gemacht haben, die hier ausgebildet wurden. Ich sehe es nicht kritisch, wichtig für mich sind die 12, welche hier in der Region bleiben und mit uns zusammenarbeiten. Bei AutoNet legen wir einen starken Fokus auf Aus- und Weiterbildung. Vor fünf Jahren haben wir einen sogenannten Talentpool angelegt, der es jungen talentierten Mitarbeitern ermöglicht, mit mir direkt zusammenzuarbeiten. Mir ist das wichtig. Ich kann so diesen Mitarbeitern quasi meine DNA weitergeben. Diese Mitarbeiter sind so um die 30 Jahre alt. Wir sehen diese in ca. 10 Jahren als neue potentielle Führungspersonen. In die Bildung zu investieren, ist mit das Wichtigste für uns.

Wie sehen Sie die Zukunft des Unternehmens?

Ich bin sehr positiv gestimmt. Ich sehe viele Möglichkeiten, auch hier in Rumänien. Wir könnten unsere gesamte Angebotspalette erweitern (Ersatzteilhandel, Serviceangebote). Weiterhin haben wir ein großes Potenzial hier in der Region. Wir möchten uns auch in der Balkanregion und Südosteuropa insgesamt etablieren. Kroatien, Serbien und auch Bulgarien sind Zukunftsmärkte. Aber auch in der Slowakei, der Tschechischen Republik und Polen ist Potenzial. Das gesamte Team ist sehr positiv eingestellt. In diesen Märkten besteht eine große Nachfrage. AutoNet hat ein Alleinstellungsmerkmal in seiner gesamten Angebotspalette für die Partner. Ich spreche gerne von Partnern und nicht nur von Kunden. Kunde bedeutet für mich, dass er lediglich etwas kauft von uns. Partner, z. B. die Werkstätte, unterstützen wir mit Schulungen und Service. Wir sind bei ihnen dadurch tief verwurzelt.
Ich habe einen Mitarbeiter, der sich komplett allein mit unserer Produktpalette beschäftigt. Ein weiterer ist verantwortlich für das sogenannte „additional value“. Er verantwortet auch unsere Angebotskonzepte. Wir bieten bis zu sechs Werkstattkonzepte für die Märkte an. Er kümmert sich zudem um die Schulungen, technischen Daten und Netzwerke.

In meinem persönlichen momentanen Tätigkeitsbereich suche ich den Kontakt zu speziellen Werkstätten. Wir versuchen so direkt vor Ort, individuell mit den Werkstattbetreibern zu analysieren, inwiefern sich ihre Profitabilität und Effizienz steigern lässt. Wir organisieren auch Konferenzen wie die „AutoNet Mobility Show“, auf der alle Werkstattbetreiber immer herzlich willkommen sind. Ebenso Konferenzen zu Werkstattkonzepten. Insgesamt haben wir mehrere tausend Besucher und Teilnehmer. Von diesen kontaktieren wir bis zu zehn der besten Werkstätten. Wir halten diese dann in Gesprächen auch an, sich für die Zukunft vorzubereiten.
Wie ist die Nachfolgeregelung innerhalb der Werkstatt? Wie gut sind die Mitarbeiter ausgebildet? Kann die Werkstatt auch qualitativ gut funktionieren, wenn der Meister zwei Wochen im Urlaub ist? Nächste Woche nehme ich an der Automobilwoche in Berlin teil. Auch da war ich Vorreiter. Ich war der erste, der überhaupt aus dem Ausland daran teilgenommen hat. Dort treffen sich viele wichtige Manager der gesamten Automobilbranche. Ich habe auf diese Weise viele sehr gute Kontakte und Freundschaften geschlossen. Dort bekommt man auch immer einen Indikator für die Entwicklung der Zukunft in der Branche. Es ist wichtig, immer die Zukunft vor Augen zu haben, sich inspirieren zu lassen für zukünftige Trends.

In Deutschland wird zurzeit sehr stark die sogenannte Industrialisierung 4.0 bzw. Digitalisierung der Arbeitswelt diskutiert. Wie stellt sich das Unternehmen AutoNet auf die Digitalisierung ein?

Wir sind in diesem Bereich sehr stark tätig und auch gewissermaßen ein Pionier. Seit 2010 bin ich Vorstand bei ATR (Auto Teile Ring) mit Sitz in Stuttgart. ATR ist eine der größten Handelskooperationen führender Großhändler im freien Kfz-Ersatzteilemarkt weltweit. In diesem Rahmen beschäftige ich mich auch mit Datenanalyse und künstlicher Intelligenz. Das sogenannte Big Data Analysis ist die Zukunft und deshalb müssen wir auch in diesem Bereich tätig sein. Wir sind hier in verschiedenen Projekten aktiv. AutoNet hat mittlerweile zwei Mitarbeiter, welche sich ausschließlich mit Digitalisierung und Datenanalyse beschäftigten. Diese Mitarbeiter sammeln Daten in Europa. Insgesamt sind wir schon seit drei Jahren auf diesem Gebiet tätig.

Neben dem ökonomischen Engagement ist AutoNet auch sehr stark mit sozialen Projekten in der Zivilgesellschaft hier in Sathmar engagiert. Wie wichtig ist auch dieser soziale Aspekt für die Region Sathmar?

Unser soziales Engagement bezieht sich nicht nur hier auf die Region Sathmar, sondern auf ganz Rumänien und auch auf andere Länder, in denen wir vertreten sind. Soziales Engagement und Verantwortungsbewusstsein sind enorm wichtig. Wir sind davon überzeugt, weil wir dann auch aktiv etwas verbessern können und nicht nur an der Seitenlinie stehen. Das beginnt bei Kindern im Kindergartenalter und geht weiter bis hin zur Förderung und Unterstützung von Studenten. Für AutoNet ist es sehr wichtig, auch sozial etwas in der Zivilgesellschaft zu bewirken. Wichtig ist dabei nicht nur die finanzielle Unterstützung, sondern auch der Auftritt als zivilgesellschaftlicher Akteur.

Sie sind Angehöriger der deutschen Minderheit und Mitglied im Demokratischen Forum der Deutschen hier in Sathmar. Sie sind ein sehr gutes Beispiel für den Erfolg der deutschen Minderheit hier in Rumänien. Wie wichtig ist die deutsche Minderheit hier für die Region Sathmar und auch im Allgemeinen für Rumänien?

Ich denke, dass Rumänien viel verloren hat durch die Auswanderung vieler Schwaben und auch Siebenbürger Sachsen, eigentlich der gesamten Deutschen. Man kann den deutschen Einfluss noch heute in Rumänien sehen, wenn sie z.B. durch Städte wie Hermannstadt, Schäßburg, Kronstadt, aber auch durch einige ehemalige schwäbische Dörfer fahren. Der Fleiß, die Ordnung lässt sich dort noch gut erkennen. Generell ist die Multikulturalität, der gegenseitige Respekt sehr, sehr wichtig. Es bringt einer Gesellschaft sehr viel positives. Ich habe von meinem Vater gelernt, wenn du respektvoll bist, dann hast du große Chancen diesen Respekt auch zurückzubekommen. Die Schwaben waren bzw. sind fleißig, bescheiden und ordentlich. Das sind die wertvollen Charakterzüge. Der Schwabe muss immer etwas tun. Ich sehe das auch an mir selber. Auch wenn ich zu Hause bin, arbeite bzw. beschäftige ich mich mit etwas.

Sie sind auch im Weinbau hier in der Region engagiert. Wie kam es dazu?

Ich bin generell sehr stark involviert im Bereich Umwelt. Ich denke, Rumänien ist ein wunderschönes Land. Es verfügt auch heute noch über einen sehr guten, fruchtbaren Boden. Ich sehe daher großes Potenzial in der Biolandwirtschaft. Mein Weingut heißt Nachbil. Es ist ein ökologisch betriebenes Gut. Ich habe auch einen Landwirtschaftsbetrieb mit 300 Rindern, 300 Mangaliza-Schweinen, Enten, Gänsen. Insgesamt besitze ich 300 Hektar Land in der Gegend Viile Satu Mare. Wir achten auf tierartgerechte Haltung. Es ist ein kleiner wirtschaftlicher Nebentätigkeitsbereich. Ich bekomme z.B. freitags von dieser Landwirtschaft zwei hausgebackene Brote, Sahne, Quark, Eier, ein Hähnchen. Für die Menschheit ist es wichtig, unsere Umwelt und Landschaft zu bewahren. Es ist nicht normal, alles genetisch zu verändern.