Strippenzieher Ponta

Seit Wochen erleben wir Parteienwechsel zutiefst kompromittierter Altpolitiker (einige unter ihnen mit „konsekrierter Vergangenheit“ als Securitate-Spitzel), allesamt durchwegs Produkte der von Ion Iliescu treffend als „das Schurkensystem“ („sistemul ticăloșit“) abgestempelten politischen Nachwendezeit. Mit allen Korruptionswässerchen gewaschen, alle Hebel politischer Unterordnung zwecks Schröpfung der staatlichen Institutionen und „Abzwackung“ von Staatsmitteln zum Eigennutz bewegend, kompromittiert bis über beide Ohren und skrupellos bis zum Verrat von allem, was für Normalmenschen tabu ist, nutzen sie das Vorwahljahr und das „babylonische politische Chaos“ in Rumänien, um sich ein weiteres Mandat zu sichern zwecks Fortsetzung ihrer Diebstähle am Nationaleigentum. Oder um persönliche Ambitionen, sich über politische Fairness und gesellschaftlichen Anstand hinwegsetzend , zu verwirklichen. 

Auf Anhieb fällt einem da der wegen Unfähigkeit, die EU-Wahl für die Auslandsrumänen zu organisieren, der bis zum letzten Augenblick sich uneinsichtig am Außenministerstuhl festkrallende, zuletzt aber doch geschasste Ex-Außenminister Meleșcanu ein, der sich, ohne mit der Wimper zu zucken, von der PSD zum Senatsvorsitzenden, also dem zweiten Mann im Staat, küren ließ und dabei seine Partei schnöde verriet.

Einen noch gnadenloseren Kampf mit noch schnöderen Mitteln kämpft Ex-Premier, Ex-PSD-Chef und Ex-Präsidentschaftskandidat Victor Ponta. Ihm zur Seite steht eine der politisch lächerlich gewordenen Gestalten der rumänischen Politik (leider auch einer der wenigen rumänischen Politiker, die kohärent öffentlich reden können, ohne dauernd „ăăă“ und „îîî“ vor jedem herausgewürgten Wort zu stottern): Ex-Premier und Ex-Senatspräsident Călin Popescu-Tăriceanu, der Noch-Chef der Kleinpartei ALDE. Lächerlich ist er, weil er zum Hass-Politiker mutierte (Hass auf Präsident Johannis, Hass auf Premierministerin Vasilica Dăncilă, Hass auf die Abtrünnigen aus seiner Partei usw.) und weil er auftritt, wie das Zünglein an der Waage – wo die Waage ohne ihn anstandslos funktioniert.

Der Preis, um den gekämpft wird: die politische Mehrheit im bestehenden Parlament, also u. U. um die Regierung. An der hält Vasilica Dăncilă mit Händen und Füßen fest und opfert dafür die finanzielle Zukunft Rumäniens (u. a. durch nicht durchgerechnete Lohn- und Rentenerhöhungen).
Pontas Strategie ist simpel: VasilicaDăncilă muss weg! Spätestens nach den Präsidentschaftswahlen im November, die sie als Kandidatin verliert. Sitzt sie nicht mehr an den Regierungshebeln, hat sie auch keinen Zugang mehr zu den öffentlichen Geldern und damit zu den „Wahlargumenten“ des kommenden Jahres (deto, zu den Schmiergeldern für die öffentliche Verwaltung, die PSD-Wahlmaschine) und die PSD-Barone lassen sie fallen.

Ein Meisterstück ist Ponta bereits gelungen: Er brachte die PSD/ALDE-Koalition zum Platzen und machte sich ALDE-Chef Tăriceanu zum Juniorpartner. Der zweite Hieb, die Kandidatur des mittelmäßigen Schauspielers und unbedarften Politikers Mircea Diaconu für die Präsidentschaft, dürfte weniger Dăncilă (wie in Pontas Absicht) schaden, hingegen bestimmt Mitbewerber Johannis nutzen: Seine Gegenstimmen werden breiter gestreut.
Ponta hofft, sollte Dăncilă fallen (nach der Misstrauensfrage möglich, verfassungsmäßig nicht unbedingt nötig, wegen Grauzone...), selber die Regierungszügel zu übernehmen, da sowohl die PNL, als auch die USR zögern, Bereitschaft zur Bereinigung des von der PSD zubereiteten finanziellen Morasts zu signalisieren. Auf alle Fälle: Nach den jüngsten parlamentarischen Migrationsbewegungen der „Volksvertreter“ scheint die Opposition die nötige Stimmenmehrheit zum Sturz der Regierung zu haben. Vom Wollen zum Können ist aber noch ein Schritt.
Ponta hält sich jetzt stärker zurück. Das PSD-Schlachtross kennt wohl seine Grenzen.