Was uns anzieht

Seminar über Trachten der Deutschen aus dem östlichen Europa

Vielfalt auf einem Blick – Prospekte und Infomaterial.

Einige Trachten der Siebenbürger Sachsen stellten Dr. Irmgard Sedler und Dagmar Seck M.A. vor. Fotos: Annette Hempfling und Lilia Antipow

Trachtenpaare aus Nürnberg und Würzburg vertraten die Banater Schwaben. Elwine und Jasmin Muth (im Bild) präsentierten die handbemalten oder bestickten Tücher.

Das Bildungszentrum Kloster Banz der Hanns-Seidel-Stiftung e. V. beherbergte vom 11. bis 13. April 2023 im oberfränkischen Bad Staffelstein ein Seminar, das Trachten zu betrachten vorschlug, letztendlich aber auch als Podium für Debatten diente. Es kamen knapp 80 Teilnehmer aus dem süddeutschen Raum und Tschechien zusammen, um sich über das Phänomen „Tracht“ auszutauschen. Seitens des Hauptveranstalters, dem Haus des Deutschen Ostens in München, unterstrich Dr. Lilia Antipow, dass es um die Tracht ginge, „die nicht nur ‚Stoff um den Körper‘, sondern auch ‚ein Stück Bedeutung‘ ist“, wie der Schweizer Kulturanthropologe Konrad J. Kuhn einst meinte. „Wer etwas anzieht, zeigt, was ihn anzieht.“ 

An den drei Tagen setzte man sich mit Trachten der Deutschen aus dem östlichen Europa auseinander: aus Böhmen und Mähren, Schlesien und Pommern, Siebenbürgen, dem Banat, der Batschka und der Gottschee. Neben ihrer Entwicklung vor 1945 nahm man insbesondere die Nachkriegszeit in der Bundesrepublik, sprich die Jahrzehnte nach Flucht und Vertreibung, in den Blick. „Vier Dimensionen der Tracht standen dabei zur Diskussion: In den einzelnen Beiträgen wurde sie als ein ästhetisches, ein soziales, ein praktisches und ein politisches Phänomen behandelt“, berichtet Dr. Antipow. 

Unter den Teilnehmern dieses Seminars befanden sich Akteure verschiedener Sparten des Kulturfeldes „Tracht“: Etwa Vertreterinnen und Vertreter  der Trachten-Vereine, aber auch Experten und Expertinnen aus der wissenschaftlichen Forschung. 

Neben den Kooperationspartnern der Veranstaltung – also der Hanns-Seidel-Stiftung, dem Haus des deutschen Ostens (HDO), der Heimatpflegerin der Sudetendeutschen, dem Kulturwerk der Banater Schwaben, dem Kulturzentrum „Haus der Donauschwaben“ in München-Haar, dem Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, dem Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen, der Kulturreferentin für Pommern und Ostbrandenburg und der Stiftung Kulturwerk Schlesien – waren auch Trachtenpflegerinnen aus zwei fränkischen Bezirken, sowie der Leiter des Zentrums für Trachtengewand des Bezirks Oberbayern, Alexander Wandiger, mit eigenen Beiträgen zum Thema beim Seminar vertreten. 
Das Seminarthema „Trachten der Deutschen aus dem östlichen Europa“ wurde sehr kontrovers diskutiert, wobei insbesondere die politischen Funktionen der Tracht in der Gegenwart für teils heftige Auseinandersetzungen sorgten. 

Nach einem Impulsvortrag gab es bereits die erste Podiumsdiskussion zu den Projekten „Heimat im Gepäck. Vertriebene und ihre Trachten“ und „Wer bin Ich? Wer sind Wir? Zu Identitäten der Deutschen aus dem östlichen Europa“ mit Katrin Weber, Walther Appelt und Annette Hempfling, moderiert von Patricia Erkenberg. Augenscheinlich wurden dabei auch die Defizite so mancher Theoriekonzepte der aktuellen Trachtenforschung, für die eine Reflexion über die Trachtenkulturen der Deutschen aus dem östlichen Europa dringend notwendig zu sein scheint. Umgekehrt boten volkskundliche Beiträge im Rahmen des Seminars Anregungen für die Trachtenpraxis und wiesen nicht zuletzt in Richtung eines problembewussten und kritischen Umgangs mit der Geschichte der verschiedenen Trachtenkulturen im östlichen Europa. 

Aus der Reihe tanzte da fast die doch passend zum Thema gewählte Lesung der Temeswarer Autorin Katharina S. Eismann (Hanau-Steinheim) unter dem Titel „Trachtenspektakel“, die aus ihrem Lyrikband „Dschangakinder“ (2022) vorlas. 

Noch am ersten Veranstaltungsabend gab es den Festvortrag von Dr. Elsbeth Wallnöfer (Wien): „Die identitätspolitische Relevanz von Kleidung für Minderheiten“.

Die Trachten selber wurden in Paneelen präsentiert: Böhmen, Mähren und Schlesien kamen am ersten Tag dran, während am Mittwoch die Donauschwaben im Fokus standen, mit Trachten aus Ungarn und dem Banat, gefolgt von den Siebenbürger Sachsen, den Gotscheern und zum Schluss den Pommern. 

Dr. Irmgard Sedler aus Kornwestheim hielt den Vortrag „Vom ‚sächsischen Nationalcostüm‘ zum bäuerlichen Kirchengewand im 19. Jahrhundert und zur ‚sächsischen Bekenntnistracht‘ der Gegenwart: Kostüm- und ideengeschichtliche Aspekte“, während die Banater Tracht von Landsleuten in Kirchweihtrachten aus der Banater Heide und Hecke und anhand des Vortrags und Präsentation von Elwine Muth und Jasmin Muth, „Banater Trachten in Vergangenheit und Gegenwart“, zur Geltung kam. 

Mit dem Vortrag von Anke Niklas (Pfullingen), „‚Wandelnde Glocken‘: geschichtliche, gesellschaftliche und textile Aspekte der donauschwäbischen Frauentracht“, wurden auch Hinweise zur Banater Tracht gegeben.

Der Auftritt des Tanz- und Folkloreensembles Ihna, Erlangen e.V. stellte mit der Jamunder Tracht, der Pyritzer Weizacker Tracht, der Tracht der Kaschuben um Danzig und der Mönchguter Fischer-Tracht, präsentiert von Silvia Jäger und Christoph Stabe, Landesvorsitzende der Landesgruppe Bayern der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen, einen besonderen folkloristischen Höhepunkt dar, während der Vortrag „Trachten im Nationalsozialismus. Beispiele aus Franken“ von Dr. Birgit Jauernig (Frensdorf) das Seminar durch einen kritischen Aspekt abrundete.