Wiederentdeckungen kommunistischer Brands

Warum manche Marken die Wende überlebt haben

Pegas, das Fahrrad der Kindheit im neuen Glanz | Foto: Atelierele Pegas

Die kleinen Eugenia-Kekse mit Kacaocreme eignen sich für unterwegs. | Foto: Dobrogea Grup

Trotz riesiger Konkurrenz konnte die Doina-Reinigungsmilch bis heute mithalten. | Foto: farmec.ro

Qualität und Exzellenz – Guban-Schuhe | Foto: guban.ro

In der Ceaușescu-Ära produzierte Rumänien massiv. Von Nahrungsmitteln über Kleidung, Bürobedarf, Zigaretten bis hin zu Kosmetik, Medikamenten, Haushaltsgeräten oder Fahrzeugen. Die Relaxa-Matratze, die Drăgășani-Tennisschuhe, das Mobra-Motorrad, das Oltcit-Auto, der Tractorul-Traktor, die Mărășești-Zigaretten, die Ileana-Nähmaschine sind nur einige von Hunderten rumänischen Brands. Nach der Wende starben dann die meisten Marken aus. Einige schafften es allerdings, sich zu behaupten, darunter der Eugenia-Doppelkeks, die Sibiu-Salami, die Napolact-Milchprodukte, das Pegas-Fahrrad, die Guban-Schuhe, das Dacia-Auto oder die Kosmetik-Produkte Farmec. Sie haben das Spezifikum des Originals behalten, dies aber der aktuellen Nachfrage angepasst. Neues Design, ein abwechslungsreiches Angebot und professionelles Werben brachten diese bei  Rumänen nostalgiebeladenen Produkte in ein neues Zeitalter. 

Die meisten Unternehmen, bis einschließlich 1989 in staatlichem Besitz, hatten es schwer, ab 1990 mit dem Markt mitzuhalten. Die Vielfalt an Materialien, Farben, Gerüchen, Tönen aus dem Ausland verdrehten den Rumänen die Köpfe, es gab so viel und so vieles von allem, dass man erst alles Neue ausprobieren wollte. Nur nicht die jahrzehntelang bekannten, altmodischen eigenen Produkte. Dann ließ die Nostalgie, der Stolz, eine beliebte rumänische Marke weiterzuführen oder auch das absichtliche Anknüpfen an Kindheitserinnerungen im Unterbewusstsein der Menschen  einige traditionelle Brand in neuem Glanz auferstehen. 

Eugenia, der Doppelkeks mit Schokofüllung

So auch Eugenia, der knusprige Sandwich-Keks mit Kakaofüllung und Rumaroma. Snack, Dessert oder einfach für zwischendurch – für Kinder, Studenten, Erwachsene. Vor 1989 war er extrem beliebt, seit 2005 ist er es wieder. Dass das 1947 in einer kleinen Fabrik in Konstanza erschienene Biskuit längst wieder landesweit in den Regalen der Kioske in Wohnvierteln, gleichwohl wie in Supermärkten in Großstädten, aber auch in Läden in Europa, Amerika oder Australien zu finden ist, ist dem neuen Design, dem vielfältigen, dem Kapitalismus angepassten Angebot und dem Marketing zu verdanken. Die Marke der Dobrogea Grup, die in den 1990er Jahren einen Rückgang erlebte, wurde vor 17 Jahren aus der Krise geführt. Vom Original mit Kakaocreme sind das Rezept, die Form und der Name geblieben. Der Keks ist mittlerweile auch mit Vanille-, Zitronen- oder Schokoladencreme zu haben, als Eugenia Dark mit dunklen Kakao-Keksen und weißer Milchcreme, sowie als „Eugenia Junior” mit Milch und Honig. 

Eugenia bedeutet insbesondere Geschmack. Der Geschmack der Kindheit. Die Nostalgie, den Kindheitskeks auch im Erwachsenenalter genießen zu können, ist viel wert. Um den Verkauf zu ermutigen, wurde die Familienpackung „Eugenia Family” entwickelt, mit sieben bzw. zehn Päckchen, oder der Riesenpack mit 24 Stück, der bei Feiern verputzt werden soll. Kinder lieben ihn, ebenso Erwachsene. 

Zudem bietet der Keks Vorteile wie: Er passt in jede Hosentasche und kann überallhin mitgenommen werden, er kann direkt aus der Verpackung verzehrt werden, beansprucht also kein Händewaschen.

Mehr als fünf Millionen Kekse werden jährlich für Rumänien und den Export produziert.

Pegas, das Retro-Fahrrad als Hit

Pegas (zu Deutsch Pegasus), der fliegende Schimmel der griechischen Mythologie. Oder die rumänische Fahrradmarke. Pegas wurde zwischen 1972 und 2001 in Tohani im Kreis Kronstadt/Brașov hergestellt und war besonders bei Kindern beliebt. Millionen Kinder haben auf einem Pegas Fahradfahren gelernt, es war das einzige und somit beste Angebot. Wer es sich nicht leisten konnte – es kostete fast so viel wie ein Mindestlohn - musste Nachbarskindern etwas geben, um eine Runde fahren zu dürfen.

Die Transition war schwer für die Firma, die Produktion wurde eingestellt, das Fahrrad war Geschichte. Bis 2012: Dann übernahmen vier junge Unternehmer die Marke, ließen den Namen beim Markenamt (OSIM) schützen und stellten wieder Räder her. Anfangs produzierten sie die Klassiker: Kent, Strada und Practic. Zehn Jahre später stehen 24 Modelle im Angebot, unter anderen das erste rumänische Fatbike (ein Offroad-Rad mit extrem dicken Reifen), elektrische Fahrräder, coole Lasten- oder Falträder. Die Modelle sind für die Stadt, wie auch für Trekking oder Touring entworfen, Mountainbikes sind auch erhältlich. 

Die neuen Pegas-Modelle sind stilisiert und schick gefärbt im Vergleich zu den Originalen, der lange Sattel und der Hochlenker, die vom amerikanischen Chopper-Motorrad inspiriert sind, bleiben aber weiterhin das Markenzeichen dieses rumänischen Brands. Eben diese Details ziehen Nostalgiker an, das Rad ihrer Kindheit zu kaufen. Auch die junge Generation, die mit chinesischen Fahrrädern aufgewachsen ist, kommt auf den Geschmack der modernen rumänischen Produkte, mit denen man auffallen möchte.

Die vier Unternehmer haben mittlerweile 27 Angestellte und konnten im letzten Jahr in 25 Städten in Geschäften und online 16.000 Pegas verkaufen, fast so viele wie in der Blütezeit des Vehikels in den 1970er Jahren, als die Produktion bei 17.000 Stück lag.

Wie damals, sind auch heute die Preise für ein Pegas gepfeffert. Klassische Modelle kosten ab 1200 Lei. Die Eigentümer der Marke versichern jedoch, dass das Objekt bei guter Pflege ein Leben lang hält, genau wie bei den Modellen der kommunistischen Epoche.

Beständige Schönheit – Farmec 

Die „Gerovital H3 Evolution Anti-Falten Intensive Feuchtigkeitscreme“ ist das bekannteste Produkt des vor mehr als 60 Jahren in Klausenburg/Cluj-Napoca entstandenen Unternehmens Farmec. Die Gerovital-Cremes für Gesichtspflege oder die „Aslavital – Mineralaktive Collagen Ampullen mit Ton“ fehlen auch heute nicht in rumänischen Reformhäusern und Geschäften. In über 30 Ländern schätzen Frauen und Männer die Gesichtspflegeprodukte, die in leistungsfähigen Labors nach speziellen Rezepten hergestellt werden.

Bis 1990 kannte der staatliche Betrieb Farmec keinerlei Konkurrenz, er war der einzige Hersteller für kosmetische Cremes, Deo-Sprays, Rasiercreme, Aftershave und Haushaltsreinigungsmittel. Nivea in Kronstadt/Brașov (Produkte für die Mundhygiene) und Miraj in Bukarest (Parfüms, Toilettenwasser, Haarfärbemittel) stellten die restliche Kosmetik für den Bedarf rumänischer Bürger dar. Um die angestrebte Produktion zu erfüllen, mussten die über 1000 Angestellten in drei Schichten arbeiten, ein Teil der Ware ging von Westeuropa über Amerika bis nach Japan. Die glorreichste Zeit war zwischen 1965 und 1987, als hohe Investitionen in die chemische Industrie vermerkt wurden und man in den Labors viel entwickelte. Innovative Formeln mit Bienenmilch wurden rasch zum Bestseller. Doch wirkte sich das Verbot von Rohstoff-Importen in den 1980er Jahren auf die Qualität der beliebten Marken aus. Ausländische Rohstoffe durften nur noch für die Exportware angewendet werden.

Die heftige Konkurrenz, die die Demokratisierung mit sich brachte, verschlechterte die Situation des Unternehmens noch mehr. Denn keiner wollte mehr einheimische Produkte, ausländische Hautpflegemittel wurden vorgezogen. 

Farmec hat den Kampf ums Überleben nicht aufgegeben,  hat sich neu erfunden und sich als größter Kosmetikhersteller mit 100 Prozent rumänischem Kapital durchgesetzt. Farmecs Gerovital wurde vom britischen Marktforschungsunternehmen The Nielson Company für seine Antiaging-Cremes preisgekrönt für den Verkauf im Jahr 2019, der Umsatz brachte dem Unternehmen den Titel als bester Produzent in der Kategorie Gesichtspflege. 

Mit moderner Technologie, anziehender Verpackung und so manchen neuen Formeln lassen sich die Produkte auch über den Onlineversandhändler Amazon im Ausland verkaufen und erzielten im ersten Halbjahr 2021 einen Umsatz von rund 135 Millionen Lei. Unter den 450 hergestellten Produkten sind auch die Haushalts-Reinigungsmittel Triumf und Nufăr zu finden, auf die zahlreiche Rumänen weiterhin zugreifen. 

Guban – Schuhe für immer

Aus Interesse am Einfluss von Schuhpflegemitteln auf das Schuhwerk hat Blaziu Guban 1937 in Temeswar/Timișoara ein Einmann-Unternehmen gegründet. Anfangs verkaufte er Schuhcreme, die er nach einem eigenen Rezept herstellte und die die Lebensdauer der Schuhe stark verlängerte. Mit der Zeit entwickelte er weitere Pflegeprodukte für Schuhwerk, 20 Jahre später waren in einer mittlerweile großen Fabrik 475 Menschen beschäftigt. So entstand 1959 das erste Paar Guban-Schuhe. Schauspielerin Sophia Loren, US-Präsident Harry Truman, der kommunistische Anführer Gheorghe Gheorghiu Dej oder Schriftsteller und Dichter Tudor Arghezi trugen Guban-Schuhe. Sie waren aus echtem Leder, hochqualitativ, elegant und dementsprechend teuer. Die meisten wurden exportiert, Rumänen, die sie sich kaufen konnten, haben sie wohl heute noch in ihren Schränken, in gutem Zustand.

In den Übergangsjahren waren hierzulande Importschuhe der Renner, viele der rund 3000 Angestellten des Unternehmens wurden arbeitslos. 1995 wurde die Firma privatisiert (mit italienischem Kapital), sodass die Verwöhnung für Fuß und Auge weiterhin besteht. Rund 80 Modelle sind in Geschäften und online erhältlich, sowohl im In- wie auch im Ausland.