„Über sieben Brücken längst hinaus“

Sieben Jahre Kulturwoche Haferland – ein Fest der Nachhaltigkeit

Eröffnung der Haferlandwoche im idyllischen Arkeden

Den Gottesdienst in Deutsch-Kreuz zelebrierte Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli. Fotos: George Dumitriu

Süße Köstlichkeiten der Frauennachbarschaft in Keisd

Lebhafte Diskussionen auf der Konferenz in Keisd, an der auch der britische Botschafter (gestikulierend) teilnahm

Malerin Imola Popescu-Feldberg öffnete in Deutsch-Weißkirch Hof und Haus für Besucher.

Seit sieben Jahren gibt es sie nun schon, die Haferland-Kulturwoche. Ein Beweis dafür, dass sie, wie in einer Ehe, wohl  für die Ewigkeit hält, scherzt einer der beiden Initiatoren, der Unternehmer Michael Schmidt. Über 6000 Besucher wurden vom 25. bis 29. Juli in den zehn Teilnehmergemeinden Arkeden/Archita, Deutsch-Weißkirch/Viscri, Hamruden/Homorod, Keisd/Saschiz, Reps/Rupea, Deutsch-Kreuz/Criț, Bodendorf/Bunești, Radeln/Roadeș, Meschendorf/Meșendorf und Klosdorf/Cloasterf erwartet. Längst gilt die Haferlandwoche mit etwa 20.000 Besuchern seit ihrer Gründung als größtes kulturelles Ereignis der Region, das sächsische Traditionen wieder aufleben lässt. Als Highlight wurde dieses Jahr auch das zehnjährige Bestehen von Tabaluga in Radeln gefeiert, der Stiftung von Peter Maffay, Mit-Ideengeber und -organisator der Haferlandwoche. Der Rockstar begeht heuer auch seinen 70. Geburtstag und feiert 50 Jahre Musikerkarriere.

Fünf Tage, neun Dörfer, eine Stadt – und unzählige Programmpunkte: Konzerte, Filme, Bilderausstellungen. Brunches vor Kirchenburgen, Handwerksdemonstrationen, Kinderprogramm, Blasmusik, Tänze, Gottesdienste und Konferenzen, aber auch die Vorstellung neuer Initiativen in der Region rückten dieses Jahr erneut die sächsische Kultur in den Mittelpunkt, die Siebenbürgen jahrhundertelang prägte. Doch soll die siebte Haferlandwoche auch das multikulturelle Leben und die Beteiligung der lokalen Bevölkerung an einer nachhaltigen Dorfentwicklung über ethnische Grenzen hinweg zum Ausdruck bringen, erklärt Peter Maffay. Wichtig seien hierbei gegenseitiger Respekt und ein Dialog auf Augenhöhe. Auch Tourismusförderung ist ein Ziel: „Dieser wunderschönen Landschaft die Aufmerksamkeit zu verleihen, die sie verdient.“ In diesem Sinne sei die Haferlandwoche längst zu einem Symbol geworden, so der Rocksänger. Das Motto in diesem Jahr lautete: „Sei Teil der Gemeinschaft!“

Im Strudel der überlagerten Identitäten

Die Haferlandwoche stand diesmal unter der Schirmherrschaft des deutschen Innenministers Horst Seehofer, der jedoch wegen „dringender unaufschiebbarer europapolitischer Verpflichtungen“ nicht anwesend sein konnte, wie der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Prof. Dr. Bernd Fabritius, in seiner Ansprache am Tag von Deutsch-Kreuz (27. Juli) bedauerte - und versprach: „aufgeschoben ist nicht aufgehoben.“  Die deutsche Minderheit sei für den Bundesminister ein „zentrales Anliegen“, betonte Fabritius. „Der Haferlandwoche misst die gesamte deutsche Bundesregierung hohe Bedeutung zu.“ Wichtig sei ihr die Unterstützung von Deutschen in anderen Ländern, die unter den Folgen des Zweiten Weltkriegs gelitten haben oder noch leiden, durch Deportation, Vertreibung oder systematische Unterdrückung unter dem Vorwand einer Kollektivschuld, was letztlich zur Dezimierung jener führte, die hierzulande noch ihre Kultur pflegen und an kommende Generationen weitergeben können.  „Ich möchte nicht tatenlos zusehen, wie all die wunderbaren, über Jahrhunderte gewachsenen Gemeinschaften der deutschen Minderheit zu einer Fußnote der Geschichtsbücher verkommen“, betont Fabritius. „ Ich möchte nicht erleben, wie Rumänien sich der einzigartigen Kultur und Lebensweise der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben beraubt. Auch Rumänien muss eine aktive Rolle zum Schutz dieses Erbes einnehmen“, fordert er auf. Und lobt: Die Organisatoren der Haferlandwoche setzten sich in vorbildlicher Weise für den Erhalt dessen ein, was an siebenbürgisch-sächsischem Leben und Gemeinwesen noch vorhanden sei.

Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Einbeziehung der Mehrheitsgesellschaft, weil dies zu einer größeren Akzeptanz der deutschen Minderheit führe. „Dringend nötig“, bezog sich der Bundesbeauftragte auf die wiederholten Angriffe hoher rumänischer Regierungsvertreter auf die deutsche Minderheit. „Proteste blieben zu lange wirkungslos, es waren Gerichtsverfahren nötig, um einen essentiellen Minderheitenschutz wieder herzustellen.“ Der beste Weg, eine stärkere Bindung zwischen Mehrheit und Minderheit zu bewirken, sei, offen aufeinander zuzugehen. „Gerade Feste wie dieses sind bestens geeignet, um Brücken zu bauen, Aufmerksamkeit zu schaffen und Gräben zu schließen, die einige -  zum Glück wenige - verantwortungslose Politiker in der eigenen Gesellschaft leichtfertig produzieren.“ Ausdrücklich bedankte er sich beim rumänischen Botschafter in Berlin, Emil Hurezeanu, der stets und prompt zu solchen Entgleisungen Position bezogen habe. Minister George Ciamba, seinem Co-Vorsitzenden in der Deutsch-Rumänischen Regierungskommission für die Angelegenheiten der deutschen Minderheit, der sich stets schützend vor diese gestellt habe, richtete er explizit den Dank der deutschen Regierung aus. 

Auch bei der Förderpolitik für die deutsche Minderheit lege die Bundesregierung großen Wert auf Ethnokompetenz von Kindern und Jugendlichen, ließ der Beauftragte ferner wissen. Diese sollen  motiviert werden, sich mit Fragen der eigenen Identität auseinanderzusetzen, um ein Zugehörigkeitsgefühl zur eigenen Volksgruppe sowie zur Mehrheit zu entwickeln. 
Um länder- und völkerübergreifende Aktivitäten und Zugehörigkeiten ging es auch in der Rede von Hurezeanu: Auf humorvolle Weise präsentierte er Organisatoren und Ehrengäste unter diesem Aspekt, um dann pittoresk zu folgern: „Hier haben wir einen österreichischen Strudel, eine ungarische Dobostorte, ein französisches Mille Feuilles und eine Hermannstädter Cremeschnitte - so viele überlagerte Identitäten.“ 
Warum dies wichtig ist? Der britische Botschafter Andrew Noble scheint eine Antwort da-rauf zu haben: „Ich war in den 80er Jahren zum ersten Mal hier – aber damals durftet ihr nicht mit mir sprechen - und wenn ich in eure Kirche gekommen wäre, wäre ich für euch ein Problem gewesen.“ Mit Bezugnahme auf seinen Besuch am Vortag in Keisd, wo auch Briten in Vereinen tätig sind – z.B. in der die Haferlandwoche mitorganisierenden Stiftung Adept - fügt er an, heute hingegen fühlten sich diese in Siebenbürgen zuhause.

Der rumänische Kulturminister Valer-Daniel Breaz, der zwei Tage zuvor mit dem amerikanischen Botschafter Hans Klemm die zur weiteren Restauration anstehende Kirchenburg von Almen/Alma Vii besucht hatte – das Projekt betreut der Mihai Eminescu Trust (MET), ebenfalls Mitveranstalter der Haferlandwoche – ließ wissen, 40 ähnliche Restaurationsprojekte stünden an. Ohne die deutsche Minderheit gäbe es diese sicher nicht, betonte er. 
Grußworte sprachen weiters der rumänische Botschafter in Großbritannien, Dan Mihalache, der deutsche Konsul in Hermannstadt, Hans Erich Tischler, der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Dr. Paul-Jürgen Porr und Veronica Schmidt als Verantwortliche für das Kulturprogramm in Deutsch-Kreuz. Die Moderation hatte Christel Ungar-Topescu inne.  Wie bisher stellte der Tag von Deutsch-Kreuz mit den Ansprachen den Höhepunkt der Veranstaltung dar. Dies könnte sich im nächsten Jahr ändern, kündigte Michael Schmidt überraschend an. Auch die übrigen Teilnehmer identifizierten sich zunehmend mit der Haferlandwoche; vielleicht übernehmen bald stärkere Gemeinden wie Reps, Keisd oder Deutsch-Weißkirch diesen Part.

Von der Trüffel zum Opernbrunch

Die Haferlandwoche läutete eine „Ausstellung der Sinne“ vor der Kirchenburg in Arkeden ein: Heimische Köstlichkeiten – darunter sogar Trüffeln – zubereitet vom Verein „Descopera Archita“. In Deutsch-Weißkirch öffnete die dort ansässige Malerin Imola Popescu-Feldberg Haus und Hof mit ihren ausdrucksstarken Bildern. Die Filmvorführung „Zuwanderung nach Siebenbürgen, Erfolgsgeschichten“ von Florin Besoiu verdeutlichte, dass Siebenbürgen so manche berufliche Nische bieten kann. Unter den Erfolgsmodellen: die Forellenzucht Albota, die Ziegelbrennerei in Abtsdorf/Apoș, der Bio-Imker Willi Tartler in Hahnbach/Hamba, der in Reichesdorf/Richiș hängengebliebene Wan-dergeselle Christian Rummel und viele mehr. In Keisd löste die von der Frauennachbarschaft  organisierte Konferenz zum Thema Gemeinschaft mit dem ehemaligen Kulturminister Theodor Paleologu interessierte Diskussionen aus. Dass die Keisder Frauen nicht nur, aber auch hervorragend kochen können, bewiesen im Anschluss die Rhabarbersuppe, der Eintopf und die fruchtige Kuchenplatte. 

In Deutsch-Kreuz erzählten bemalte sächsische Truhen in der Ausstellung des ASTRA-Museums von deren Rolle für Nachbarschaften, Zünfte oder als Mitgift; Dorfidylle rund um die Kirchenburg zeigten die naiven Malereien von Hans Schuster. Auch als Ohrenschmaus hält die Haferlandwoche stets ein buntes Potpourri bereit –  Orgelkonzert in der Kirchenburg Hamruden, der Kinderchor „Cantus Mundi“ in Deutsch-Kreuz, Radeln, Meschendorf oder Icon Arts mit Jazz in Deutsch-Weißkirch, einem PlaCello-Konzert in Deutsch-Kreuz und dem Opernbrunch in Klosdorf sind nur einige Beispiele. 
„Über sieben Brücken musst du gehn“, sang einst Peter Maffay. Siebenbürgen, sieben Jahre, sieben Brücken - über die sei die Haferlandwoche längst hinaus, bemerkt Hurezeanu. Die Haferlandwoche ist zu einem Fest der Nachhaltigkeit geworden. Und wenn es in mancher Ehe nach sieben Jahren auch mal langweilig werden kann - auf das Haferland trifft dies bestimmt nicht zu!