Notorische Koalitionsunfähigkeit

Die Wahlen von 2008 waren die einzigen, bei denen eine Partei mehr Mandate (nicht mehr Stimmen!) als die PSD (oder deren Vorläuferorganisationen) erzielte: die PD. Selbst dann suchte die PD eine Allianzpartei (die PSD...). Die Regierungen Rumäniens seit der Wende waren Koalitionsregierungen. Vom Standpunkt der „Rechten“ waren diese jedes Mal nötig, um ausreichend politische Manövrierfreiheit angesichts einer oppositionellen PSD zu haben, vom „linken“ PSD-Standpunkt, um, ungestört vom neidvoll-oppositionellen Meckern, Individual- oder Herdeninteressen ihrer Spitzenmitglieder durchzusetzen. 
Alle Koalitionen sind vor ihrem Mandatsende auseinandergebrochen. Symptomatisch die Koalitionen der Jahre 1996-2000 (CDR-PD-UDMR), 2004-2008 (DA – Gerechtigkeit und Wahrheit/PNL-PD) und zuletzt 2020-2024 (PNL-USR/PLUS-UDMR). Die PNL in allen vertreten.

Wie an dieser Stelle wiederholt behauptet: Parteien in Rumänien erübrigen Diskussionen über Ideologien. „Rechts“ und „links“ ist für sie wie bei Ernst Jandl: „lichtung/ manche meinen/ lechts und rinks/ kann man nicht velwechsern/ werch ein illtum“. Ideologische Auseinandersetzungen waren hierzulande nie der Grund für den Bruch einer Koalition gewesen. Immer aber persönliche Interessen (der Macht, des Geldes, des Geltungsdrangs, der Clans, der Korruptionsanfälligkeit). Minderheitsregierungen trug immer die PSD, die sie kalt als Marionetten und Handlanger für die Durchsetzung ihrer Interessen manövrierte.

Zum jüngsten Koalitions-Fall PNL-USR/PLUS-UDMR. Die ersten beiden Parteien sind deklarativ Mitte-Rechts-Parteien, dazu der chamäleonische Ungarnverband, der ideologisch mit jedem kann, sofern dadurch die Interessen der Ungarn Rumäniens – und nur diese! – durchzusetzen sind. Die Absetzung des Justizministers Stelian Ion hatte nichts mit Ideologie zu tun. Und schon lange nichts mit Reformwillen und -bremsen. Mag sein, dass das Fehlen einer Ausgleichs-, Aussöhnungs-, Schieds- oder Koordinierungsinstanz zwischen den Parteien der Regierungskoalition den Ausbruch der Regierungskrise beschleunigt hat. Abzuwenden war sie kaum. Noch nie ist bekannt geworden, dass bei einer Koalitionsbildung tiefergehende Koordinierungsverhandlungen zwischen den Parteien stattgefunden hätten, ein Abgleich der Optionen, ein gegenseitiges Akzeptieren der Teams und der politischen Ziele, die zum Zusammenzuschweißen des Regierungsteams geführt hätten. Immer ging es um Personen (der wahlkämpfende PNL-Chef Orban jüngst in Herkulesbad zu PNL-Kreischef Vela: „Sie werden wieder Innenminister, wenn ich wiedergewählt werde“...).

Die Kampfhahn-Parteien PNL – USR/PLUS hätten ein ganzes Jahr lang um einen gemeinsamen kleinsten Nenner zur Grundlage ihres Regierungsprogramms verhandeln können. Taten sie nicht. Ungeschicktheit? Hohler Stolz? Neigung zu Willkürhandlungen des Premiers (die unerwartete Absetzung des Justizministers, ohne Konsultation mit den Koalitionären)? Kurzsichtigkeit? Plumpheit? Dummheit? Ignorierung des Gemeinwohls als Regierungsziel? Ist die Annahme vielleicht grundsätzlich falsch, dass Anti-PSD-Parteien per se hehre Ziele verfolgen?

Schaut man zurück, wird klar, dass jedes Mal die Partei, die Koalitionsbrüche auslöste, welche die „Rechts“-Koalitionen untergruben, die war, die der PSD am ähnlichsten war: die PNL. Genau wie die PSD ist auch die PNL zu einer Partei der Raffer von Staatsgeldern und -renten, der Nutzer der Ordnungsinstitutionen zu Privatzwecken geworden (woher sonst hätte das Orban-Lager plötzlich so unangenehme Informationen über Vorsitzkonkurrent Cîțu?).

Auslösefaktor von Koalitionsbrüchen war immer schon die Gefährdung von Finanzinteressen und Korruptionsvorgängen ranghoher Mitglieder einer Partei. Stelian Ion wäre noch im Amt und die Koalition intakt, wenn er das Milliarden-Selbstbedienungspaket der PNL, PNDL 3, still mitgeschnürt hätte.