Rettungsarbeiten am Getreidelager in Gier

Die Dritte Intervention der „Denkmalambulanz Banat“

Das Getreidelager in Gier ist einer der vier „Patienten“ im Banat in diesem Jahr für die „Rettungswagen für Denkmäler“-Initiative.
Foto: Ambulanţa pentru Monumente – Banat

An der Hauptstraße in der Gemeinde Gier/Giera, an der serbischen Grenze, 60 Kilometer von Temeswar/Timişoara entfernt, ist derzeit viel los. Zwölf Freiwillige und Fachleute versuchen, das alte Getreidelager an der Hauptstraße, Hausnummer 91, instand zu setzen. Alles läuft über das Projekt „Ambulan]a pentru Monumente Banat“ (deutsch: Krankenwagen für Denkmäler Banat), das, vor Ort, durch den „Prin Banat“-Verein (deutsch: Durchs-Banat-Verein) unterstützt wird. 

21 Denkmäler werden im Laufe des Jahres durch dieses Projekt rumänienweit „gerettet“. Die sogenannte Denkmalambulanz führt 2021 Arbeiten in Siebenbürgen, in Muntenien und Oltenien sowie in den Verwaltungskreisen Arad, S²laj, Temesch/Timiş und Karasch-Severin/Caraş-Severin durch. Die römisch-katholische Kirche von Hopsenitz/Ofseni]a, Gemeinde Banlok/Banloc, das Tschawoscher Mausoleum/die römisch-katholische Kirche von Bobda, Gemeinde Tschene/Cenei, sowie der Hochofen-Beschickungsturm in Bokschan/Bocşa, nahe dem Bahnhof Deutsch-/Montan-Bokschan, sind, neben dem Getreidelager in Gier, die Banater historischen Bauten im Visier des Vereins für dieses Jahr. 

„Wir lieben es, durch das Banat zu reisen und seine Geschichten bekanntzumachen. Unweigerlich haben wir auch zahlreiche potenzielle ‘Patienten’ für unseren Rettungswagen für Denkmäler entdeckt. Offiziell gibt es über tausend Denkmäler, die Teil einer Denkmalschutzkategorie sind. Die Realität vor Ort ist, dass es viel mehr Bauten von unschätzbarem Wert gibt, die durch keinen legalen Schutz gesichert und dabei auch in einem schweren Verfallszustand zu finden sind. Wir können leider nicht alle instand halten – es gibt viel zu viele solche Immobilien. In diesem Jahr sind vier Eingriffe im Banat geplant, aber es gibt in der Region viel mehr Denkmäler, die einen Schnelleinsatz notwendig hätten“, sagt Mihai Moldovan, der Koordinator des Projekts im Banat. 

Die Baustelle an der römisch-katholischen Kirche in Hopsenitz wurde im Herbst des vergangenen Jahres eröffnet. Hier sind umfangreiche Arbeiten, an Seitenwänden, am Dach, am Turm und am Altar nötig und werden derzeit fortgesetzt. Ende April dieses Jahres haben weitere Arbeiten an der römisch-katholischen Kirche in Bobda im Kreis Temesch begonnen. „Die Intervention am Csávossy/Tschawosch-Mausoleum in Bobda ist sehr umfangreich und wird im Laufe mehrerer Jahre umgesetzt. Die Rettung erfordert eine Reihe von Schritten, um den Bau zu sichern. Der erste Schritt im Jahr 2021 war das 3D-Laserscanning des gesamten Gebäudes, um spezialisierte Studien zu entwickeln, die die Grundlage für die Intervention im nächsten Jahr sein werden. Im April haben Freiwillige das Denkmal von den wuchernden Pflanzen rundherum befreit, Schutt innerhalb und außerhalb des Gebäudes beseitigt sowie das Inventar der Kulturgüter erstellt“, setzt Mihai Moldovan seine Ausführungen fort. 

Die dritte Rettungsinitiative des Projekts im Banat hat vor Kurzem in Gier begonnen. Die Ortschaft an der serbischen Grenze wurde zum ersten Mal 1332 dokumentarisch erwähnt. Die ehemalige Mühle hat eine besondere Architektur und wurde als historisches Denkmal der Kategorie B – von lokalem Interesse – verzeichnet. 

Die Ortschaft war im Jahr 1332 im Besitz der Familie Cenad/Csanadi und hieß „Guer“. Bei der Volkszählung im Jahr 1717 gab es in Gier zwölf Häuser, die von Serben bewohnt waren, und eine 1667 erbaute orthodoxe Kirche. Ab 1795 kommt Gier (inklusive der Ortschaften Toager, Gr²niceri und Livezile) in Besitz der reichen armenischen Familie Gyertyánffy (die mit der Westbanater Grafenfamilie der Nákó – Großkomlosch und Großsanktnikolaus – verwandt war) und bekommt den Namen „Gyer“. 

Gegenüber dem aktuellen Getreidelager in Gier ist auch das Gutsherrenhaus, Hausnummer 44, das Lukács Gyertyánffy 1829 für seinen Sohn László erbauen ließ, zu finden. Das Haus wurde neben dem alten Gutsherrenhaus aus dem Jahr 1795 errichtet. Die Architektur dieser Bauten ist stark von den verschiedenen Bauzeiten – Neoklassik und Eklektik – beeinflusst. Die letzten Nachfolger der Gyertyánffy-Familie waren die Gutsherren Lászlo und Ándor. Ándor hat im 19. Jahrhundert das Getreidelager erbaut. Als es noch in Betrieb war, konnte die ehemalige Mühle bis zu 70 Tonnen Getreide verarbeiten. Das Eigentum der Gutsherrenfamilie wurde zur Zeit des Kommunismus nationalisiert. Heute sind die Güter in Besitz eines lokalen Unternehmens. Sowohl das Gutshaus als auch des Getreidelager befinden sich derzeit in einem sehr schlechten Zustand. 

Am Getreidelager wird bis zum 24. Juli umfassend gearbeitet. Genauer: Es macht eine dringende Konsolidierung und Vervollständigung des Zugangs zum Gebäude erforderlich. Dieser Teil der Gebäude ist am stärksten betroffen. Beim Portikus werden die abgebauten Elemente der Holzkonstruktion ersetzt und die fehlenden Elemente des Daches komplettiert. „Da wir mit größtem Respekt für unsere so wertvollen Denkmäler handeln wollen, haben wir uns vorgenommen, den Eingangsportikus des Gebäudes in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen und mit dem Originalmaterial (Asbestzement) zu bedecken. Somit haben wird die zeitgemäße Version dieses Materials, Eternit, die weder gefährlich noch giftig ist, zu nutzen“, erklärt der Projektkoordinator Mihai Moldovan.

Zwischen dem 9. August und dem 30. September wird eine weitere Intervention am Beschickungsturm des längst stillgelegten Hochofens in Deutsch-Bokschan/Boc{a Montan² im Verwaltungskreis Karasch-Severin aufgenommen. „Die erste Phase der Intervention besteht darin, das Gebäude von der umgebenden Vegetation zu befreien, die sich von der Hauptstruktur lösenden Elemente zu demontieren und das Innere von Schutt und Abfall zu befreien. In der zweiten Phase wird der Dachstuhl gebaut. Eine neue Dachkonstruktion für den Turm ist zu bauen, die auf den eingestürzten Elementen basiert, die an seiner Basis entdeckt worden sind. Schließlich wird das Dach fertiggestellt, wodurch die Sicherheit der gesamten Baugruppe gewährleistet ist“, erzählt Mihai Moldovan.

Das Projekt „Ambulan]a pentru Monumente“ ist 2016 vom „Monumentum“-Verein ins Leben gerufen worden, als ausdrückliche Reaktion auf das fehlende Interesse der Behörden für die Sanierung, Instandsetzung und -haltung von Denkmälern, sowie um dem rapiden Verfall vieler Denkmäler entgegenzuwirken. Volontäre, örtlich ansässige Handwerker und Ortsansässige tun sich zusammen, unter Aufsicht von Denkmalschützern und Fachleuten in der Konservierung und Restaurierung von Denkmälern, und leisten Dringendstes. Der englische Thronfolger, Prinz Charles von Wales, gilt als der prominenteste Unterstützer des Projekts.

Ziel ist es, das kulturelle Erbe mit Hilfe von Freiwilligen, Handwerkern und lokalen Gemeinschaften unter der Aufsicht von Fachleuten im Bereich der Konservierung und Restaurierung historischer Denkmäler zu sichern. Die Freiwilligen treffen Sofortmaßnahmen, um – ähnlich wie das medizinische Personal eines Krankenwagens – die Denkmäler vor dem vollständigen Verfall zu retten. Junge Menschen können gemeinschaftliches Engagement lernen, und künftige Architekten sich durch die praktische Arbeit auf ihre Karriere vorbereiten, heißt es in der Projektbeschreibung. Das Projekt wurde vom Verein „Asociaţia pentru patrimoniu activ/Verein für aktives Kulturerbe – PACT“ initiiert.

„Ambulan]a pentru Monumente“ hat letztes Jahr den Preis der Europäischen Union für das Kulturerbe (Europa Nostra Awards) gemeinsam mit 20 anderen Initiativen zur Erhaltung von Bauten, Kulturlandschaften, Kunstwerken oder archäologischen Stätten gewonnen. Das Projekt stützt sich hauptsächlich auf Spenden (Geld, aber auch notwendige Baumaterialien) sowie auf den freiwilligen Einsatz von Architekten, Baumeistern, Studenten und anderen Interessierten. Auf der Webseite des landesweiten Projekts ambulanta-pentru-monumente.ro kann man Informationen zu den Denkmälern aus den jeweiligen Regionen, über Spendenmöglichkeiten oder Freiwilligenarbeit abrufen.