Reformen als Selbstbeschneidung

Rumänien dümpelt in den Februar 2021 hinein, ohne über einen Haushalt zu verfügen. Das lähmt das Land nicht – immerhin kann jede Verwaltungseinheit ein Zwölftel des Vorjahresbudgets monatlich ausgeben, sagt das Gesetz –, aber es ist ein Haushalt zum Bestandserhalt, nicht zur Weiterentwicklung des Landes. Als Blocker bei der Haushaltsausarbeitung wird der Finanzfachmann und Ex-Finanzminister Florin Cîțu (PNL), konjunkturbedingt Premierminister geworden, beschuldigt. Der Mann weiß aber, was er will: Die Disparitäten und Ungleichgewichte verringern, die er übernehmen musste wegen der Vergeudungspolitik der PSD-Regierungen, die Rumänien an den Rand des finanziellen Abgrunds gebracht hatten – bevor ihre Rivalen von der PNL an die Macht kamen. Premier Cîțu hatte im Vorfeld der Haushaltsplanungen für 2021 (spät, im Dezember, angesetzte Parlamentswahlen haben die Budgetplanungen fatal verspätet) seinen Ministern aufgetragen, mit Reformvorschlägen zu kommen, die eine Verringerung der Ausgaben auf Pump bewirken sollten, um das Haushaltsdefizit zu senken. Diese Reformen im Staatsverwaltungssystem brachten die Minister von PNL, USR-PLUS und UDMR nicht.

Deshalb verkündete der Premier zum Beginn der vergangenen Woche, die Haushalts-debatte(n) im Parlament verschieben zu müssen. Es fehlten ihm noch die Reformvorschläge seiner Minister. Im Klartext: Die Staatssekretäre, Direktoren der Ministerien, die Leiter der Staatsbetriebe und der „Nationalen (Staats-)Agenturen“ (im Internet sind deren 62 – !!! – angeführt) mauern gegen Reformen, weil das im Kontext einer Haushaltsplanung, die Ausgabenverringerungen anpeilt, nur mittels Selbstbeschneidung der Finanzen gehen kann. Implizite durchs Beschneiden von Posten und Pfründen einer Armee von „treuen und verdienstvollen Parteigängern“ sowie der Verwandtschaft der Entscheidungsträger, deren lauwarme Plätzchen wackeln würden.

Man darf dieses Mauern des gesamten Staatsapparats ruhig „inneren Widerstand“ nennen. Und muss sich die Frage stellen, ob sich da nicht mehr zusammenbraut als nur Widerstand gegen die Sanierung der Staatsfinanzen. Der Premier hat das Mauern richtig interpretiert. Er drohte, dass er sie zwingen kann zu Reformen, indem er den Staatshaushalt so anlegt, dass sie um Reformen/Personalausdünnungen nicht herumkommen… Dass er einen Reform-Zwang auslösen kann, mittels Haushaltsvorgaben. 

In dieser Hinsicht scheint er auf die Zustimmung von Präsident Johannis bauen zu können, der schon gebetsmühlenartig bei jeder Gelegenheit Reformen anmahnt – ohne je konkret zu sagen, was er damit eigentlich meint (hoffentlich nicht dasselbe wie bei seiner medienwirksam angekündigten und dann versemmelten Bildungs-Reform…).

Einer sich zusammenrottenden Revolte des Staatsapparats kommt das „Fake-Budget“ („Revista 22“, 2. Februar) der PSD entgegen, das Frontmann Ion-Marcel Ciolacu (mit Vasile Dâncu im Hintergrund) voller Häme vorgestellt hat: „Die PNL möge daraus reichlich kopieren!“. Es basiert auf der tiefen Überzeugung, dass die dreijährige Regierungszeit der PSD – „ausgenommen“ der Frontalangriff auf die Justiz, den der damalige Parteichef Liviu Dragnea angeführt hatte – eine Glanzzeit des Regierens für Rumänien war. Das Ankurbeln des Konsums durch Anlassen der Gelddruckmaschine führe zur Blüte des Landes – so lautet die Quintessenz aller PSD-Regierungsweisheit der Marke Ciolacu/Dâncu. 

Das passt den Blockern im Staatsapparat (viele stammen aus der Kaderreserve von PSD und PNL). Sie nutzen diese vorgekaute „theoretische und ideologische Grundlage“ der PSD gegen Reformen. Die nennt es „ökonomischen Patriotismus“ und knabbert damit begehrlich die Wählerbasis von AUR an. Die Blocker im Staatsapparat reiten (bewusst?) auf dieser Nationalismus-, Orbánismus- und Populismuswelle der PSD – und geben vor, europäisch integriert zu sein…