„Unsere Prognose war pessimistischer, als es dann tatsächlich kam“

Die Banater Wirtschaftsstiftung Banatia unterstützt Klienten auch in schwerer Zeit

Norbert-Christian Hansmann lenkt seit Januar 2013 als Geschäftsführer die Geschicke der Banatia-Wirtschaftsstiftung in Temeswar und betreut Projekte in den Kreisen Temesch, Arad und Karasch-Severin. Foto: Astrid Weisz

Das Unternehmen DI&SI Panif aus Periamosch beispielsweise wird seit über 20 Jahren durch den Banatia-Verein unterstützt, betreibt eine Fabrik für Brot- und Backwaren, hat eine eigene Mühle und liefert die Produkte mit dem eigenen Fuhrpark in die Kreise Temesch und Arad. Foto: Zoltan Pázmány

Was des einen Freud ist des anderen Leid – so kann die Coronavirus-Pandemie für manche Wirtschaftsbereiche sprichwörtlich zusammengefasst werden. Manche der rund 100 Empfänger von finanzieller Unterstützung durch den forumsnahen Banater Wirtschaftsverein für Internationale Kooperation „BVIK Banatia“ haben es in den letzten zwölf Monaten nicht leicht gehabt, ihre Raten fristgerecht abzuzahlen, andere Unternehmen konnten aber von manchen Umstellungen profitieren. Der Betrieb des Wirtschaftsvereins ist den Umständen entsprechend auch digitaler geworden: Ratenzahlungen finden nun ausschließlich über Banküberweisung statt, der Leitungsrat tagt online, vieles wird telefonisch oder per E-Mail erledigt, Ortstermine finden fast ausschließlich bei Neukunden statt. Über die Herausforderungen der Zeit sprach ADZ-Redakteurin Astrid Weisz mit dem Geschäftsführer der Banatia-Stiftung, Norbert Hansmann.

Norbert Hansmann, wie hat sich die Gesundheits- und damit eingehende Wirtschaftskrise auf die Mitglieder der BVIK Banatia ausgewirkt?

Es gab Bereiche, die stärker und solche, die weniger betroffen waren – und natürlich auch welche, die überhaupt nicht betroffen waren, z.B. die Landwirtschaft. Diese Betriebe sind wetterabhängig, aber ihr Ertrag wird nicht von der Pandemie bedingt. Unsere Kunden, die wirklich Schwierigkeiten gehabt haben, sind etwa Zahnärzte, Zahntechniker oder Gastronomie-Betriebe. Letztere waren teilweise komplett gesperrt, und sind weiterhin eingeschränkt: Mal sind die Restaurants offen, aber zu kleinerer Kapazität, mal sind nur die Terrassen offen, mal wieder nicht, dann sind sie offen, aber das Wetter schlecht... Zahnärzte dürfen seit Mai oder Juni letzten Jahres wieder arbeiten und haben natürlich die Schulden abgetragen.

Wir hatten große Befürchtungen im Frühling letzten Jahres, als es zu einem totalen Lockdown in Rumänien kam. Aber unsere Prognose war pessimistischer, als es dann tatsächlich kam. Die meisten unserer Kunden waren nicht direkt betroffen und die meisten, die betroffen waren, haben es bis Jahresende geschafft, die Schulden abzuzahlen. Sonst haben wir versucht, den Leuten entgegenzukommen, denn es ist ja kein schlechter Wille, keine schlechte Planung oder so verantwortlich, sondern die Probleme sind durch die Coronavirus-Pandemie bedingt. Teils wurde die Geschäftsaktivität gesetzlich verboten. Da muss man Verständnis zeigen, und wir stehen mit unseren Kunden in einem engen Zusammenarbeitsverhältnis, sodass wir auch zusammen die Lösungen gefunden haben.

Was haben Sie Ihren säumigen Kunden angeboten, bzw. wie sind Sie Ihnen entgegengekommen?

Zunächst dachten wir an eine Neustaffelung der Schulden. Das war aber schwierig zu planen, denn man wusste ja nicht, wie lange das Ganze dauert. Und andererseits wusste man nicht, in welchen Branchen gesetzlich eingegriffen wird.

Wir haben den Kunden angeboten, ihre Zahlungen eine Zeit lang auszusetzen, bis sie wieder die nötigen Einkünfte haben würden. Bis Jahresende sollten sie aber dann doch die Schuld abbezahlen. Und das haben von den wenigen Fällen, die betroffen waren, die meisten auch geschafft. Jene, die es noch nicht geschafft haben, kann ich an den Fingern einer Hand abzählen. In Absprache mit ihnen kommt es noch nicht zu einer Neustaffelung, zumal wir wieder in einer Zeit sind, wo wir abwarten, was passiert. Unsere Rolle war, seitdem wir gegründet wurden, der Wirtschaft und den Leuten auszuhelfen, sich ein Leben zu schaffen; ein Leben zu schaffen im Sinne, dass man sich durch geschäftliche Entwicklung eine Alternative zum Auswandern aufbaut.

Wie viele Kunden hat die Banatia-Stiftung jetzt, und wie viele waren direkt oder indirekt von der Pandemie und den Maßnahmen betroffen?

Zurzeit haben wir circa 100 aktive, laufende Projekte. Davon hatten 18 Kunden seit Frühjahr letzten Jahres Schwierigkeiten. Von diesen 18 haben 15 die Schulden komplett zurückbezahlt. Die meisten von ihnen waren Zahnärzte oder Zahntechniker, die drei Monate gesperrt waren, aber im Nachhinein arbeiten durften, und da die Preise in dieser Branche hoch genug sind, haben sie es relativ schnell geschafft die Schulden zu begleichen. Gastronomiebetriebe oder ein After-School-Programm sind dagegen weiterhin stark betroffen.

Wenn Sie neue Projekte finanzieren, werden dafür auch teilweise Mittel des Bundesministeriums des Inneren benutzt, aber auch der Revolvingfonds, die Rückflussgelder. Ist der Fördertopf durch säumige Zahlungen oder weniger Neuprojekte kleiner geworden?

Wir können es uns weiterhin leisten, neue Projekte zu unterstützen, sofern die Kunden es riskieren, in diesen unsicheren Zeiten zu investieren. Ich will es mal ein bisschen anders formulieren: Wir hatten in den letzten Jahren im Durchschnitt etwa 21 Projekte jährlich. Finanziert werden sie aus dem genannten Revolvingfonds, dem Geld, das zurückbezahlt wird. Das wird in andere Projekte investiert, aber auch aus Frischmitteln.

Im letzten Jahr hat es ein bisschen schlechter ausgesehen: Da gab es nur 15 Projekte. Für viele war das Risiko zu investieren wohl zu groß, manche haben teilweise nicht gewusst, wie sie die Löhne tragen können. Immerhin waren es mehr Projektanträge als unter den gegebenen Umständen erwartet.

Wie sieht es in diesen Zeiten mit der Förderung vom Deutschen Bundesministerium des Innern aus?

Wir bekamen das Geld 2020 und auch für dieses Jahr sind Gelder vorhanden: Wir haben es trotz Corona letztes Jahr geschafft, Bundesmittel durch verschiedene Projekte abzurufen. Es werden gerade die letzten bürokratischen Hürden für dieses Jahr geklärt. Die vorgesehene Summe liegt wieder einmal unter dem gewohnten Durchschnitt.

Aber, Gott sei Dank, gibt es weiterhin Mittel, die für die deutsche Minderheit zur Verfügung gestellt werden. Diese werden nämlich nicht nur für die Wirtschaftsförderung, sondern allgemein für Forumsaktivitäten, für die Altenheime und Soziales ausgegeben, zusätzlich zur Finanzierung durch den rumänischen Staat.

Wagen es die Banater Unternehmen inzwischen, Finanzierungen bei der Banatia-Stiftung zu beantragen?

In diesem Jahr hat es etwas besser angefangen, dann gab eine Ruhezeit, und jetzt bin ich wieder mit mehreren Kunden im Gespräch. Was sich aber von den derzeitigen sechs Projekten konkretisieren wird, steht noch nicht fest. Die Branchen sind vielfältig, manche könnten bei restriktiven Maßnahmen Probleme bekommen, andere aber nicht.

Gab es in dieser Zeit auch Projekte, die Sie unterstützen, die von den Umstellungen in den letzten zwölf Monaten profitiert haben?

Ja, wir haben auch Kunden, die in Branchen aktiv sind, die in diesen schweren Zeiten aufgeblüht sind. So gibt es einen Kunden, der eine industrielle Sterilisierungs-Anlage für medizinische Abfälle hat. Er zerkleinert und sterilisiert sie und macht diese gefährlichen Materialien damit zu normalem Hausmüll. Ein weiterer Klient der Banatia betreibt eine industrielle Wäscherei, die Bezüge und Kleidung der Ärzte reinigt und desinfiziert. Angesichts der Situation in den Krankenhäusern ist diese Branche aufgeblüht. Ich meine, dass in dieser Zeit auch besonders Entwickler von Dienstleistungen im IT-Bereich eine Chance gehabt haben, sich neu aufzustellen. Auch wenn Landwirtschaft einer der Hauptbereiche ist, die wir fördern, denn ein gutes Drittel unserer Projekte kommt aus diesem Umfeld, so sind wir jeder Branche und jeder Geschäftsidee gegenüber offen.

Inwiefern haben Sie das Tagesgeschäft des BVIK Banatia umstellen müssen?

Wir arbeiten seit letztem Frühjahr von Zuhause aus – mit einigen Monaten Ausnahme im Herbst, als die Situation ein bisschen besser ausgesehen hat. Wir machen Homeoffice so viel es geht und kommen nur ins Büro für Sachen, die man nicht vom Computer aus erledigen kann. Mit Kunden, mit denen wir schon eine langjährige, gute Beziehung haben, habe ich versucht, alles telefonisch oder per E-Mail bezüglich Investitionen oder Problemen zu klären. Bei neuen oder neueren Kunden habe ich es dann doch gewagt, zum Kunden zu fahren oder sie zu einem Gespräch ins Büro einzuladen.

Auch die Sitzungen mit unserem Leitungsrat haben wir monatlich so gut es ging online abgehalten. Was wir an Einnahmen durch wegfallende Zinszahlungen verloren haben, haben wir größtenteils durch Homeoffice kompensieren können. Ich habe so wenig Ortstermine wie möglich wahrgenommen. Da wir in drei Kreisen aktiv sind, sind die Reisekosten entsprechend stark gesunken. Auch die Nebenkosten des Büros gingen zurück, dadurch dass es so wenig genutzt wurde und im Winter zum Beispiel  nicht geheizt werden musste.

Das Positive dieser Erfahrung war, dass man nach neuen Lösungen hat suchen müssen, um auch im Homeoffice die gute Beziehung zu Kunden fortführen zu können. Natürlich hat der menschliche Aspekt gelitten. Andere Abläufe wurden jetzt aber optimiert, wie etwa das Zahlen der Raten per Banküberweisung. Vor Corona haben es besonders Kunden mit kleinen Raten bevorzugt ins Büro zu kommen und die Schuld bar zu bezahlen, was für uns zusätzliche Verwaltungsarbeit bedeutete.

Wir hatten auch die Chance, neue Plattformen und Kommunikationswege zu entdecken. Je nach Inzidenz und allgemeiner Sachlage sollte unser Büro aber bald wieder täglich besetzt sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Das Banatia-Jahr 2020 in Zahlen: Es wurden drei Projekte aus BMI-Mitteln in Höhe von 85.000 Euro gefördert, dreizehn aus Rückflussmitteln in Höhe von knapp 429.000 Euro. Zu den geförderten Unternehmen zählten unter anderem Zahntechniker, landwirtschaftliche Betriebe, ein Fotostudio, ein Kinderhort, ein Weinbaubetrieb und ein gastronomischer Betrieb, der noch vor Ausbruch der Corona-Epidemie seine Gasstätte ausbauen ließ.
Mit rund 19.000 Euro wurden sogenannte ethnokulturelle Maßnahmen des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat gefördert, besonders Reparaturen und Instandsetzungsarbeiten bei den Forumssitzen oder den Fahrzeugen.