Zugebissen: Schwein gehabt?

Siebenbürgen, das ab 1711 für die Dauer von 156 Jahren als Provinz des Habsburgerreiches zählte, ehe es beim „Ausgleich“ 1867 an Budapest abgetreten wurde, muss für die Vorgängerverwaltung des modernen Österreich ein Glücksfall gewesen sein. Ebenso auch die historisch ungeteilte Bukowina, die 1775 für beträchtliche 143 Jahre in habsburgische Oberhoheit überwechselte, nachdem das Herrscherhaus des Osmanischen Reiches überzeugt werden konnte, sie freizugeben.

Und weil Wien zu guter Letzt auch das Regieren über die Oltenia von 1716 bis 1739 für sich behaupten konnte, liegt die alte Zeit des Ernst-Nehmens transsylvanischer, moldauischer und walachischer Belange im Regierungsviertel der österreichischen Hauptstadt auch wirklich lange zurück. Mit jenem Beigeschmack selbstverständlich, dass es nicht möglich war, die okzidentale Staatsräson auch südlich der Karpaten annähernd fest wie im Norden ihrer Gebirgsketten zu etablieren, wo doch oltenische Bojaren die überwiegende Mehrheit im Kaiserlichen Beirat von Craiova stellten. Trotzdem war für die Provinz westlich des in die Donau mündenden Alt/Olt manches Gute drin. Die erste moderne Landkarte der Oltenia wurde im Auftrag der Habsburger erstellt und war 1722 fertig zum Gebrauch im Terrain. Die Josephinische Landesaufnahme (1763-1787) und die Franziszeische Landesaufnahme (1806-1869) wurden dort nicht gerade ersatzlos verpasst – auch die Kleine Walachei hatte bisschen Schwein.

Dass die Einwohner des Dorfes Polovragi am südlichen Fuß der Karpaten sich in Streitigkeiten mit dem orthodoxen Kloster ihrer Gemeinde, dem sie wie einem Lehnsherren gehorchen sollten, an ihre „preacinstita chezariceasc˛ administra]ie“ (‚hochwürdige kaiserliche Verwaltung‘) wandten und sie um Rückendeckung vor der Habgier ihrer klerikalen Unterdrücker baten, sagt eine Menge über Wiens Stand beim Fußvolk im alten Rumänien aus.

Leider büßte 1918 nicht allein Budapest, sondern auch Wien seine letzten Standbeine im Terrain des modern rumänischen Staats ein. Außerdem wurde Österreich in einem Vorort von Paris das Verbot auferlegt, sich zukünftig mit Deutschland zu verbünden. „Porca l´Austria!“, schimpfte im Zweiten Weltkrieg Italiens Diaspora in Zürich auf den „Anschluss“ 1938, dem gegenüber der „Ausgleich“ von 1867 weniger Schaden angerichtet hatte. Klar, Rumänien sollte sich hüten, postwendend anderen am Zeug flicken zu wollen, und tunlichst nicht verbergen, dass es selber auch mit Begeisterung am faschistischen Europa mitzubauen versucht hat. Was natürlich die sofort nach Kriegsende folgende kommunistische Diktatur nicht entschuldigt. Letztere Form des Totalitarismus blieb Österreich glücklicherweise erspart – Schwein gehabt, nicht wahr? –, doch das Land hatte vorher zwei rechte Diktaturen, Rumänien eine durchgemacht. Ein Glück, dass Rumänien heute nicht mehr kommunistisch und Österreich nicht mehr faschistisch ist. Das Lager dafür mancher „Politiker, die dümmer als ihre eigenen Populationen sind!“, wie der Klausenburger Journalist Sabin Gherman rüde austeilt, macht Bukarest und Wien diplomatisch bidirektional unverdient schwer zu schaffen.

Ein Schengen-Votum ohne das zickige Veto Österreichs wäre ein klassischer Fall von ‚Schwein gehabt‘ gewesen – und, um bis ans bittere Ende heran ehrlich zu sich selbst zu sein, nichtsdestotrotz keine Reinwaschung von allem, was Rumänien intern vermasselt. Nicht so stechend weh tut das Veto der Niederlande zu Rumäniens Schengen-Beitritt. Die Niederlande sind weit weg. Aber Österreich, dessen Geste gezählt hätte, doch ausblieb? Selbstverständlich wäre es unangebracht, mit einem „Porca l´Austria!“ darauf zu antworten. Europa aber hat Schwein sauer nötig. Schwein aus solidarischer Zucht statt einem Saustall politischer Arroganz. Vor nicht allzu langer Zeit hat ein gewisser Herr Kurz tatsächlich riskiert, das Ansehen Österreichs kurz und kürzer zu stutzen. Ungut, dass Nehammer stur in dieselbe Kerbe schlägt. Das kann Österreich besser.

Die Bukowina übrigens holten die Habsburger 1775 in sicheren Hafen, weil Gefahr ihrer Okkupation durch Russland bestand. Das erklärte Ende September 2022 in Hermannstadt/Sibiu Dr. Harald Heppner (Jahrgang 1950) aus Graz, von 2006 bis 2017 Vorsitzender des Militärhistorischen Beirats der Wissenschaftskommission beim Österreichischen Bundesministerium für Landesverteidigung. Mal wieder Schwein gehabt.