Medizinisches Personal hält Schutzmaßnahmen für nicht ausreichend

Rund 30.000 Angestellte im Gesundheitswesen könnten sich bereits mit SARS-CoV-2 infiziert haben

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Nur knapp ein Drittel der Angestellten im medizinischen Bereich halten die Maßnahmen, die zu ihrer Sicherheit und ihrem Schutz im Rahmen der Corona-Pandemie ergriffen wurden, für umfassend wirksam. Dies ergab eine Umfrage der Gewerkschaft „Solidaritatea Sanitară“ unter 1130 Kolleginnen und Kollegen (ADZ berichtete).

Darüber hinaus erklärten 28 Prozent der Befragten, trotz des Verdachts einer Infektion nicht auf diese getestet worden zu sein. Wenig verwunderlich ist folglich, dass sich – laut eigenen Angaben – mindestens zehn Prozent des Personals bereits mit  SARS-CoV-2 infiziert hat. Hochgerechnet auf alle Angestellten im Gesundheitssektor würde dies bedeuten, dass rund 30.000 Mitarbeiter bereits mit dem Virus infiziert waren/sind. Diese Zahl wäre knapp fünfmal höher als die offizielle Angabe von etwas mehr als 6400 Fällen.

Koordiniert hat die Befragung Dr. Viorel Rotilă, der Leiter der Gewerkschaft und Universitätsprofessor für Philosophie in Galatz. Durchgeführt wurde die öffentlich zugängliche Online-Umfrage, die sich an alle im medizinischen Bereich angestellten Personen richtete, zwischen dem 24. September und dem 12. Oktober. Die meisten Antworten kamen von medizinischen AssistentInnen (66,6 Prozent), Ärztinnen und Ärzten (19,6 Prozent) und medizinischem Hilfspersonal (9,4 Prozent).

Wie die konzentrierten Corona-Infektionen unter dem medizinischen Personal im Clujana-Krankenhaus in Klausenburg/Cluj-Napoca (ADZ vom 22. Oktober) gezeigt haben, in Folge derer die Zahl der dort nutzbaren Intensivpflegeeinheiten von 17 auf 6 sank, ist der Schutz des medizinischen Personals essenziell für die Behandlung aller Erkrankten. Wenn Gesundheitsminister Nelu Tătaru (PNL) also wiederholt die Erhöhung der Intensivpflegeeinheiten ankündigt, heißt dies noch nicht, dass diese dann auch tatsächlich dauerhaft eingesetzt werden können. Und sowieso: Die Sterblichkeitsrate auf den Intensivstationen in Rumänien liegt aktuell bei etwa 45 Prozent.

Darüber hinaus kann die Betreuung der Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen auch nicht von allen medizinischen AssistentInnen durchgeführt werden, da eine Spezialausbildung notwendig ist. Eine Fixierung auf zusätzliche Intensivpflegeeinheiten ist folglich nutzlos, wenn das notwendige Personal temporär nicht zur Verfügung steht oder gar nicht vorhanden ist. „Wir befinden uns in einer außerordentlich schwierigen Zeit. Seit einigen Tagen haben wir einfach keinen Platz mehr, um Patienten auf die Intensivstation des Krankenhauses zu bringen“, schilderte Dr. Violeta Tănase gegenüber „Digi24“ die derzeitige Situation im Krankenhaus des Kreises Ploie{ti. „Praktisch alle schwerwiegenden Fälle mussten 72 Stunden in der Notaufnahme bleiben, bis sie von der Intensivstation übernommen werden konnten oder sich ihr Zustand doch stabilisierte.“ Laut Dr. Tănase steht dem Krankenhaus auch eine mobile Intensiveinheit zur Verfügung, die aufgrund von Personalmangel allerdings nicht genutzt werden könne.

Neben der Intensivstation im Clujana-Krankenhaus kam es zuletzt auch auf den Intensivstationen in Petroschen/Petroșani und Bukarest (Sfânta Maria) zu mehreren zeitgleichen Infektionen unter dem Personal, was zur temporären Schließung dieser Stationen führte. Seit Beginn der Pandemie mussten bereits Dutzende Stationen anderer Fachbereiche ebenfalls vorübergehend geschlossen werden. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass die Direktionen für öffentliche Gesundheit (DSP) dem Gesundheitsministerium keinen einzigen Fall einer Krankenhaus-Infektion gemeldet haben, wie „Libertatea“ am Montag nach Anfrage beim Ministerium berichtete. Entsprechende Zahlen veröffentlichte die Nationale Behörde für Qualitätsmanagement im Gesundheitssektor erst am Mittwoch. Demnach sollen sich zwischen März und September insgesamt 211 Patientinnen und Patienten in den Krankenhäusern mit dem Erreger SARS-CoV-2 infiziert haben.

Große Ansprachen an die Bevölkerung haben Staatspräsident und Premierminister in den vergangenen Monaten gehalten. Gedankt haben sie – vollkommen zu Recht – in besonderem Maße dem medizinischen Personal. „Diese außergewöhnlichen Menschen, die diesen ehrenvollen Beruf gewählt haben, verdienen unseren Respekt und unsere Bewunderung, weil sie im Kampf gegen das Virus permanent an vorderster Front stehen“, erklärte Klaus Johannis beispielsweise während einer Pressekonferenz am 7. Oktober. Doch auf die Forderung von Gewerkschaften, Covid-19 als Berufskrankheit für das medizinische Personal anzuerkennen, sind sie bisher nicht eingegangen. Dabei wäre es die mindeste Anerkennung für ihre Arbeit, wenn sie eine finanzielle Entschädigung für erlittene Schäden durch eine Covid-19-Erkrankung erhalten würden.

Stattdessen lässt der Staatspräsident in kaum einer seiner Pressekonferenzen die Gelegenheit aus, die „Sozialdemokratische Partei“ für alles Elend in diesem Land verantwortlich zu machen. „Ganz bestimmt haben wir unterschiedliche Situationen, die öffentliche Gesundheit ist durch Covid-19 bedroht und die rumänische Politik ist durch die PSD bedroht“, erklärte Johannis dann auch während oben genannter Pressekonferenz.

Hat er im März bei insgesamt 184 offiziell bestätigten Fällen noch den Notstand verhängt, sollen nun trotz täglich rund 5000 offiziell bestätigten Neuinfektionen am 6. Dezember Parlamentswahlen stattfinden. Es scheint, als hätte Johannis sich mit dem Anti-PSD-Virus infiziert, zu dessen Symptomen offenbar anti-demokratische Sichtweisen wie die Infragestellung des freien Mandats oder Delegitimierung der Anzahl der PSD-Abgeordneten gehören.