Spiralen aus der Bronzezeit

Der Goldschatz von Sarasău im Nationalen Geschichtsmuseum

Seit 2016 gehört dieser Teil des Goldschatzes von Sarasău dem Nationalen Geschichtsmuseum in Bukarest und ist dort bis zum 23. April als Mikroausstellung zu sehen.
Foto: die Verfasserin

Wahrscheinlich wäre er einer der bedeutendsten und größten Goldschätze auf rumänischem Gebiet gewesen: der Schatz von Sarasău im Norden der Maramuresch, entdeckt 1847 am linken Ufer der Theiß. Doch leider wurden die kostbaren Fundstücke aus der Bronzezeit, wie so oft, von den lokalen Bewohnern, die ihn ausgegraben hatten, hastig untereinander aufgeteilt. Nur bei einem der Beteiligten - so die Dokumente der Behörden, die den Fund damals registrierten - konnten noch 4,5 Kilogramm Goldartefakte sichergestellt werden. Der überwältigende Rest war längst über alle Berge - verkauft, eingeschmolzen, wahrscheinlich für immer verloren...

Manchmal – selten - tauchen jedoch lange verschollene Artefakte in privaten Kollektionen oder auf dem Schwarzmarkt wieder auf. So auch im Falle des Schatzes von Sarasău: Heute gibt es von diesem noch zwei kleine Tranchen - eine seit dem 19. Jh. im Budapester Nationalmuseum (Magyar Menszeti Muzeum) befindliche, die andere seit 2016 im Nationalen Geschichtsmuseum (MNIR) in Bukarest. Erst im letzten Jahr wurde sie von diesem aufgekauft, von einem Erben der Privatsammlung Mihalyi, der sich 2015 an das Museum gewandt hatte. Die elf Artefakte der Bukarester Tranche sind nun bis zum 23. April Gegenstand der Mikroausstellung des Monats im Lapidarium des MNIR.
 
Einzigartig und rätselhaft

Die kleine Glasvitrine vor den Paneelen, die über die ersten Ergebnisse der vom MNIR direkt nach dem Kauf initiierten, pluridisziplinären Untersuchungen Auskunft geben, wird zum Guckloch ins Dunkel der Frühgeschichte. Zu bestaunen sind ein großer und sechs kleinere spiralförmige Anhänger, drei offene eingekerbte Ringe und ein Collier. Feinste Goldschmiedearbeiten, vermutlich aus zylinderförmig gegossenen, größeren und kleineren Goldbarren gehämmert, dann mit filigranen Motiven dekoriert. Für die Verzierung der Spiralen wurden hauchfeine Stänzel mit dreieckiger und runder Basis verwendet. Auch feinste Schleif- und Schneideinstrumente kamen zum Einsatz. Ein Rätsel bleibt, wer die Schmuckstücke einst getragen haben mag – ob Mann oder Frau, ob Priester oder weltlicher Edelmann - oder ob sie überhaupt für den alltäglichen Gebrauch gedacht waren. Körperschmuck, Kleideranhänger, Kultgegenstände, Grabbeigaben? Viel zu wenig ist bekannt von der sogenannten Suciu-de-Sus-Kultur, der man die Artefakte zuordnet, und die sich in der Bronzezeit über Nord- und Nordwest-Siebenbürgen, Nordost-Ungarn, die östliche Slowakei und den jenseits der Karpaten gelegenen Teil der Ukraine erstreckte und durch besonders feinwandige Keramik mit Spiralmustern auszeichnete.

Die Teile des Schatzes weisen jedenfalls keinerlei Nutzungsspuren auf; mikroskopische Kratzer deuten lediglich auf einen Feinschliff nach der Bearbeitung hin. Und noch eine Kuriosität gibt den Forschern zu denken, wie Corina Borş (MNIR), die an den wissenschaftlichen Untersuchungen beteiligt war, verrät: das vollständige Fehlen der Elemente Zinn und Zink, das auf eine metallurgische Raffination des Goldes hindeutet. Der einheitliche Goldgehalt aller Stücke - 81,9 bis 83,5 Prozent mit 15,5 bis 17 Prozent Silberanteil - zeigt, dass sie demselben, derzeit noch unidentifizierten Goldvorkommen entstammen. Eine ähnliche Zusammensetzung weisen nur die Teile des Schatzes von Câuaş (Sathmar) auf, möglicherweise verweisen beide auf eine Quelle in der Maramuresch. Einzigartig in der Form, auch wenn Spiralmotive typisch für die Zeit waren, gibt es derzeit keinen dem Schatz von Sarasău vergleichbaren Fund.

Schleichender Schwund

Verschiedene historische Quellen beschreiben die vorhandenen, aber auch längst verlorene Fundstücke des Schatzes. Erstmals wurde ein Teil der Artefakte 1865 von Floris Römer in einem Artikel beschrieben, der auf einem 1864 an ihn gerichteten Brief des Finders Ioan Mihalyi de Apşa beruht. Darin sind unter anderem mehrere einfache, mittlerweile verschollene Ringe erwähnt. Spätere Autoren benennen auch einen bronzenen Gegenstand, so dass gar nicht sicher ist, ob es sich um einen reinen Goldschatz handelte. Der Forscher Carol Kacso erwähnt zudem zwei massive goldene Fußringe, beide mit unbekanntem Verbleib; ebenso soll es mehrere Armreife gegeben haben. Auch die ursprünglich sichergestellte Anzahl der Spiralanhänger bleibt unklar: Vasile Pârvan bezieht sich auf 15, Marton Roska auf zwölf. Elf sind noch vorhanden, davon vier im Budapester Museum und sieben im MNIR. Von den blattförmigen Endstücken der Spiralanhänger befindet sich in jedem Museum ein Exemplar. Eingekerbte Ringe soll es über 100 gegeben haben, erhalten sind heute 81 in Budapest (von den ursprünglich 86 im 19. Jh. erworbenen) und drei im MNIR (von den ursprünglich acht aus der Kollektion Mihalyi). Von über 600 Goldperlen – darunter einfache und doppelt konisch geformte - gibt es im Budapester Museum noch 43 (von ursprünglich 160 im 19. Jh. aufgekauften) und im MNIR 239 (von ursprünglich 452 aus der Sammlung Mihalyi).

In mehreren Publikationen wird aus dokumentarischen Quellen zur Entdeckung des Schatzes zitiert: Angestellte der Tierfarm des Präfekten Ioan Mihalyi de Ap{a in Saras˛u sollen ihn nach extrem starken Regenfällen auf einem Hügel zufällig gefunden und ausgegraben haben. In der Familie der Erben hingegen hielt sich über Generationen hinweg eine charmante Legende: Der geizige und misstrauische Bauer soll seine von der Weide zurückgekehrten Tiere täglich eigenhändig gezählt haben. Als er dabei in der Schnauze eines Schweins eine goldene Nadel entdeckte, dachte er sofort an einen Schatz und ließ das Gelände der Schweine umgraben. Wenn Legende und Wissenschaft sich küssen - dann bleibt nicht nur Raum für die individuelle Phantasie, sondern vor allem für weitere Forschungen. So wird auch das vom MNIR begonnene spannende Projekt der wissenschaftlichen Analyse in den Labors des Nationalen Forschungsinstituts für Optoelektronik INOE 2000 weitergehen, um der Geschichte Puzzlestein um Puzzlestein ihre Geheimnisse zu entreißen.