„Nicht nur theoretisch Brückenbauer...“

Bericht des DFDR-Vorsitzenden Dr. Paul-Jürgen Porr bei der Deutsch-Rumänischen Regierungskommission für Angelegenheiten der deutschen Minderheit in Rumänien in Bra{ov/Kronstadt, am 7. und 8. Juli 2021

Dr. Paul-Jürgen Porr ist seit 2013 Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR)
Foto: Holger Wermke

Wie seit Abschluss des Freundschaftsvertrags zwischen Rumänien und Deutschland in jedem Jahr, wurde die deutsche Minderheit in Rumänien auch 2020 von beiden Staaten trotz der schwierigen Pandemiebedingungen finanziell (und nicht nur) umfassend unterstützt. Dafür möchte ich auch bei dieser Gelegenheit den beiden Regierungen über die hier anwesenden Vertreter unseren herzlichsten Dank aussprechen. Die Tatsache, dass wir uns heute zum 24. Mal zu diesem Zweck treffen, ist ein beredter Beweis für das Gesagte.

Betreffend Unterricht in deutscher Muttersprache muss gesagt werden, dass dieser bei uns sehr alte Tradition hat, selbst unter Ceauşescu weiter erhalten blieb und ein hohes Qualitätsniveau hatte und hat. Dieses weiter zu erhalten ist eines der Hauptziele des DFDR, und dabei werden wir von beiden Regierungen voll unterstützt. Der Beruf des Lehrers ist leider in Rumänien wegen der, im Vergleich zur freien Wirtschaft, niedrigen Löhne nicht besonders attraktiv, so dass vor allem Deutsch sprechende Lehrer viel zu oft in rentablere Gebiete abwandern.

Das hat den Bundestag seit mehreren Jahren bewogen, dem Antrag des DFDR stattzugeben und Lehrern, die an deutschen muttersprachlichen Schulen unterrichten, eine Aufwandsentschädigung zukommen zu lassen, so dass eine Abwanderung tatsächlich gestoppt werden konnte. Dieses Geld wurde gerecht und transparent, jeweils in Form von zwei Jahresprämien, zur Zufriedenheit der Zielgruppe verteilt. Für dieses Kalenderjahr beträgt die Summe 1,35 Millionen Euro. Es ist dieses eine Voraussetzung dafür, dass die Anzahl unserer Lehrer nicht weiter sinkt, also evtl. Klassenzüge oder sogar Schulen in einigen Jahren geschlossen werden müssten, was zur Folge hätte, dass in weiteren Jahren die Anzahl der Deutsch Sprechenden sinken würde, was letztendlich auch auf die in Rumänien ansässigen deutschen Wirtschaftsunternehmen negative Auswirkungen hätte. Für das DFDR ist der Erhalt der muttersprachlichen Schulen aus all diesen Gründen von vitalem Interesse!

Ein Problem, das weiter besteht und bei dem das rumänische Bildungsministerium gefordert ist, ist die Neuauflage von verschiedenen Schulbüchern in deutscher Sprache, von denen einige seit 15 bis 20 Jahren nicht mehr frisch aufgelegt wurden. Seit zwei Jahren werden immerhin bedeutend mehr Lehrbücher übersetzt und gedruckt als die Jahre davor. Auch die Herstellung von Schulbüchern, die direkt in deutscher Sprache geschrieben werden, hat zugenommen. Die Einstellung einer Schulbuchverantwortlichen seitens des DFDR hat sich als effizient erwiesen.

Zurzeit ist die Renovierung des Rebreanu-Lyzeums in Bistritz prioritär. Es wurde an dieses Lyzeum jedoch kein Gastlehrer mehr entsandt und wir bitten, diese Stelle wieder einzurichten, ebenso an anderen Lyzeen. Wir bitten ebenfalls um eine klare Stellungnahme, ob die Entsendung von Gastlehrern noch beabsichtigt ist. 

Es wurde von einigen Schulin-spektoraten vorgeschlagen, einige deutsche Klassen zu streichen (in Deva, Schässburg, Großwardein) was von unserem Abgeordenten Ovidiu Gan] verhindert werden konnte.

Ein anderer Aspekt, den wir voll und ganz unterstützen, ist die duale Ausbildung, die an einigen Orten (Kronstadt, Temeswar, Hermannstadt, Mühlbach) vor allem durch Initiative der deutschen Wirtschaftsklubs und der deutschen Botschaft Bukarest schon gut funktioniert. Sicher ist da auch das rumänische Bildungsministerium gefordert, und das nicht nur die duale Ausbildung betreffend, sondern auch die Wiedergründung der Berufsschulen, die nach 1989 leider praktisch eingegangen sind. In den letzten Jahren sind diesbezüglich aber bedeutende Fortschritte zu bemerken.

Ein sehr lobenswerter Aspekt ist, dass an verschiedenen Hochschulen (Klausenburg, Temeswar, Bukarest u.a.) verschiedene Studiengänge in deutscher Sprache unterrichtet werden. An der Babe{-Bolyai-Universität in Klausenburg wurde heuer das 25-jährige Jubiläum der deutschsprachigen Richtung gefeiert, was neben den rumänischen und ungarischen Studienrichtungen europäischen Modellcharakter hat!

Betreffend Kultur haben wie-derum beide Regierungen umfassend zum Erhalt unserer Kulturgüter beigetragen. Leider ist der Rhythmus der Rückgaben an Kirchen in den letzten Jahren fast zum Erliegen gekommen, während die Rückgaben an das Forum mit mehr oder weniger fadenscheinigen Gründen abgelehnt wurden. Wir hoffen, dass sich mit der neuen Leitung der ANRP (Nationale Agentur für Rückgabe des Eigentums) ein Paradigmenwechsel vollzieht und den Rückgabeanträgen zügig stattgegeben wird. Es gibt nach einem Gespräch in Bukarest ermutigende Signale in diese Richtung. 

Erwähnenswert ist die Stiftung Kirchenburgen, die als Schirmherren die beiden Staatspräsidenten hat. Anlässlich des Besuchs von Bundespräsident Gauck wurde symbolisch die Kirchenburg Heltau von beiden Präsidenten besucht. In unmittelbarer Nachbarschaft wurde in der berühmten Burg von Michelsberg/Cisnădioara eine private Terrasse errichtet, obwohl Bürgermeisteramt, Präfektur, Denkmalschutz diese als nicht legal bezeichnet haben, aber geschehen ist leider nichts. Es gibt außerdem seit Juni 2017 keine Antwort auf die parlamentarische Anfrage unseres Abgeordneten Ovidiu Ganţ betreffend die Sanierung des Kirchturmes in Meschen/Moşna, Kreis Hermannstadt, bzw. auch die Übernahme der Kosten durch das rumänische Kulturministerium von zehn technischen Gutachten von Kirchenburgen liegt noch in der Schwebe (20 technische Gutachten übernahm die deutsche Seite, zehn die evangelische Kirche, ist beides geschehen). 

Es gibt dann ein Problem, das schon seit über 15 Jahren besteht: Das Brukenthalmuseum in Hermannstadt wurde 2005 dem rechtmäßigen Eigentümer, der evangelischen Kirchengemeinde in Hermannstadt, zurückerstattet. Es wurde damals zwischen Kulturministerium und dem evangelischen Bischofsamt ein Abkommen unterzeichnet. Diesem sollte ein Regierungsbeschluss folgen, was aber bis heute leider nicht geschehen ist, weshalb dieses auch in den letzten Jahren bei diesen Regierungskommissionen immer wieder zur Sprache kam. Inzwischen ist die gesetzliche Lage geändert worden, die die Voraussetzung für einen solchen Regierungsbeschluss darstellt, aber zu einem entsprechenden Beschluss kam es trotzdem noch nicht. Es ist immerhin als positiv zu bewerten, dass zwischen Fachleuten des Kulturministeriums und der Kirche Verhandlungen begonnen haben. Diese sollten bis Jahresende zu einem positiven Abschluss kommen, vor allem jetzt im Brukenthaljahr.

Betreffend Wirtschaftsförderung über das Bundesministerium des Innern (BMI), das heißt die Gründung von Klein- und Mittel-Unternehmen, läuft diese finanzielle Hilfe, zu sehr günstigen Bedingungen für die Geförderten, seit fast 30 Jahren. Es wurden im Laufe der Zeit Zehntausende Arbeitsplätze so geschaffen. Wichtig ist nicht nur diese Förderung, sondern für das DFDR die Rückflussgelder, die zum Teil für gemeinschaftsfördernde bzw. ethnokulturelle Maßnahmen verwendet werden können, was äußerst nützlich ist. 

Es ist übrigens der einzige investive und nicht nur konsumptive Sektor und sollte unter allen Umständen auf demselben Niveau erhalten bleiben. Leider ist die Zusammenarbeit zwischen unseren Stiftungen, der ADJ und dem BMI, bzw. der Mittlerorganisation Baden-Württemberg-International (bw-i), ein wenig ins Stocken geraten, da alle Mitarbeiter im Referat für Rumänien sowie jene beim bw-i neu sind, und man hat oft den Eindruck, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut. In diesem Sinne wurden aber in letzter Zeit Fortschritte erzielt. Nichtsdestotrotz beklagt sich nun das Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen in Deutschland über neue bürokratische Hürden in dieser Zusammenarbeit.

Betreffend Sozialarbeit ist diese wegen der Altersstruktur unserer Gemeinschaft für das DFDR ein wichtiges Problem. Von beiden Regierungen gefördert, sind unsere Altenheime bzw. andere soziale Einrichtungen (z.B. Essen auf Rädern) voll in Anspruch genommen. Hilfe kommt auch von den Sozialwerken der Landsmannschaften, bzw. über die diakonischen Einrichtungen der katholischen und evangelischen Kirche. Die konsistente Aufstockung der Gehälter im staatlichen Gesundheitswesen hatte aber zur Folge, dass ein Großteil der Pflegekräfte abgewandert ist oder es tun will. Deshalb droht eine ähnliche Tendenz wie im Schulwesen. Auf eine parlamentarische Anfrage unseres Abgeordneten Ovidiu Ganţ zur Erhöhung des rumänischen Anteils an der Finanzierung der Altenheime erfolgte leider eine abschlägige Antwort. 

Es werden weiterhin die ehe-mals in die UdSSR als Zwangsarbeiter Deportierten von beiden Staaten unterstützt. Lobenswert ist die Tatsache, dass auf Vorschlag der drei Abgeordneten der jüdischen, deutschen bzw. serbischen Minderheit, Silviu Vexler, Ovidiu Ganţ und Slavoliub Adnagi inzwischen durch das Gesetz Nr. 130/2020 auch deren Kinder unterstützt werden, inklusive die im Ausland lebenden. Das ebenfalls von den drei Abgeordneten initiierte Gesetz 232/2020 präzisiert das Gesetz 130/2020 und definiert die Kategorien, die zur Entschädigungszahlung berechtigt sind. Aufgrund dieses Gesetzes erhielten schon zahlreiche Antragsteller im In- und Ausland ihre Zahlungsbescheide. 

Leider hat in einigen Kreisen die zuständige Behörde AJPIS die Anträge der Kinder der ehemaligen Deportierten mit der Begründung abgewiesen, dass die Bescheinigungen der evangelischen Kirche A.B. in Rumänien keine offiziellen Dokumente im Sinne des Gesetzes darstellten. Hier handelt es sich um eine eklatante Übertretung des Gesetzes, welches alle legalen Beweismittel für die Verschleppung nach Russland zulässt, inklusive Zeugenaussagen. Ebenso wurden die vom Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes übermittelten Originalunterlagen aus Russland (die Interniertenkarteien, die aus Moskau übernommen wurden) abgewiesen, z. B. in Târgu Mure{/Neumarkt am Mieresch, was absolut inakzeptabel ist.

Last but not least versucht das DFDR im politischen Bereich, wie schon seit seiner Gründung, nicht nur theoretisch Brückenbauer zwischen unseren beiden Ländern zu sein, sondern diese Funktion tatsächlich mit Leben zu füllen. Die aktive Teilnahme von Forumsvertretern bei Arbeitsbesuchen rumänischer Regierungsdelegationen in Deutschland, sowie bei Besuchen verschiedener Delegationen von Politikern aus Deutschland in Rumänien (Bundespräsident, Bundeskanzlerin, Bundesminister, Bundestagsabgeordnete, hohe Vertreter von Bundesländern u.a.) ist dadurch gekennzeichnet, dass das DFDR immer Ansprechpartner ist.

Das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien ist der Dachverband der deutschen Minderheit in Rumänien und zählt rund 20.000 Mitglieder. Das DFDR unterhält mit der „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien“ die einzige deutsche Tageszeitung in Südosteuropa und ist Herausgeber weiterer Zeitungen sowie zahlreicher Buchpublikationen zur rumäniendeutschen Literatur, Geschichte und Kultur. Besonders aktiv ist das DFDR im politischen Bereich, unter anderem in Sibiu/Hermannstadt, wo es den Bürgermeister im vierten Mandat stellt, sowie eine Zweidrittelmehrheit im Stadtrat.