Nummernschild und Weltkrieg

Serbien ist einer der wenigen Staaten der Region, die kein Problem haben mit der Unbekümmertheit, mit der Russland (heute in der Ukraine) laufend Kriegsverbrechen begeht. Serbien macht auch keinerlei Geheimnis aus seiner Moskaunähe, aber auch nicht aus seiner Hochrüstung, die in der Region seinesgleichen sucht. Dabei sind den Serben Waffensysteme aus dem Westen (USA, Frankreich) und Osten (China, Russland) gleichermaßen willkommen. In der Folge gibt Serbien gegenwärtig mehr für Rüstung aus als alle anderen Balkanstaaten zusammengenommen. Und ist zudem wieder auf dem Weg, größter Rüstungs-Produzent der Region zu werden.

Ein gepanzerter Kleinstaat also. Seine großen patriotisch-nationalistischen Ideale nähren sich aus der näheren oder ferneren Vergangenheit. Ab und zu lässt er es auf Testsituationen ankommen. Sie fördern sturen Nationalismus. Beispiel: Das Lüftchen mit den Nummernschildern der Serben, die im Norden des Kosovo leben. Mit offensichtlicher Ermutigung aus Belgrad haben die im Kosovo minderheitlichen Serben mit einer Mini-Revolte reagiert, als sie die serbischen Nummernschilder ihrer Autos mit kosovarischen Nummernschildern ersetzen sollten. Ihrem Verständnis nach hieße das, dass sie den Kosovo, wo sie leben, implizite als Staat anerkennen – was sie als stramme belgradgestützte Serben nie zu tun bereit wären. Also wiesen sie entrüstet das Ansinnen der von der Bevölkerungsmehrheit der Kosovaren/Albaner gebildeten Regierung ab. Sie lösten damit Spannungen aus – die letztendlich in Prügeleien ausarteten und bei denen die in diesem Teil des (auch von Rumänien immer noch nicht offiziell anerkannten) Kosovo zahlenmäßig unterlegenen Kosovaren die Verdroschenen waren.

Rund um den – von höherer Warte – lächerlichen Vorfall mit den Nummernschildern und den Prügeleien zeigte sich wieder einmal, wie das alte Pulverfass Balkan funktioniert. Unmittelbar auf die ersten Nachrichten von den „Unruhen der kosovarischen Serben“ schien sich für Belgrad und Moskau eine zweite Front im nie erklärten Krieg der Moskowiter gegen den Westen zu konturieren. Zumal seit 2021 Balkanexperten immer wieder darauf aufmerksam machten, dass die Situation im Kosovo „immer explosiver“ sei. Allerdings: Diesmal reichten Nummernschilder den Serben nicht für das Auslösen eines weiteren Weltkriegs.

Dazu kommt: Im Kosovo sind noch Nato-Truppen stationiert (darunter auch 50 Rumänen), und die hatten signalisiert, dass sie nicht tatenlos zu bleiben gedenken, wenn´s losgehen sollte... Belgrad hatte ohne Zögern seine Interventionsbereitschaft für die schlimm diskriminierten Serben des Kosovo signalisiert, die die Kosovaren zwingen, die Nummernschilder ihrer Autos zu wechseln. Pristina zeigte sich ausnahmsweise mal entgegenkommend und setzte den Wechselzwang der Kfz-Kennzeichen für einen Monat aus. Also ist das Problem noch nicht definitiv vom Tisch.

Aber das „Pulverfass“ Balkan funktioniert ohnehin auch durch Voreingenommenheit Westeuropas. Denn Serbien ist nach wie vor Mitglied der Partnerschaft für den Frieden (eine Institution, die Vertrauen zwischen den Nato-Staaten und den Nato-Nichtmitgliedern fördern soll) – und das einzige Land Europas, das von Nato-Flugzeugen bombardiert wurde. Rumänien brachte damals das Nato-Überfliegungsrecht rumänischen Territoriums wesentlich dem Nato-Beitritt näher... Serbien gibt sich international als nicht-paktgebunden, steht aber, je nach (nationalistisch-ökonomischem) Momentanbedarf, Moskau oder dem Westen nahe, ebenso wie sein Staatschef Alexandar Vucic, grundsätzlich ein elastischer Rechtsextremer aus der alten Milosevic-Verwaltung, laviert, um sich als Unumgänglicher in der Lösung regionaler Problematik zu präsentieren. So auch im Kosovo. Da hat er erst die Unruhestifter aufgestachelt, um sich selber, post factum, als Friedensstifter darstellen zu können.