Richter und Knall in Baden-Württemberg

Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa bleibt dran in Löwenstein

An und für sich kein ungewöhnliches Bild, für die Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa (GDMSE) aber von großer Wirkung: Konzert ihrer 35. Löwensteiner Musikwoche in der Heilbronner Kilianskirche
Foto: Georg Hutter

Gleicher Ort, neue Zeit: Die traditionsreiche Musikwoche Löwenstein beging auch ihre 35. Auflage in der Evangelischen Tagungsstätte Löwenstein bei Heilbronn, umgeben von Weinbergen. Aller-dings war die Woche mit großem Abschlusskonzert in der Kilianskirche Heilbronn aufgrund der Corona-Pandemie in die Sommerferien verlegt worden und fand nun vom 16. bis 22. August statt.

Dass die von der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa (GDMSE) getragene Veranstaltung überhaupt stattfinden und der geplante Ablauf tatsächlich umgesetzt werden konnte, kam für die Beteiligten und am Ende auch für die vielen Besucherinnen und Besucher des abschließenden Konzertes einem mittleren Wunder gleich. Mit Unterstützung der Tagungsstätte Löwenstein und der Kiliansgemeinde Heilbronn wurden jedoch überzeugende Hygienekonzepte erarbeitet, die das gemeinsame Musizieren ermöglichten und zugleich Sicherheit boten. 

Die Verschiebung von der nachösterlichen Woche in den August sowie die durch Corona diktierten Unsicherheiten hatten zur Folge, dass die Gruppe mit Teilnehmenden und Dozenten statt wie gewohnt über 120 nur 85 Personen groß war. Der musikalischen Begeisterung und auch Qualität tat dies keinen Abbruch – gerade das Orchester der Musikwoche präsentierte sich mit vielen jungen Musikerinnen und Musikern in hervorragender Verfassung und lieferte in der Kilianskirche eine CD-reife Interpretation des zweiten Satzes aus Paul Richters groß angelegter fünfter Sinfonie. Der Kronstädter Kantor und Organist Dr. Steffen Schlandt und die anderen Dozentinnen und Dozenten hatte großartige Arbeit bei der Einstudierung geleistet. 

Das weitere Programm des Abschlusskonzertes war bunt, aber gut aufeinander abgestimmt und enthielt gemäß der Maxime der GDMSE (deren jährliche Mitgliederversammlung während der Woche stattfand) vor allem Musik von deutschen Komponisten aus Südosteuropa: Die Blechbläser eröffneten strahlend unter Leitung von Jörn Wegmann mit Musik von Paul Dukas und Tylman Susato, der Jugendchor sang klar und hell unter anderem Sätze seines Dirigenten Christian Turck. 

Der große Chor hatte unter Leitung von Kantorin und Organistin Andrea Kulin die bemerkenswerte Motette „Si bona suscepimus“ des Georg Ostermayer einstudiert: Der in Kronstadt geborene Renaissance-Komponist schrieb dieses einzig erhaltene Werk kurz vor seinem Tod ausgerechnet in Heilbronn, seiner letzten Wirkungsstätte. Hier war er als Kantor tätig. 

Nach einem Lied des siebenbürgischen Musikpädagogen und Komponisten Ernst Irtel erklang dann der Auszug aus der Richter-Sinfonie mit zart schmelzendem Violinsolo (Emil Naudé) – ein weiterer Beleg auch für die große Qualität des Kronstädter Komponisten, der zeitlebens damit haderte, nach dem Studium nicht in Deutschland geblieben zu sein und doch zu den allerwichtigsten Meistern in Siebenbürgen zählt. 

Die Notenausgabe hatte der Verleger Frieder Latzina aus Karlsruhe besorgt. Sieben rumänische Tänze von Béla Bartók brachten Tanzhaus-Atmosphäre in die Kirche – bevor zum Abschluss mit Johann Knall ein Hermannstädter Komponist der Spätklassik zum Zuge kam. Von ihm erklang ein Dictum zum Pfingstfest, also eine besondere Form der Kantate, wie sie fast nur in Siebenbürgen gepflegt wurde. Hier waren neben einem (eher kleinen) Orchester der große Chor der Musikwoche sowie die Solisten Sandra Bildmann und Steffen Balbach aufgeboten. Gewaltiger Applaus des Publikums belohnte die Leistung der Ensembles. Alle zusammen hatten nochmals Glück, als ein Gewitter sich erst in der Nacht nach dem Konzert über der Kirche austobte – und mit einem Blitz die Elektrik vorübergehend außer Funktion setzte. 

Freilich wurde während der Musikwoche nicht nur für das Schlusskonzert geprobt. Verschiedenste Kammermusikensembles, Orchester und Vokalgruppen ließen Musik durch die ganze Tagungsstätte klingen. Drei interne Vorspiele boten Gelegenheit, Erarbeitetes auch einem fachkundig-wohlwollenden Publikum vorzustellen, das aus Menschen aller Altersstufen (vom Kleinkind bis zur Großmutter) bestand. 

Voraussetzung für diese unverzichtbare Arbeit, die seit Jahrzehnten die Teilnehmenden (gerade Kinder und Jugendliche) prägt, war der Einsatz der Dozentinnen und Dozenten, die die Probenarbeit begleiteten: Steffen Schlandt und Andrea Kulin (musikalische Leitung), Christian Turck (Jugendchor, Korrepetition), Ilarie Dinu (hohe Streicher), Jörg Meschendörfer (tiefe Streicher), Rita Marquardt (Holzbläser), Jörn Wegmann (Blechbläser), Renate Dasch (Sologesang), Dorothea von Kietzell (musikalische Früherziehung und Streicherkammermusik) und Svenja Wollny (Kinderbetreuung). Die Gesamtorganisation lag in den Händen von Bettina Meltzer und Johannes Killyen. 

Ohne großzügige Unterstützung wäre all dies jedoch nicht möglich gewesen. Die Musikwoche 2021 wurde gefördert vom Innenministerium Baden-Würt-temberg, vom Kulturreferat für Siebenbürgen, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Heimatgemeinschaft der Kronstädter in Deutschland sowie der Heimatgemeinschaft der Deutschen in Hermannstadt. Logistische Unterstützung boten der Verband der Siebenbürger Sachsen (Kreisgruppe Heilbronn) und die Kiliansgemeinde Heilbronn.

Die 36. Musikwoche im Jahr 2022 ist bereits geplant und wird voraussichtlich wieder in der nachösterlichen Woche vom 18. bis 23. April stattfinden.