Von Pferden und Hunden

Hierzulande, wo die Rechte links und die Linke rechts ist und wo Rechtslinks mit Linksrechts auswechselbar ist, wo die Kleptokratie immer noch beim Erlass von Gesetzen mitredet und Wahlen nicht von Verstand, sondern von Interessen entschieden werden, ist es schwierig zu sagen, welches im Vorjahr die für 2020 richtungsbestimmenden Ereignisse waren.

Die Gefängnisstrafe für den PSD-Übervater Liviu Dragnea und damit seine gewaltsame Herauszerrung aus den politischen Spielchen, die er sich zu treiben erlaubte und dabei Rumänien buchstäblich an den Rand des Abgrunds trieb, sowie der Sturz der PSD-Regierung – beides viel zu spät, um noch entscheidend etwas zu retten – müssen als wichtigste politische Ereignisse von 2019 gewertet werden. Denn wenn man die Langzeitfolgen davon betrachtet, den frischen (nicht: neuen) Wind, den die zwei faktischen Siege der PNL-geführten parlamentarischen Opposition nach sich zog (Sturz der PSD-Regierung und Erdrutsch-Wahlsieg des PNL-Spitzenkandidaten Klaus Johannis), so sind die vorgenannten Ereignisse bisher bestimmend für 2020 gewesen. Es steht schon jetzt außer Zweifel: Alles, was in diesem Jahr folgt, ist 2019 vorbestimmt worden. Sogar vorgezogene Wahlen, die – je früher, umso eher – klare(re) Verhältnisse schaffen sollten. Man kann nur hoffen, dass die Kommunal- und Parlamentswahlen der (noch!) im Aufwind befindlichen parlamentarischen Opposition einerseits zu mehr Einheit, andrerseits zu Mehrheiten verhelfen, um ihre im Grund vernünftigen Ziele umzusetzen. Auch zum Preis des Popularitätsverlustes, der unweigerlich kommt, wenn die PNL und die Parteien in ihrem Geiste (wollte sagen: „in ihrem Schlepptau“, klingt aber schlecht…) sich einer vernunftgetragenen Finanz- und Sozialpolitik zuwenden. Denn der Staat hat wieder mal viel weniger Geld, als die Bürger (an Rentenerhöhungen, Kindergeld und Lohnsteigerungen) von ihm haben wollen. 

Die sich konturierenden „neuen“ Führungseliten müssen Geschick zeigen, um die anstehenden Reformen (oder Zurücknahmen von „Reformen“) in der Justiz, der Verwaltung (wär es nicht an der Zeit, über die Verwirklichung von Entwicklungs-Regionen endlich ernsthaft zu sprechen? – Iliescu, dem das ein rotes Tuch war, ist man ja in der Politik los…), im Erziehungs- und Gesundheitswesen anzugehen. Kurzfristig muss mehr Geld in den Staatshaushalt geleitet werden. Die verfügbaren EU-Mittel müssen ganz oder umfassend(er) ausgeschöpft werden. Langfristig muss die Gesellschaft durch Reformen gesundet werden.

Ob das aber gelingt, indem schäbige Parteisoldaten oder Nichts-Nutzige der PSD mit genauso schäbigen Parteigenossen oder Nichts-Nutzen und Nullkönnern der PNL ersetzt werden, wie da eine schleichende Aktion bereits im Gang zu sein scheint? Dass Nutznießer einer Parteizugehörigkeit mit Nutznießern einer anderen Parteizugehörigkeit ersetzt werden? Wenn das der „Reformweg“ der Neuen ist, die demnächst auch noch unsere Stimme haben möchten – danke schön, so nicht! 
Außer der Personalfrage als politische „Schuldfrage“ bleibt eine Forderung auf dem Weg zu einer gesünderen Ausübung der Innenpolitik die Änderung der Mentalität der Politiker. Sie müssen endlich zur Einsicht gebracht werden, dass politische Gegnerschaft nie Feindschaft bedeutet. Gegnerschaft lässt das Tor zum Kompromiss offen, Feindschaft verbarrikadiert jedes Einvernehmen. Das gilt für politische Blöcke und innerhalb derselben. Will sagen: Dass die parlamentarische Opposition so schwer versöhnlich gespalten ist, zeigt deren Mangel an persönlicher und politischer Qualität. Dasselbe gilt fürs „linke Spektrum“ – doch die Eröffnung dieses Beitrags mit rechts-links ist bedingungslos gültig.

Die einfachste Reaktion eines Wahlbürgers Rumäniens ist meist die Aussage von Eminescu von der Vergänglichkeit von Wellen („ce e val, …), oder das kernige rumänische Sprichwort: „Pferde sterben nicht, wenn die Hunde das wollen.“